Archiv der Kategorie: Nicht ganz so ernst

Energie

Der Titel könnte auch heißen: Aus einem Traktor wird kein Porsche – oder so ähnlich. Umgekehrt wohl ebenso wenig. Wenn ich so zurück blicke – augenscheinlich ist mir der Traktor näher als der Porsche, immer schon gewesen. Von Kindheit und Jugend fange ich erst gar nicht an, die waren bestimmt von Angst, Blockaden, sowie dem daraus resultierenden Phlegma. Das änderte sich mit Beginn meiner Berufsausbildung, mit den ersten bescheidenen Erfolgen lernte ich auch so etwas wie Ehrgeiz kennen. Eine Geschichte für sich, obgleich die Art und Weise, wie die Dinge angegangen werden, also der Einsatz von persönlicher Energie, schon irgendwie dazu gehört.

Aller Anfang ist schwer, das gilt für mich bis heute. Im liegen-lassen bin ich Spitze, nicht, weil es an der Einsicht mangelt, etwas mal allmählich anzugehen, der gefühlte Anlaufwiderstand ist einfach enorm. Dazu gesellt sich aus jahrelanger Beobachtung die Erkenntnis, dass es nicht immer lohnenswert ist, die Dinge zeitnah anzugehen. So vieles regelt sich ganz ohne mein Zutun, was bleibt, ist die Kunst der Unterscheidung unter Abwägung der möglichen Folgen von tun oder eben (unter-) lassen. Anderes ähnelt stark altem Wein, was nur lange genug liegt, verliert öfter als gedacht an Priorität, ändert sich bisweilen noch ein paar Mal oder wird irgendwann völlig überflüssig. Na also, denkt es dann in mir. Ist so selten auch nicht.

Faulheit? Würde ich nicht so nennen. Eher Pragmatismus im Umgang mit der mir zur Verfügung stehenden Energie, und die nimmt ja beim älter-werden nicht unbedingt zu. Haushalten ist also angesagt, Planung und ein gerüttelt Maß an Routine sind dabei äußerst hilfreich, wenn schon Aktion angesagt ist. Außen vor sind dabei solche Situationen, die sofortiges Eingreifen erforderlich machen, da sind andere Potentiale gefragt und auch abrufbar. Nur – so oft, wie mein soziales Umfeld mir das glauben machen will, wollte, vorzugsweise beruflich, war und ist das weiß Gott nicht der Fall (gewesen). Also kommt mir nicht mit eilig, denkt es dann in mir, oder nennt mir gute Gründe und macht euch an entsprechender Stelle wichtig. Der Vorteil an einem solchen persönlichen Zuschnitt ist die die damit verbundene Fähigkeit, den Dingen auf den Grund zu gehen, erst von ihnen abzulassen, wenn etwas endgültig erledigt ist, allen Widerständen und mittendrin auftauchenden Herausforderungen zum Trotz, Stichwort Traktor. So kannte ich selten Scheu vor größeren Projekten, auch wenn sie zunächst wie ein Berg vor mir standen. Eines nach dem anderen und das wichtigste zuerst. Mars im Zeichen Stier eben. Der Traktor schlechthin 😉

Überhaupt sind mir in dem Zusammenhang die alten Römer irgendwie gefühlt nahe, mit ihrem Selbstverständnis. Die kannten gar kein Wort für Arbeit, soweit mit bekannt, nannten sie unvermeidliche Beschäftigungen aller Art die Abwesenheit von Muße, Otium, also Negotium. Na gut, das römische Reich nahm ja bekanntlich kein gutes Ende, kann dem Durchschnitts-Germanen also nur bedingt als Vorbild taugen. Kühlschrank voll und im Winter schön warm zu haben, ist nicht zu verachten, ebenso niemanden etwas schuldig zu sein, zu bleiben.

Sonst so? Brennen soll ich, für was auch immer, und alles geben, nach Möglichkeit. Wer so einen Scheiß verzapft, braucht sich um Widerspruch nicht zu sorgen, weder will ich (ver-)brennen noch alles geben, derweil dann nichts mehr von mir übrig ist. 51% sind immer die meinen, als mein eigener Mehrheitseigner, darauf könnt ihr einen lassen, ihr Phrasendrescher aller Couleur.

Konsequent zu Ende gedacht, klingt das dann ungefähr so,
Stichwort dagegen-halten  😉

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Es war einmal …

…vor langer, langer Zeit:
Der junge König und das Loch des Grauens.

