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Gedanken zur Zeit

Wasser – für mich hauptsächlich Lebenselixier und ein Metapher-taugliches Element, bis dahin. Als Gefahr habe ich es in der Vergangenheit eher am Rande wahrgenommen, lebe ich doch auf einem Berg und hatte nicht viel mit den Schattenseiten vom Wasser zu tun, von diversen Kleinigkeiten wie ein vollgelaufener Keller und eine verstopfte Dachrinne mit entsprechenden Folgen in unserer Wohnung mal abgesehen. Das, was ich derzeit in den von Hochwasser betroffenen Gebieten sehe, macht mich fassungslos, wie so viele andere Menschen auch. Es wird sich etwas ändern müssen, nur nicht in dem Tempo, wie es die derzeitige allgemeine Betroffenheit am liebsten hätte, was ich nur zu gut mitfühlen kann, geht mir das Schicksal der Menschen in den vom Hochwasser verwüsteten Gebieten ebenso nahe.

Wer seinen Blick weiter schweifen lässt, weiß, dass tiefe Betroffenheit kein guter Ratgeber sein muss, oft genug eben nicht ist. Dogmatisch angetriebene Entscheidungen in Sachen Verkehrs- und Energiepolitik um den Preis von schweren, letztendlich staatsgefährdenden sozialen Verwerfungen dürfen nicht der Weg sein. Lohn und Brot, ein Auskommen für alle haben oberste Priorität, für mich, des inneren Friedens Willen. Die politische Kunst der nächsten Jahrzehnte wird sein, dieses Grundbedürfnis mit den Herausforderungen des auch von uns Menschen gemachten Klimawandels zusammen gehen zu lassen. Wege und Ansätze gibt es viele, ich bin sehr gespannt, wie es weiter geht. Zum Schluss noch ein Wort an den Kanzlerkandidaten der Union, Armin Laschet: Einfühlsamkeit angesichts zahlreicher Menschenopfer geht anders, nicht mit solchen Worten, auch wenn Sie im Kern nicht so falsch liegen. Ich habe ihren Auftritt in West3 dito gesehen…

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Genug der Politik. Der Wasser-Tiger, dieser Blog hier, namentlich inspiriert von meinem Geburtsjahr, 1962 – in letzter Zeit ist es still geworden, schreibe ich doch mehr oder weniger regelmäßig eher auf der Wupperpostille. Weiter machen? Manchmal denke ich, es reicht mit einem Blog, es braucht ihn nicht mehr, den Wassertiger. Mal sehen, für`s Erste lass ich es so weiter laufen, auch wenn sich zumeist nur Bots für die Ecke hier zu interessieren scheinen. Zumindest die arithmetische Erfüllung des chinesischen 60-Jahre-Zyklus im nächsten Jahr, dito einem Jahr des Wassertigers, soll er mit erleben.

Immerhin bietet diese Nische hier Gelegenheit, mal die Gedanken zu sammeln und passende Worte, idealerweise in ganzen Sätzen für die momentane Gefühlslage zu finden, etwas abseits der schreibenden Community. Stichworte gibt es reichlich. Familie, Gesellschaft & Politik, Idealismus, Pragmatismus, Polarisierung, Leben mit Widersprüchen, mit Zwiespalt. Gesellschaft und Politik hatte ich schon, siehe oben, das soll reichen, für heute.

Familie – mein Verhältnis zu dieser kleinsten Form von Gemeinschaft ist zwiegespalten, wie so vieles in meinem Leben, das von Polaritäten und Widersprüchen geprägt wurde und wird. Einerseits bin ich erschüttert, wenn ich am Beispiel meiner Eltern sehe, was alt werden, sehr alt werden bedeuten kann, nicht nur gesundheitlich, auch mit Blick auf den Umgang miteinander, mit Wesensveränderungen im Alter oder besser die teils heftigen Verstärkungen und Kristallisationen schon immer vorhandener Charaktereigenschaften und Neigungen. Ein Buchzitat dazu fand neulich den Weg zu mir, das ich sehr passend finde:

