Archiv für den Monat: Februar 2014

Jason

Schreib`doch mal über die Firma…so höre ich öfter von gelegentlich hier mitlesenden Kollegen. Das ist erst einmal ein hübscher Gedanke und mit ein wenig Erinnerung kämen bestimmt etliche Geschichten zustande, bei gründlicher Durchleuchtung dieses Mikro-Kosmos würde es durchaus an Romanstärke heranreichen.  Allerdings sind solcher Art Geschichten nicht ohne und eh`ich mich versehe, ist meine Stelle womöglich vakant. Darum beschränke ich mich aus diesen verständlichen Grund bei solchen Stories auf Personen, die schon lange die Firma verlassen haben, und/oder nicht die geringsten administrativen Aufgaben haben/hatten.

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Jason war so einer. Ein ehemaliger Kollege vermutlich afro-amerikanischer Abstammung, der vor vielen Jahren mal für kurze Zeit in der Logistik gearbeitet hat. In Erinnerung geblieben ist er mir hauptsächlich durch seinen sehr speziellen Humor. Er bediente ganz bewusst so ziemlich jedes Klischee über Schwarze hierzulande, aus Spaß an der Freude.

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Trat er morgens seine Schicht an, ging der kurze Weg von der Umkleide zu seinem Arbeitsplatz mitten durch unsere heiligen Hallen. Eine echte Erscheinung. Eher untersetzt und mit einem stattlichen Bauch versehen schritt er daher, den blauen Arbeitskittel offen, schwarzes Shirt darunter und auf der Brust baumelte ein riesiges goldenes Kreuz. Ein Bild, das alle Jahre überdauert hat, bei mir. Grinsend zog er manchmal eine Banane aus der Kitteltasche, warf sie spielerisch hoch in die Luft, um sie geschickt  aufzufangen und würdevoll wieder im Kittel zu versenken.

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 Jason gehörte zu den Menschen, die uns ein geflügeltes Wort hinterließen, was nicht so oft vorkommt. Unvergessen ist eine überlieferte Episode von seinen direkten Kollegen, so geschehen an einem eher stressigen Arbeitstag. Draußen stehen die Lastwagen Schlange und Jason sieht sich der zunehmenden Ungeduld seines Abteilungs-Meisters ausgeliefert, dem das alles nicht schnell genug geht. Ob er dieses oder jenes denn nicht sehe und er möge doch jetzt endlich mal Gummi geben, heißt es laut im schönsten Kutscher-Slang. Worauf Jason ein sehr erstauntes Gesicht macht und scheinbar ehrlich interessiert nachfragt: Welches Gummi, Meister? Seitdem steht die Frage nach dem Gummi stellvertretend für die totale Ahnungslosigkeit.

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 Irgendwann im Umkleide-Raum. Jason und ich begegnen uns und über ein paar Umwege entwickelt sich so ein typischer, kurzer Erfahrungsaustausch unter geschiedenen Männern. Ein Satz von ihm klingt mir noch im Ohr: Oh, ja, meine Frau zieht aus und ich muss zwei Wochen weinen. Dann, endlich geht es besser, kommt Post von ihrem Anwalt, was zu zahlen, weißt Du, und sofort noch einmal zwei Wochen weinen..

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Schließlich kam dann, was kommen sollte. Jasons Bedächtigkeit wurde fälschlicher Weise zur Arbeits-Unlust missgedeutet und seine Kündigung stand an. Des Chefs übereifrige, rechte Hand beeilt sich, dem Guten die vermeintlich traurige Nachricht schriftlich in einem neutralen Umschlag verpackt zu überreichen. Jason jedoch gönnt der Hofschranze weder ein trauriges, enttäuschtes Gesicht noch einen billigen Triumph und nimmt den Umschlag an sich. Ohne sein Gegenüber zu Wort kommen zu lassen, entfernt er sich stilecht leicht gebeugt rückwärts gehend unter überschwänglichen Dankes-Worten über die vermeintliche Gratulation zu seinem erst kürzlich begangenen Geburtstag.

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Wie ich hörte, fährt Jason nun bei der Stadt Bus. Kann ich mir für ihn gut vorstellen, dafür braucht man ebenso Humor hier in der Stadt.

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