Einem jungen König, genannt Christophorus, war von seinem Vater, Alfonso dem Gerechten, ein kleines Königreich angetragen worden. Der Jüngling, der sich eigentlich lieber auf Schnee vergnügte, als sich mit den Niederungen eines wie auch immer gearteten Regierungsgeschäftes zu beschäftigen, sah leider keine andere Möglichkeit, in den Besitz der Kronjuwelen zu kommen, und so saß er nun auf seinem Throne, zu Übellaunigkeit und in Kenntnis seiner Defizite zu großen Misstrauen neigend. Zu allem Überfluss hatte ihm sein Vater, des Sohnes Neigungen und Unerfahrenheit im Blick, einen erfahrenen Truchsess zur Seite gestellt, der heilsam auf die Erträge des kleinen Reiches wirken sollte. Einen Beinamen wie sein zwar gefürchteter, aber hoch geschätzter Vater hatte Christophorus keinen, nicht, weil es ihm an entsprechenden Charaktereigenschaften mangelte, sondern eher, weil diese so vielfältig und vor allem unberechenbar waren, dass das Volk sich nicht wirklich auf einen passenden Beinamen einigen konnte, und ach, auch das scharfe Schwert war gefürchtet. Im Köpfe-rollen-lassen war Christophorus in der Tat routiniert und nahezu begeistert bei der Sache.

Eines Tages nun kamen Kaufleute ins Land und machten dem jungen König die Investition in eine moderne Apparatur gewaltigen Ausmaßes schmackhaft, die den Ertrag seiner Hofschmiede um ein Vielfaches steigern sollte. Sein Hofstaat sprach ihm gut zu und begeistert schlug der junge Herrscher ein. Schon am nächsten Tage saßen alle Sachkundigen mit ihm zu Rate, wie zu tun sei, mit solch einer Apparatur ungekannten Ausmaßes. Das Dach der Schmiede musste geöffnet werden, um das segensreiche Ding an seinem Platz zu bekommen und – eine große Grube sollte gegraben werden, viele Klafter lang, breit und tief, um einen sicheren Stand des Gewerkes zu gewährleisten. Ab nun wurde eifrig auf teurem Pergament ein Grundriss gezeichnet, ein umstrittenes Werk, waren die Räumlichkeiten doch ein wenig begrenzt. Ein treuer Knappe mahnte mehrfach zur Korrektur, vorausahnend, wie das Ganze ausgehen könnte, aber leider war des Königs Auffassungsgabe ebenso begrenzt wie die Ausmaße der Liegenschaften und so wurde der treue Knappe mit einem scharfen Verweis auf das nicht minder scharfe Schwert endgültig zum Schweigen gebracht.

Gesagt, geplant und frischauf begonnen – die Zwerge, ihres Zeichens Fachleute in allen Arten des Grabens, wurden bestellt, mit dem so sorgfältig wie unrichtig gemalten Pergament vertraut gemacht und nun machten sie sich ans Werk, dass es ein reine Freude war, ihnen zuzuschauen. Nach einigen Tagen schweißtreibender Arbeit war nun der große Tag gekommen. Das Dach der Hofschmiede wurde geöffnet, ein riesiger Kran ließ ganz langsam die teure Apparatur hinab, und ach – war die tiefe Grube doch tatsächlich einige Klafter versetzt zum Gemäuer, so dass die teure Apparatur erst einmal wieder außenbords geschafft werden musste.

Nun gab es ein großes und vor allem lautes Gezeter, der junge König war außer sich und beschuldigte die seiner Meinung nach dümmlichen Zwerge, das Pergament nicht richtig gedeutet und nach Gutdünken die heiligen Hallen aufgerissen zu haben. Der Vormann der Zwerge, ein gewisser Paul, war verständlicherweise zutiefst in seiner Ehre gekränkt, empört, ja geradezu völlig außer sich. Es war gar furchteinflößend anzuschauen, wie nun besagter Paul mit geschwollenem Kamm, hervortretenden Schlagadern und hochrotem Kopf in seinem rotweiß kariertem Gewande auf den jungen König los stürmte, bereit, seine Berufsehre mit einigen ebenso gezielten wie wohlverdienten Ordnungsschellen zu verteidigen. Im buchstäblich allerletzten Augenblicke ergriff ihn der König der Zwerge, ob des zu erwartenden Zwistes schon mal vorsorglich mit angereist, am Kragen des karierten Rockes, der geräuschvoll riss, aber Gott sei Dank Stand hielt und so den tapferen Paul, tobend an des Zwergenkönigs Hand zappelnd, vor großen Ungemach bewahrte.

Der Rest der Geschichte ist schnell berichtet. Irgendwie einigte man sich gütlich, und das alte Gemäuer bekam so eine Art Alkoven, an einen Wintergarten erinnernd, damit das Hinterteil der gewaltigen Apparatur ausreichend Platz finden sollte. Paul trug fortan sein ramponiertes Gewand mit hoch erhobenen Haupte und die niederen Zwerge nannten ihn ab nun stolz Paul, den Beinahe-Königsmörder.

All dies ist lange, lange her, der alte König ist längst tot, der junge König veräußerte nach dem Ableben seines Vater flugs das ganze Reich gewinnbringend an fremde, anonyme Herren, um sich endlich wieder dem Schnee und den schönen Künsten zu widmen, sich verdientermaßen des Lebens zu erfreuen. Selbst die teure Apparatur fand einen neuen Besitzer, die Grube wurde dem Erdboden gleich gemacht – einzig der Wintergarten und sicher auch Pauls Gewand erinnern noch einige langjährige Schergen zu deren gelegentlicher Belustigung an die alten Zeiten.