„Wenn wir ein gewisses Alter überschritten haben, werfen die Seele des Kindes, das wir gewesen, und die Seelen der Toten, aus denen wir hervorgegangen sind, mit vollen Händen ihre Schätze und ihren bösen Zauber auf uns und verlangen, dass sie zu ihrem Teil an den neuen Gefühlen mitwirken können, die wir empfinden und in denen wir sie, nachdem wir ihr altes Bild ausgelöscht haben, in einer neuen Schöpfung wieder zusammenschmelzen.“

Marcel Proust – Auf der Suche nach der verlorenen Zeit/ Die Gefangene 
Danke für den Buchtipp, liebe G. 😉

Auf der anderen Seite sehe ich mit Freude, wie mein großes Kind seinen Weg geht, wie meine Anverwandtschaft dabei ist, mit vielen Kindern liebevoll eigene Ableger der großen Sippe zu bilden. Ich habe keine Angst mehr, meinen Vater all zu ähnlich zu werden, was den Umgang mit dem anderen Geschlecht angeht, damit habe ich bereits abgeschlossen, zum Leidwesen meiner ersten Frau. Auch in Sachen Vertrauen bin ich zu lange schon auf einem guten Weg, dass ich noch Angst haben müsste, ihm ähnlicher zu sein, als mir lieb ist. Auch kann ich die ebenso vorhandenen positiven Seiten meiner „familiären Sozialisierung“ heute durchaus erkennen und annehmen, für all das bin ich meinem Schöpfer sehr dankbar.

Zwiespalt auch an anderen Stellen in meinem Leben: Idealismus vs. Pragmatismus, vs. realistischer Einschätzungen der Gegenwart, oder besser dem, was ich dafür halte. So halte ich mich einerseits für einem gefühlsbetonten, potentiell mitfühlenden Menschen, der allerdings ebenso mit ordentlichen Portionen Ego & Überlebenswillen ausgestattet worden ist, kombiniert mit einer manchmal selbst für mich schwer erträglichen inneren Kälte & Distanz mit Blick auf manche menschliche Interaktionen, auf gesellschaftliche Zusammenhänge. Dazu gehört die stete Gefahr des Abgleitens in Sarkasmus, was ich gelegentlich auch zulasse und kultiviere, wovor ich mich hüte, ist blanker, menschenverachtender Zynismus, zu dem ich ebenso fähig bin. Das Bindeglied zwischen all diesen Facetten ist mein Glaube, der mich nicht nur in die Lage versetzt, all diese inneren Widersprüche zu erkennen, anzunehmen und zu (er-)tragen, sondern der mich auch verweilen lässt, in der Gegenwart, wie immer sie auch gerade geartet ist. Flucht bedeutet für mich immer Morpheus`sche Traumwelten, die ich mir nicht mehr leisten will. Bis heute und nur für heute funktioniert das seit vielen Jahren recht gut, das wahrscheinlich größte Geschenk des Universums für mich.

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Der Plan

Schwitzend wälzt er sich auf seinem Nachtlager umher, ein Blick auf die Uhr verrät, dass es in eineinhalb Stunden Zeit ist aufzustehen. Es ist nicht nur die sommerliche Tropennacht, die ihn schlaflos macht. Die Geister, die ihn des Nachts besuchen, in seinen Träumen, tun ihr übriges.

Pflicht. Es gab mal einen Roman, da sollte einer einen Schulaufsatz schreiben, über die Freuden der Pflicht. Der Junge gab seinerzeit ein leeres Blatt ab, weil er nicht wusste, wo er beginnen sollte und kassierte seine ungenügende Note dafür. Der Schlaflose dagegen weiß heute seine Gedanken zu sortieren, was ihm allerdings auch nur begrenzt weiter hilft.