Und wenn sie nicht gestorben sind, erzählen sie noch von früher …

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Von Fröschen, Märchen und anderen Irrtümern

Sehr früh am Morgen wache ich auf und bleibe erst einmal liegen, um niemanden zu stören, an so einem feinen Pfingstsonntag. Schlafen geht nicht mehr, also nehme ich mir das Tablet und schaue mich in der Mediathek um. New Orleans … eine Doku über diese vor 12 Jahren vom Wasser so geschundene Stadt, deren Bewohner sich nicht unterkriegen lassen, von den Naturgewalten. Gelebte Gelassenheit allerorten.

Das Reporter-Team begleitet verschiedene Menschen, die am und teils auch vom Wasser des riesigen Mississippi-Deltas leben (Der Fluss wird tatsächlich mit 4 „S“ geschrieben…) Einer der Protagonisten hat so ein Propeller-Boot, mit dem er Touri`s durch das Delta führt. Ganz nebenbei hat er seinem Sohn, der mit dabei ist, beigebracht, wie man die riesigen Frösche dort fängt. Das brachte ihm einst ein Taschengeld, wie andere eben Zeitungen verkaufen.

Mich beeindruckt die schiere Größe der bedauernswerten Frösche, die solcher Art gefangen in der Fritteuse des Gastgebers gelangen, und ich erzähle der Liebsten davon. Sie meint, das wären bestimmt Bufo-Frösche, aber diese sehen doch anders aus als jene in der Doku, wie ich finde. Jedenfalls bleibt es irgendwie beim Thema Frösche und wir schauen so einige Bilder von Kröten, Fröschen und dergleichen. Sehr interessant, was sich da alles tummelt.

Unser Thema bleibt bei den Bufo-Fröschen hängen, derweil diese ein spannendes Hautsekret absondern, das, wie soll es auch anderes sein, psychoaktiv ist. Dann, mit einem Mal, beginne ich die Welt etwas besser zu verstehen. Es gibt sie, diese kleinen, beinahe heiligen Momente der Offenbarung, oh ja. SO und nicht anders kam es also einst zum allseits bekannten Märchen vom Froschkönig ! Die alte Mär, man (oder besser Frau) müsse so manche Kröte nur innig genug küssen, beruht auf der feinen Wirkung von einem Hautsekret !

Also, liebe Frauen, falls es sich nicht schon herumgesprochen haben sollte oder, wie so oft durch gelebte Erfahrung widerlegt worden ist, es bringt nicht wirklich etwas, einen Frosch zu küssen. Außer eben Bufo-Frösche – da kann es tatsächlich sein, sollte man so ein Exemplar nach ausgiebigen küssen an die Wand werfen, es sich wirklich bildhaft in einem tollen Prinzen verwandelt.

Aber Achtung, jeder Rausch ist nur auf Zeit – aber wem sage ich das …

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Mach`s gut, Fidel

Heute früh also bist Du uns also voraus gegangen, wie ich gerade im Radio hörte. Natürlich werden jetzt all die vorgedruckten Nachrufe aus den Schubladen gezogen, weil, so ganz plötzlich und unerwartet hast Du uns ja nicht verlassen, in deinem biblischen Alter von 90 Jahren. Jetzt wird  je nach politischer Ausrichtung eher respektvolles oder mehr kritisches zu lesen sein, warst ja nicht immer fein in der Wahl deiner Mittel.

Einen hätte ich dann auch noch, ganz spontan, ehrlich. Für mich warst Du ein Held. Nicht, weil Du dem großen Bruder nebenan die Stirn dauerhaft geboten hast, auch nicht, weil Du angeblich über 600 (!) Mordanschläge überlebt hast. Sympathisch war mir stets der morbide Charme deiner kleinen Insel, das Improvisationstalent deiner Leute. Widerstand ist eben oft mit Entbehrungen verbunden. Sehr respektabel finde ich in dem Zusammenhang auch das Geschick deiner Landsleute, die Lebensdauer amerikanischer Straßenkreuzer mit Hilfe von russischen Triebwerken in`s Aschgraue zu verlängern.

Nein, der wahre Grund meiner Heldenverehrung ist ein anderer gewesen. Aus deinem schönen Inselreich kam weiland in den 80ern das mit Abstand beste Gras der damals noch geteilten Republik. Dein ganz persönlicher Beitrag zur Zersetzung der Kampfmoral, wenn man so möchte. Was haben wir dir für rauschende Ballnächte gewidmet, die explodierende Samenkörner in den dicken, selbst gedrehten Tüten waren die Gewehrschüsse unserer ganz privaten Revolution, sozusagen.

Bleibt Danke zu sagen, gute Reise, Fidel!

„Jeder glaubte an was anderes, weil keiner etwas verstand.
Viva la Revolution... war leider auch nur Opium.“

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Omma Schwarzbach

Die Omma`s wurden früher ja nach Straßennamen benannt, der besseren Unterscheidung wegen. Meine Omma Schwarzbach ist mir besonders gut in Erinnerung geblieben, allein schon ihrer äußeren Erscheinung wegen. Sie war klein, rund, und hatte stets gerötete Pausbacken. Manchmal trug sie zwei Brillen gleichzeitig und sie konnte auf Wunsch „Heil Hitler“ machen.

Die Besuche waren mehr solche Pflichtbesuche, meine Eltern fühlten sich genötigt, in mehr oder weniger geregelten Abständen der Omma Schwarzbach die Ehre zu geben. Sie lebte damals in eben der Schwarzbach, eine der wenigen schnurgeraden Straßen Wuppertals. Ihr Domizil lag gleich gegenüber der Luhns-Seifenfabriken, ich kann den Gestank noch riechen, sehe das nasse Kopfsteinpflaster und höre die Straßenbahn rattern und quietschen. Gut zu hören war im übrigen auch ihre Türklingel. die übertönte sogar die Straßenbahn. Das war so eine Spezialanfertigung, die ihr Sohn, der liebe Willi, der Elektriker, besorgt hatte. Wahrscheinlich irgend eine Werkstatt-Anfertigung, die es auf geheimnisvollen Wegen in die Schwarzbach verschlagen hatte. Ihrem Alter entsprechend war meine Omma nämlich ordentlich doof auf den Ohren. An der Stelle muss auch betont werden, das sie genau genommen meine Uromma war.

Die Besuche liefen stets nach streng festgelegten Ritualen ab, geheimnisvoll, da nirgendwo festgeschrieben und doch ständig wiederholt. Eines davon hieß „Die Haushaltskasse“. Des besseren Verständnis wegen muss der Erzähler jetzt ein wenig ausholen. Meine Omma hatte nämlich zwei Männer verschlissen, kassierte derweil neben ihrer eigenen auch noch deren Rente. Dafür lebte sie recht bescheiden in ihren beiden Zimmerchen. Das nicht Unwesentliche, was so übrig blieb, bekam der liebe Willi zu seiner freien Verfügung. Geld war ihr also immens wichtig, ein Maßstab für Wohlbefinden sozusagen. Auf die Frage, wie es ihr so ginge, pflegte sie zu antworten, das es ihr Hundert Mark besser gehen könne.

Aber zurück zur Haushaltskasse. Nachdem diverse Krankheitsgeschichten besprochen und einige Verwandschafts-Betrachtungen (wer hat wieder was und warum gemacht und so weiter) durchgeführt waren, stand meine Omma irgendwann langsam vom Küchentisch auf und schlappte ebenso gemach zur Anrichte. Dabei machte sie geheimnisvolle Geräusche, das klang irgendwie so „Hmmmm-Hmmm“ mit einem recht hohen Grundton. Es war ein Ritual ohnegleichen, das sorgsam zelebriert wurde. Die Anrichte wurde geöffnet und eine uralte, nur noch von Klebeband zusammengehaltene Pappschachtel erschien in ihren Händen, ihre Haushaltskasse aus erster Ehe. Langsam ging es wieder zurück an den Tisch und feierlich wurde das Schächtelchen geöffnet. Zum Vorschein kam ein 1000-Mark-Schein, der nun herumgereicht wurde, auch ich durfte ihn mal anfassen und bestaunen.

Hier muss betont werden, wir sprechen von der Zeit Ende der 60er, vielleicht Anfang der 70er, ich war so um die 10 Jahre jung und bekam, glaube ich, eine Mark Taschengeld die Woche. Das, was da also feierlich zur Ansicht freigegeben wurde, bevor es wieder in die Papp-Schatulle verschwand, war nicht nur das tausendfache meines wöchentlichen Taschengeldes, sondern nebenbei auch das geschätzte Eineinhalbfache dessen, was mein Vatter damals im Monat mühsam verdiente. Der saß bei dieser heiligen Handlung mehr oder weniger stumm dabei, sei es des lieben Friedens willen oder weil ihm seine Contenance schlicht wichtig war und machte gute Mine zum fragwürdigem Spiel.

Es gab auch einen sozusagen nicht-öffentlichen Teil des Besuchs-Rituales. Nicht öffentlich hieß in diesen Fall, den Blicken meiner Erziehungs-Berechtigten entzogen. Nach eine Weile Familien-Tratsch nahm meine Omma mich an die Hand und schlurfte langsam unter Erzeugung weiter oben beschriebener Geräusche mit mir in die „gute Stube“, ein nach hinten gelegenes Zimmerchen, in dem sie auch schlief. Ein altes Schränkchen wurde geöffnet, zum Vorschein kam eine Pulle Wacholder und ich bekam erst einmal einen eingeschenkt. Nur einen. Ein Mann hatte das abzukönnen, und ihrer Meinung nach war ich in meinem zarten Alter auf dem besten Wege, solch einer zu werden. Wenn ihrem Urenkel schon keine glanzvolle Unteroffizier-Laufbahn wie dem lieben Willi seinerzeit beschieden sein sollte, dann sollte er, blond, wie er damals noch war, wenigstens mal ordentlich einen abbeißen können.