Die Arbeit – der größte Teil dessen, was man gemeinhin als Pflicht ansieht. Er hat seine Arbeit nie geliebt, allerdings schon in großen Teilen gerne gemacht, zu seiner Zufriedenheit und offensichtlich auch zu der seines Arbeitgebers, sonst wäre er nicht schon so lange in dem Unternehmen. Was ihm mehr zusetzt als die Arbeit selbst, ist das erkennen seiner eigenen Untiefen, mit den Jahren. All die Ängste, die er ausgestanden hat. Vieles hat sich aufgelöst, anderes lediglich transformiert, was an sich nicht schlecht sein muss. Geblieben ist ihm die Erkenntnis, das sein Leben ganz offensichtlich irgend einem seltsamen Plan folgt, geschrieben von einem, der es nach Lage der Dinge recht gut mit ihm meinte, bis dahin.

Hoffnung. Die hat er nie aufgegeben. Dass sich unter anderen dieser Zorn, der in dieser Zeit sein Herz so oft erfüllt, auch eines Tages legen wird. Wut auf die tägliche Tretmühle, die ihn manchmal zu ersticken droht. Zorn, der an die Stelle der Angst getreten ist, die ihn so lange gefangen hielt. Zorn auf diesen unerbittlichen Konkurrenzkampf, der nichts mehr mit dem gemeinsamen Jagen und Sammeln aus seiner Vorstellung von einst zu tun hat.

Frieden gibt es, das spürt er in manchen stillen Augenblicken, wenn gerade einmal wirklich nichts zu tun ist. Die frühen Morgenstunden, die er so liebt, weil die Stadt dann noch still ist, wenn die meisten Menschen schlafen. Die Besinnung, bevor für ihn der Tag beginnt. Versöhnung mit dem Weg, der für ihn in großen Teilen aus Überwindung bestand. Überwindung seiner selbst und mehr als einer Kapitulation aus vermeintlich verlorenen Schlachten.

Sein Berufsleben befindet sich im Endspurt, sozusagen. Alles scheint auf eine bestimmte Zeit hinaus zu laufen. Das Ende seiner Erwerbstätigkeit fällt, so scheint es, einerseits mit der Selbstständigkeit seines Kindes zusammen und andererseits ganz offensichtlich mit dem Lebensende seiner greisen Eltern. Nichts besonderes also, denkt er, auch viele andere seiner Generation sitzen auf diese Weise zwischen Baum und Borke, dort, wo es manchmal recht eng und ungemütlich werden kann.

In ein paar Jahren kann er also heraus aus dem Job und etwas anderes tun, was er idealer Weise von Herzen gerne tun kann. So ganz klar ist das noch nicht, weil es eben noch nicht wirklich ansteht. Nach Lage der Dinge brauchen die Eltern irgendwann eine Form von Unterstützung und/oder Unterbringung, die sehr viel Geld kosten kann. Der Staat? Der wird seine Frau mit rupfen, wenn er nicht zahlen kann und das ist das letzte, was er möchte. Also Augen auf und durch, jeden Tag auf`s Neue.

Seine Schlussfolgerungen erschrecken ihn beizeiten und er fragt sich öfter, ob man solcher Art berechnend auf das Lebensende seiner Erzeuger blicken darf. Sie sind ihm nicht gleichgültig, er möchte schon, dass sie es so gut wie möglich haben, in ihrer täglichen Fristverlängerung. Grenzbereiche, wie so oft in seinem Leben. Abschiede kennt er, ebenso dieses lebenslange Gefühl, im Grunde allein da zu stehen. Was so heute nicht mehr stimmt, wie er weiß. Allein das Gefühl will nicht wirklich weichen, es hat bei ihm schon immer etwas länger gedauert, der Weg vom Kopf in`s Herz kann sehr lang sein.

So reiht sich Tag an Tag, Dankbarkeit wechselt manches Mal den Zorn ab, der seinerseits leider immer noch die Angst ablöst. Er weiß, dass das größte Kunststück der nächsten Zeit darin bestehen wird, selbst einigermaßen gesund zu bleiben. So, wie ihm klar ist, dass Gott nicht würfelt und erst recht nicht mit sich handeln lässt.

Fortsetzung folgt, vielleicht.