Müßig, zu erwähnen, das ich regelmäßig auf der Heimfahrt selig schlief. Meine Omma Schwarzbach. Wenn Du das jetzt mitliest, von dort oben, oder, wie Vattern heute noch fest überzeugt ist, von dort unten, dann sei versichert, deine Kekse waren echt Kacke, aber der Kurze jedesmal ein Gedicht.

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So Typen

Mit den rebloggen, also dem wieder aufwärmen eigener oder fremder Inhalte habe ich es nicht so, aber manche Geschichten gefallen mir persönlich zu gut, um sie sang- und klanglos verschwinden zu lassen. Hier also eine kleine Zusammenfassung, zum Teil gerettet aus dem untergehenden blog.de, der Ende des Jahres schließt und meinen alten Blog inmediasres.blog.de in`s große Nichts mitnimmt.

Schreib`doch mal über die Firma…so hörte ich öfter von gelegentlich hier mitlesenden Kollegen. Das ist erst einmal ein hübscher Gedanke und mit ein wenig Erinnerung kämen bestimmt etliche Geschichten zustande, bei gründlicher Durchleuchtung dieses Mikro-Kosmos würde es durchaus an Roman-Stärke heranreichen.  Allerdings sind solcher Art Geschichten nicht ohne und eh`ich mich versehe, ist meine Stelle womöglich vakant. Darum beschränke ich mich aus diesen verständlichen Grund bei solchen Stories auf Personen, die schon lange die Firma verlassen haben, und/oder nicht die geringsten administrativen Aufgaben haben/hatten.

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Benno

Für uns war er ein Held der Werkstatt, um den sich zahlreiche Legenden rankten, die alle ihren wahren Kern hatten. Er war eine stattliche Mischung aus Pflichtbewusstsein, Bohemien und verarmten niederländischen Provinzadel. Von weitem schon sah man ihn. Groß und hager gewachsen in seinem grauen Kittel, der einer Zeit entsprang, als es noch keinen Uniformzwang gab, als unsereins noch in traditioneller Berufsbekleidung umherlaufen durfte. Eine echte Erscheinung war der Benno, die dicke, rote, blau geäderte Trinkernase leuchtete schon von weitem.

Er konnte improvisieren wie kaum ein zweiter, nichts war für einen uneingeweihten nachvollziehbar, aber alles funktionierte zumindest eine Weile. Hoch angesehen war er beim Alten, der ihn auch schon mal mit einem Taxi Abends aus der Kneipe holen ließ, wenn die Luft mal wieder brannte, Anlagen standen, der Kunde tobte. Die Kehrseite der Medaille war sein Hang zu ausgedehnten Feierlichkeiten. Gründlich versumpfte Abende, die am nächsten Tag sein Zeitgefühl manipulierten.

„Wo war`n `se denn gestern, Herr Graaf“
„Da hat` ìch kein` Zeit“

So lautete dann die knappe, wenig informative Antwort. Was natürlich Maßnahmen provozierte. Abmahnungen flogen ihm nur so zu, er sammelte sie wie Schätze in einer Werkbankschublade und wenn ein Neuer anfing, präsentierte er den ganzen Stapel mit stolzgeschwellter Brust:

„Hier, alles meine, weiss `se Bescheid!“

Lange ist das alles her, das, was wir heute Globalisierung nennen, hatte gerade erst begonnen. Benno hatte sogar noch die Größe, selbst zu kündigen, was kaum einer gedacht hätte. Zuletzt habe ich ihn vor 14 Jahren gesehen, irgendwo an einer Bushaltestelle. Keine Ahnung, ob er noch lebt, aber die Geschichten um ihn herum, die leben in jedem Fall weiter.

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Klaus

Vor vielen Jahren ging ein Kollege in den verdienten Ruhestand. Namen sind ja Schall und Rauch, ich nenne ihn einfach mal Klaus. Selbst heute sorgt er gelegentlich noch für Gesprächsstoff, vielleicht liegt es daran, das er für uns eine gewaltige Mischung aus Original und tragischer Figur verkörperte. Facharbeiter war er, vom alten Schlage, sogar einen Meisterbrief hatte er. Das war auch Teil seines beruflichen Dilemmas, er kam erst mit Anfang 50 in die Firma und fand alle interessanten Positionen besetzt, so das er sich mit dem Job an der Werkbank begnügen musste. Ich sehe ihn noch vor mir, mit dicker Hornbrille, Kittel, Kippe im Mundwinkel. Höre noch sein heiseres Lachen, wenn er „von früher“ erzählte.

Die Stories bestanden in der Hauptsache aus wüsten Sauftouren, hatten aber ihren Unterhaltungswert. So wie der einzige Tag, an dem er zu spät kam. Was nicht an dem Abend zuvor lag, sondern an plötzlichen Stuhldrang genau auf halben Weg zwischen Zuhause und Arbeit, der ihn am Wupperufer in die Büsche trieb.

Zuhause – das muss für ihn der Horror gewesen sein, auch wenn das eine oder andere bei uns für Gelächter sorgte. Eines Morgens kam er noch zerfahrener und zerknitterter als sonst in die Werkstatt. Was war geschehen? Ein Riesenlärm, mitten in der Nacht, aus der Küche. Keiner stand auf, seine beiden Söhne nicht, und seine Olle, wie er sie nannte, erst recht nicht. Bis er sich selber ein Herz fasste und schlaftrunken in die Küche schlurfte. Ein Hängeschrank hatte sich empfohlen, um zwei Uhr früh, voll mit schwerem Zeug. „Hätt` sonst wer sein können, die hätten mich klauen können, Einbrecher oder wat.“ Ist ja noch einmal gut gegangen.

Seine Olle. Die bestimmte, wo es lang ging. Klarschiff machte Klaus höchsten, wenn er voll war. So an dem Freitag, in dessen Folge er Samstags die Küche renovieren musste. Einmal der Ollen gezeigt, wo der Hammer hängt und publikumswirksam einen vollen Mülleimer durch die Bude getreten. Die Malerei hätte sonst bestimmt noch Zeit gehabt, unter anderen Umständen.

Mit den Jahren wechselte bei ihm Aufregung und Empörung in einem Zustand bodenloser Gleichgültigkeit. Zuhause hatte ihn mürbe gemacht. Jedes mal, wenn er seinen beiden Söhnen die Vorzüge eines mehr oder weniger geregelten Gelderwerbes nahe bringen wollte, fuhr ihm seine Olle gluckenhaft in die Parade. Seine Gleichgültigkeit ging so weit, das er eines Tages hier hereinkam, obwohl er Urlaub hatte. Darauf hingewiesen, drehte er auf dem Hacken um und verschwand. „Geh`ich eben wieder.“ Richtung Garten wahrscheinlich, der einzige, ihm verbliebene Rückzugsort.

Irgendwann war dann sein letzter Tag hier. Unspektakulär und bezeichnend gratulierte unser aller Chef prompt dem Falschen zum Ruhestand, während unser Klaus schon längst weg war. Niemand hat ihn seither wiedergesehen, selbst für Kollegen aus seinem Viertel blieb er wie vom Erdboden verschluckt.

Bis eines Tages ein Gerücht seine Bahnen zog, in der Werkstatt. Der Klaus wäre nun in der Südsee, DomRep oder so. Einfach abgehauen, seine Olle samt Brut und einen Haufen Schulden verdienterweise zurückgelassen. Einfach alles stehen gelassen! Wir waren begeistert, toll! Der Klaus. Hat es endlich geschafft. Wir sahen ihn mit vollen, weißen Bart, einer langstieligen Meerschaumpfeife plus Longdrink relaxed im Liegestuhl, am Strand, drapiert von leichtbekleideten, einheimischen Mädchen, die ihm jeden Wunsch von den Lippen lesen.

Natürlich war die Story nur erstunken und erlogen, von einem humorigen Kollegen. Aber wir haben sie geglaubt, weil wir sie glauben wollten. Weil wir es ihm so sehr gewünscht haben, dem Klaus. Wer weiß, ob er noch lebt, und wenn wo….

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Jason

Er war ein ehemaliger Kollege vermutlich afro-amerikanischer Abstammung, der vor vielen Jahren mal für kurze Zeit in der Logistik gearbeitet hat. In Erinnerung geblieben ist er mir hauptsächlich durch seinen sehr speziellen Humor. Er bediente ganz bewusst so ziemlich jedes Klischee über Schwarze hierzulande, aus Spaß an der Freude.

Trat er morgens seine Schicht an, ging der kurze Weg von der Umkleide zu seinem Arbeitsplatz mitten durch unsere heiligen Hallen. Eine echte Erscheinung. Eher untersetzt und mit einem stattlichen Bauch versehen schritt er daher, den blauen Arbeitskittel offen, schwarzes Shirt darunter und auf der Brust baumelte ein riesiges goldenes Kreuz. Ein Bild, das alle Jahre überdauert hat, bei mir. Grinsend zog er manchmal eine Banane aus der Kitteltasche, warf sie spielerisch hoch in die Luft, um sie geschickt  aufzufangen und würdevoll wieder im Kittel zu versenken.