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Vom ersten und vom zweiten Eindruck

Er ist ein großer, massiger Mann, den ich nicht unbedingt mochte. Irgendwie immer etwas zu laut, etwas zu distanzlos in seiner Art und zumindest von außen betrachtet auch nicht übermäßig kompetent. Ein Mensch, mit dem ich die Tageszeit wechsele und ansonsten meinen Abstand wahre. Eine sachliche Distanz, verbunden mit einer gewissen Contenance, und, wenn es sein muss auch mit kurzzeitigen aggressiven Einsatz, ist für mich die Voraussetzung für Frieden und Abstand im beruflichen Haifisch-Becken. Private Kontakte sind damit logischer Weise eher selten und beschränken sich, wenn dann, auf den unmittelbaren Nächsten.

Manchmal allerdings durchbrechen Menschen meinen Abstand, nicht mit Gewalt, die ich nicht zulasse, sondern indem sie mich berühren. Manchmal überraschend tief bewegen, in ihrem Mensch-Sein. So wie oben genannter Kollege eben.

Eines seiner Kinder ist schwer behindert und sitzt im Rollstuhl. Bei irgend einer betrieblichen Feier sind auch Angehörige mit dabei, eben auch sein krankes Kind. Man steht und sitzt umher, nippt an allerlei Getränk und Fingerfood, pflegt den üblichen, oberflächlichen Austausch. Das Kind im Rollstuhl hat schwere motorische Störungen und kleckert mit seinem Getränkebecher. An den Stehtischen wird getuschelt. Da steht dieser große, massige Mann auf, positioniert sich gut sichtbar vor allen anderen und kippt sich wortlos seinen vollen Getränkebecher in den eigenen Schritt, worauf das Getuschel endgültig verstummt.

So eine Form von Solidarität berührt mein Herz zutiefst. Gerade bei einem Menschen, von dem ich dies nie vermutet hätte. Heute sehe ich besagten Mann anders, bin auf eine Weise auch dankbar für die mir erteilte Lektion.

Respekt !

 

Wo wart ihr ?

Wo wart ihr eigentlich
damals, vor fast 20 Jahren
dass ihr heute das Maul so weit aufreißt

euch empört
dass die Jugend sich nicht kümmert

Ihr wart zu feige
euch zu stellen
den Verhältnissen, wie sie waren

Zu egoistisch, euch zu engagieren
Seht zu, wie ihr eure Kinder groß bekommt, wir sind zu jung, um Großeltern zu sein.
das waren eure Worte
mit denen ihr erst einmal weg wart,
für das nächste halbe Jahr

Ihr meint ihn und trefft mich
alte Narben, roter Zorn
Euch werde ich nicht mehr berichten
weil es euch einen Scheiß interessiert
geheucheltes Interesse

Und ja, ihr habt alles richtig gemacht
seid nach wie vor über jeden Zweifel erhaben

Da ist nur eines
Leben ist endlich
Zahltag ist Zahltag

Von mir jedenfalls
bekommt ihr Basisversorgung
ein Auge auf euch
dass ihr nicht verwahrlost

Für euer Seelenheil
seid ihr selbst verantwortlich
Bekommt ihr schon hin

Ehren soll ich euch
Ehre dem, dem Ehre gebührt

Ein Auge auf euch
ist der Ehre genug

Wie sagt man?
Nestbeschmutzer ?
Meinetwegen
Besser als an diesen Worten ersticken

*

Uno verschärft

Früher schon, so mit 18,20, hatte ich eine Schwäche für dunkle Kaschemmen, wo an wackeligen alten Tischen im trüben Licht einer Funzel gezockt wurde, Harmlose Sachen, keine großen Beträge, zur zum Spaß an der Freude saßen wir gefühlte Ewigkeiten in einer verräucherten Mansardenbude, gar nicht weit von hier im Quartier und fühlten uns sehr erwachsen, mit dem mehr oder weniger guten Blatt auf der Hand, dem Stumpen im Gesicht und den Kaltgetränken aus der Truhe.

Heute ist das ein wenig anders, kein Rauch und keine Gersten-Kaltschalen. Selten kommt es vor, auch ist es kein Poker mehr, sondern das gute alte Uno-Spiel aus den Kindertagen meines Sohnes. So geschehen letzten Samstag im erweiterten Familienkreis hier zuhause – mit ganz speziellen Regeln, derweil Uno an sich ja doch ein eher überschaubares Spiel ist.