Jason gehörte zu den Menschen, die uns ein geflügeltes Wort hinterließen, was nicht so oft vorkommt. Unvergessen ist eine überlieferte Episode von seinen direkten Kollegen, so geschehen an einem eher stressigen Arbeitstag. Draußen stehen die Lastwagen Schlange und Jason sieht sich der zunehmenden Ungeduld seines Abteilungs-Meisters ausgeliefert, dem das alles nicht schnell genug geht. Ob er dieses oder jenes denn nicht sehe und er möge doch jetzt endlich mal Gummi geben, heißt es laut im schönsten Kutscher-Slang. Worauf Jason ein sehr erstauntes Gesicht macht und scheinbar ehrlich interessiert nachfragt: Welches Gummi, Meister?Seitdem steht die Frage nach dem Gummi stellvertretend für die totale Ahnungslosigkeit.

Irgendwann im Umkleide-Raum. Jason und ich begegnen uns und über ein paar Umwege entwickelt sich so ein typischer, kurzer Erfahrungsaustausch unter geschiedenen Männern. Ein Satz von ihm klingt mir noch im Ohr: Oh, ja, meine Frau zieht aus und ich muss zwei Wochen weinen. Dann, endlich geht es besser, kommt Post von ihrem Anwalt, was zu zahlen, weißt Du, und sofort noch einmal zwei Wochen weinen..

Schließlich kam dann, was kommen sollte. Jasons Bedächtigkeit wurde fälschlicher Weise zur Arbeits-Unlust missgedeutet und seine Kündigung stand an. Des Chefs übereifrige, rechte Hand beeilt sich, dem Guten die vermeintlich traurige Nachricht schriftlich in einem neutralen Umschlag verpackt zu überreichen. Jason jedoch gönnt der Hofschranze weder ein trauriges, enttäuschtes Gesicht noch einen billigen Triumph und nimmt den Umschlag an sich. Ohne sein Gegenüber zu Wort kommen zu lassen, entfernt er sich stilecht leicht gebeugt rückwärts gehend unter überschwänglichen Dankes-Worten über die vermeintliche Gratulation zu seinem erst kürzlich begangenen Geburtstag.

Wie ich hörte, fährt Jason nun bei der Stadt Bus. Kann ich mir für ihn gut vorstellen, dafür braucht man ebenso Humor hier in der Stadt.

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Von Kölnern, Remscheidern und Sprichwörtern

Gestern biege ich um die letzte Ecke, auf dem Weg nach Hause, und da steht sie wieder, wie jeden Tag, die Maschine mit dem Kölner Kennzeichen. Ein Motorrad fahrender Rheinländer, der warum auch immer das ummelden vergessen hat oder der hier in den Bergen seine Liebschaft dauerbesucht.

Beim Blick auf das Kennzeichen fällt mir ein altes geflügeltes Wort ein, aus meinen Remscheider Zeiten. Remscheid ist die kleinste der drei bergischen Städte, sie liegt im Gegensatz zum Wuppertal auf einem über 300 Meter hohen Bergkegel. Eine Stadt, die mich irgendwie immer an einen Elfenbeinturm erinnert hat, man ist dort sehr für sich. Dieses Gefühl beschleicht einen schon bei der Anfahrt, von Müngsten an der Wupper kommend, wenn man die gut 200 Höhenmeter auf den Serpentinen der engen Landstraße überwindet und auf halben Weg eine Wolke durchfährt. Dieses Gefühl verstärkt sich noch im endlosen Winter-Halbjahr, wenn die Stadt dauernd im nassen Nebel liegt. Oder im Regen, der hier noch häufiger anzutreffen ist als im Tal der Wupper. Wenig Trost spenden da die frischen Winde im Frühjahr und im Herbst, die der Stadt den Beinahmen Seestadt auf dem Berge gegeben haben. Alles zusammengenommen habe ich 14 Jahre dort gewohnt, nicht ungern wohlgemerkt, nur war ich am Ende die Fahrerei leid, die diese etwas abgeschiedene Lage so mit sich brachte.

Der Kölner also erinnerte mich an meine damalige Wahl-Heimat oder besser an den Spruch, jemanden Köln sehen zu lassen, wie man dort so sagt, wenn man jemanden mal seine Grenzen aufzeigen möchte. Lange habe ich das schon nicht mehr gehört, außerhalb Remscheids schon gar nicht, so das ich gestern in`s Grübeln kam, wo solch ein Spruch wohl einst seinen Ursprung hatte. Google war auch nicht sehr auskunftfreudig, vielleicht weiß die Generation Netz ja nichts davon, was es heißt, jemanden Köln sehen zu lassen.  Einzige für mich schlüssige Erklärung wäre zum einen die Lage der Stadt, man kann auf manchen Anhöhen tatsächlich bei schönen Wetter Köln sehen, das gerade mal 40 Km entfernt liegt. Das zusammen mit dem Wunsch, sein Gegenüber damals lieber in den verschwiegenen, dunklen Remscheider Wäldern (mit Blick auf Köln eben) zu verwackeln als vor Zeugen in der Stadt klingt nach einer historischen Erklärung.

Sollte es jemand besser wissen, nur zu, liebe Bergbewohner, ich lasse mich gern belehren.