So dürfen also so genannte Zwillings-Karten, also gleiche Farbe, gleiche Zahl, auch außer der Reihe abgeworfen werden, sofern der reguläre Spieler noch nicht geschaltet hat. Sehr schön ist auch die Regel mit der Sechs. Kommt diese auf den Stock, muss eine Hand darauf, von allen rundum, und der letzte kassiert eine Strafkarte. Das macht recht munter und regt Ringträger zum nachdenken an, wenn der Nachbar böse guckt und sich anschließend die Pfote reibt. Außer böse gucken ist in dieser familiären Sonder-Edition nämlich nicht viel möglich, derweil jedes Schimpfwort sofort eine weitere Strafkarte nach sich zieht. Es ist einfach unbeschreiblich, welche Wortkonstellationen diese hübsche Regel zustande bringt, um den Unmut, den die kleinen Gemeinheiten dieses Spieles produzieren, irgendwie zu kanalisieren.

Um das Ganze noch ein wenig abzurunden, um der passenden Stimmung willen lief dabei noch nette Tischmusik. Immer noch staune ich, wie stabil unser großer Holztisch ist, nach all den handgreiflichen Attacken hier am Wochenende. Spaß gemacht hat es auf jeden Fall!

Babyflüsterer

Sonntag Abend, auf dem Heimweg von einer ausgedehnten Radtour finde ich mit Müh und Not einen Platz mit meinem Rad im Mehrzweckabteil der RE4, Düsseldorf-Wuppertal. Es ist sehr voll und es ist schlechte Luft mangels Klimatisierung. Neben mir sitzt eine sehr junge Familie, Vater und Mutter vielleicht Anfang 20, gleich neben mir ein kleiner Junge, höchstens ein oder eineinhalb Jahre alt. Drum herum drapiert das übliche Accessoire, bestehend aus Mini-Reisebett, Kinder-Buggy und diversen Taschen.

Dem Kleinen läuft die Nase, er ist recht ungehalten und schreit. Liebevolle Ablenkungsversuche seitens seiner Mutter laufen irgendwie allesamt in`s Leere, er ist sozusagen untröstlich. Auch mir läuft angesichts der miesen Luft die Nase und das Geschrei nervt so langsam. Also drehe ich mich zur Seite und schaue den Kleinen eine Weile an, wie ich Kinder in dem Alter im Allgemeinen so anschaue, also nicht sonderlich unfreundlich, aber auch nicht unbedingt freundlich und schon gar nicht mit diesen blöden Grinsen im Gesicht, zu dem sich einige so genannte Erwachsene gern hinreißen lassen. Einfach offen und interessiert.

Irgendetwas scheint ihn wiederum an meinem Gesicht zu interessieren, was genau bleibt unklar, jedenfalls wird sein Geschrei etwas leiser. Was mir Gelegenheit zu einer kleinen, leisen, aber bestimmten Ansprache gibt.

Du hast es richtig gut, weißt Du das? Du glaubst ja gar nicht, wie oft ich gern noch mal so schreien möchte wie Du, bestimmt jeden Tag ein paar Mal. Allerdings sieht man mir das wahrscheinlich nicht so einfach nach wie dir, möglicherweise kommen dann komische Leute, um mich mitzunehmen. Das ist ein echtes Privileg, finde ich Klasse, nutze die Zeit!

Der Kleine ist mittlerweile still, hört mir aufmerksam und freundlich lächelnd zu. Geht doch, denke ich, während ich zu seiner Belustigung mal meine Fahrradklingel scheppern lasse. Seine Mama holt derweil einen hölzernen, bunten Abakus aus einem Seitenfach des Reisebettes und der Rest der Fahrt ist entspannt.

Sein erstes Mal

Vom Beifahrersitz aus betrachte ich das Geschehen und höre nach einer kurzen Einweisung meinerseits erstmal zu. Geht der Sitz nicht weiter zurück…tönt es fragend an mein Ohr. Der Sitz ist am hinteren Ende, 1.92m sind halt Grenz-wertig. Spiegel werden eingestellt und weiter geht die Fragerei. Das Lenkrad sollte ein wenig höher und der Sitz auch, wie geht das…

Was glaubst du, wo Du hier bist? antworte ich dem großen Kind, das gerade einen technischen Kulturschock erleidet. Sein frischer Führerschein wurde auf einem Golf 7 erworben und nun das. Eine Karpaten-Schleuder auf dem Stand der 80er Jahre. Ohne elektrisches Gedöns wie gerade eben angefragten Komfort. Ohne Zentralverriegelung, ohne Servolenkung, ohne sommerlichen Kühlschrank. Ohne überhaupt so einigen, was eh`nur irgendwann das Zeitliche segnet und dann nach Werkstatt schreit. Eben das Nötigste, fahren geht gut, wenn man Freundschaft mit dem puristischen Gefährt geschlossen hat.

Los geht die Fahrt und meine Bauchschmerzen lasse ich mir so gut es geht nicht anmerken. Einmal will ich mit dabei sein und den Schwall erster Fragen beantworten, dann soll und wird er allein mit dem Auto klar kommen. Gewisse fahrtechnische Disharmonien führen mir hautnah die Folgen meines Entschlusses vor Augen, das mir nicht mehr ganz so heilige Blech zu teilen. Zumal ich, Gott sei Dank, beruflich nicht drauf angewiesen bin, die paar Kilometer fahre ich gern mit dem Fahrrad und so steht der Wagen sowieso zuviel umher. Ganz abgeben mag ich ihn aber auch nicht, also wird dem Ding wieder einen Sinn gegeben und das Kind lernt Auto fahren.

Auch ich lerne etwas. Teilen und Vertrauen haben, das alles gut ist, wie es ist. Zu leben mit dem Risiko, das so einiges daneben gehen kann. Kann, nicht muss. Mich überwinden, Vertrauen zu schenken, so wie ich mir das auch einmal gewünscht habe, es geschenkt zu bekommen.

Fühlt sich alles in allem gut an, auch mit Bauchschmerzen.

Geduld

Wir haben ihnen früher Geschichten vorgelesen. Viele Geschichten, regelmäßig, damals, als sie noch klein waren und nicht selbst lesen konnten. Manche Geschichten immer und immer wieder, die sogenannten Lieblings-Geschichten. Wochen oder gar Monate lang. Selbst, als uns die Stories zum Halse heraus hingen, taten wir ihnen den Gefallen.

So gesehen haben wir uns einen Bonus erarbeitet. Für später. Wenn wir wieder die gleichen Geschichten erzählen, von mancher Endlos-Schleife in unseren Köpfen produziert. Nur dienen diese Geschichten dann nicht zu ihrer Unterhaltung, sondern eher zu unserer Erleichterung. Für diesen Fall der Fälle wünsche ich unseren Kindern dieselbe Geduld mit uns, die wir einst mit ihnen hatten. Das sie im ungünstigsten Fall dann wie damals irgendwann friedlich einschlafen und nicht Augen-verdrehend das Weite suchen.

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Nicht allein

Ein neues Buch liegt hier, die ersten paar Seiten habe ich schon gelesen.

Kriegsenkel von Sabine Bode.

Dort ist u.a. die Rede von diffusen Ängsten und tiefsitzenden Verunsicherungen der Kinder der so genannten Kriegskinder, also hauptsächlich der in den 60ern geborenen Kinder. Kinder mit Vater und Mutter wie meine Eltern eben, die bei Kriegsende selbst so um die zehn Jahre jung waren. Welche Auswirkungen deren Erlebnisse auf ihre Kinder wiederum, der dritten Generation nach den Tätern hatten.

Meine Generation, meine Geschichte.

Nie hätte ich gedacht, das all das einmal Thema eines Buches und vieler therapeutischer Erklärungsmodelle sein würde. So viel ging mir schon nach den ersten Zeilen durch den Kopf. Das Leben meiner Eltern. Sie waren unübertroffen im Ausblenden großer Themenbereiche, im Leben innerhalb einer selbst erschaffenen Matrix. Diese Sätze. Das ich nicht wüßte, wie gut ich es hätte. Diese Missachtung von Individualität, entstanden aus dem Zwang zur Konformität, der wichtigsten Überlebensstrategie der einfachen Menschen im Nationalsozialismus. Nicht auffallen eben.

Diese Geschichten, die mir wie aus einer anderen Welt schienen. Spärlich kamen sie an`s Licht, vieles erst auf hartnäckige Nachfrage hin. Mein Vater hatte das „Glück“, in Quartieren weit im Osten der Stadt aufzuwachsen, die von den Angriffen nicht so extrem betroffen waren. Meine Mutter hingegen musste diese Nächte in der Innenstadt erleben. Aus dem Keller heraus mit ansehen, wie Menschen im vom Phosphor entzündeten Asphalt stecken blieben und verbrannten. Die Hölle auf Erden.

Andere Geschichten. Geschichten von Flucht, Kinderlandverschickung. Geschichten von Zwangssterilisation, Denunziation, angewandter Rassenwahn. Geschichten derer, die nicht zurück gekommen sind. Derer, die am nächsten Morgen schlicht nicht mehr da waren. Geschichten der wenigen, die sich dem Irrsinn erfolgreich entziehen konnten, die den Preis  zu zahlen dafür bereit waren, ein Leben im Untergrund. Und auch die Geschichten derer, die das System mit trugen, sei es in ihrer Gesinnung, sei es an der Front. Alles innerhalb zweier Familien. Nach den Geschichten vom Terror folgten die Geschichten vom Hunger, von Entbehrungen, von der Not, eine Bleibe zu finden. Vom Zwang, zu heiraten, um überhaupt eine Bleibe zu finden.

Du weißt überhaupt nicht, wie gut Du es hast.

Es ging mir gut, ihren Maßstäben nach, ja. In Friedenszeiten aufwachsen zu dürfen, ist für sich genommen erst einmal ein großes Geschenk. Wenn dieses Gefühl nicht gewesen wäre. Das irgend etwas nicht stimmt an dieser vorgelebten Welt. Maskerade. Für sie war sie Überlebens-notwendig, um das Erlebte irgendwie erträglich zu machen. Auf mich wirkte sie aufgesetzt und unecht. Wenn  diese Träume und Ängste nicht gewesen wären, für die es offensichtlich doch keinen Grund gab.

Heute weiß ich, das es keinen einzelnen, schlüssigen Grund für die Zustände gibt, in denen ich mich als Kind, als Jugendlicher und als Erwachsener wieder fand. Allenfalls ein ganzes Bündel von Ursache und Wirkung, keine Schuld. Die Geschichte meiner Eltern ist ein Teil davon.

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Ein „M“

Großen Respekt habe ich vor Menschen, die mit mancherlei Bürden und unter widrigen Lebensumständen das Beste aus ihrem Leben machen und keine Scheu vor Verantwortung zeigen. Spätestens dann haben sie mein Herz gewonnen, wenn sie sich echt anfühlen, keine Rollenspiele spielen, keine Maskerade leben. Am Samstag waren wir bei solchen Menschen zu Gast. Ein kleines Haus mit viel Wärme und Herzlichkeit sowie mit vielen Kindern. Menschenkinder und – einige Katzenkinder.

Unsere beiden Bauern waren ja schon ein gutes Jahr alt, als ich sie kennen lernen durfte. Noch nicht so ganz ausgewachsen, aber schon lange keine Baby`s mehr. Die hier dagegen sind gerade drei Wochen alt…die Bilder sprechen für sich.

Die ganze kleine Familie, eines weiß wie die Mama, zwei getigert wie der Papa und eines schwarz. (Drauf klicken zum Vergrößern)

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 Ein schwarzer Silberblick…

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Beim  allabendlichen wiegen, mit genauer Buchführung. Die Begeisterung hält sich allerdings in Grenzen…

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Und hier das „M“, mein persönlicher Favorit. Wenn hier noch Platz wäre…

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Es ist schon faszinierend, so eine kleine Hand voll Katze. Alles dran, wie bei den Großen, aber eben alles in XXS sozusagen. Das „M“ schlief dann schlussendlich schön bei mir ein…

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