Update:

Ein Telefonat mit einem altbekannten Beinahe-Remscheider (das sind u.a. die unglücklichen Lüttringhauser, deren Vorfahren Ende der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts zwangseingemeindet wurden) brachte ein wenig Licht in die Spekulation, wenn auch keine gesicherte historische Erklärung: Jemanden Köln sehen lassen steht im günstigsten Fall für kräftige Verarsche, im weniger günstigen Fall dafür, jemanden an den Ohren hoch zu ziehen (Köln sehen? HIER!) und im ungünstigsten Fall für eine ordentliche Tracht Prügel.

Update No. 2:

Eingehendere Recherche im zugezogenen Freundeskreis brachte die Erkenntnis, das es in Sachen bessere Fernsicht (die Ohren!) durchaus lokale Varianten gibt. So spricht man im Raum der Elbe in dem Zusammenhang vom Hamburg-sehen-wollen.

Szene am Rande einer Feierlichkeit

Ich sitze auf dem Klo der Lokalität zu ebener Erde und lasse die letzten Stunden Revue passieren. Die vielen Menschen, die vielen Eindrücke. Ansprachen, Freude, Gratulationen, Zukunftspläne, ausgetauschte Erinnerungen, viel Lob und nur wenig nett verpackt vorgebrachter Tadel, gute und aufrichtig gemeinte Wünsche für die Zukunft. Applaus, Scherze, Gelächter, kleine, wohl vorbereitete Aufführungen, rührende Augenblicke mit verstohlenen Tränen im Augenwinkel. Eine sehr bewegende Veranstaltung eben, nicht nur für mich.

Toiletten sind irgendwie der einzige Rückzug-Ort auf solch großen Feiern, wo man mal ungestört einen Moment für sich hat, nicht nur zur Erleichterung, sondern auch zum ordnen der Gefühle und Gedanken. Von der anderen Seite des geöffneten Toiletten-Fensters dringt Stimmengewirr zu mir herein, zusammen mit Tabakrauch. Manche sortieren sich eben besser im Rudel.

Zusammenhang- und gedankenlos lasse ich einen kräftigen und gut geführten Wind wehen, woraufhin mir das Verstummen des Gemurmels da draußen auffällt. Vielleicht hätte man den Gemeinschaft-Aschenbecher doch woanders parken sollen, unpassend, das. Warte ich eben einen kleinen verschämten Augenblick, bis der nächste Gast unter den neugierigen Blicken und leisen Getuschel des Publikums die Örtlichkeit verlässt und folge ihm freundlich lächelnd. Contenance, ein wenig Charme und wohl sortierte Kleidung hat schon ganz andere Situationen gerettet…

Uno verschärft

Früher schon, so mit 18,20, hatte ich eine Schwäche für dunkle Kaschemmen, wo an wackeligen alten Tischen im trüben Licht einer Funzel gezockt wurde, Harmlose Sachen, keine großen Beträge, zur zum Spaß an der Freude saßen wir gefühlte Ewigkeiten in einer verräucherten Mansardenbude, gar nicht weit von hier im Quartier und fühlten uns sehr erwachsen, mit dem mehr oder weniger guten Blatt auf der Hand, dem Stumpen im Gesicht und den Kaltgetränken aus der Truhe.

Heute ist das ein wenig anders, kein Rauch und keine Gersten-Kaltschalen. Selten kommt es vor, auch ist es kein Poker mehr, sondern das gute alte Uno-Spiel aus den Kindertagen meines Sohnes. So geschehen letzten Samstag im erweiterten Familienkreis hier zuhause – mit ganz speziellen Regeln, derweil Uno an sich ja doch ein eher überschaubares Spiel ist.

So dürfen also so genannte Zwillings-Karten, also gleiche Farbe, gleiche Zahl, auch außer der Reihe abgeworfen werden, sofern der reguläre Spieler noch nicht geschaltet hat. Sehr schön ist auch die Regel mit der Sechs. Kommt diese auf den Stock, muss eine Hand darauf, von allen rundum, und der letzte kassiert eine Strafkarte. Das macht recht munter und regt Ringträger zum nachdenken an, wenn der Nachbar böse guckt und sich anschließend die Pfote reibt. Außer böse gucken ist in dieser familiären Sonder-Edition nämlich nicht viel möglich, derweil jedes Schimpfwort sofort eine weitere Strafkarte nach sich zieht. Es ist einfach unbeschreiblich, welche Wortkonstellationen diese hübsche Regel zustande bringt, um den Unmut, den die kleinen Gemeinheiten dieses Spieles produzieren, irgendwie zu kanalisieren.

Um das Ganze noch ein wenig abzurunden, um der passenden Stimmung willen lief dabei noch nette Tischmusik. Immer noch staune ich, wie stabil unser großer Holztisch ist, nach all den handgreiflichen Attacken hier am Wochenende. Spaß gemacht hat es auf jeden Fall!

Separiert euch!

Ja, liebe Schotten, das war dann wohl nichts. Schade, ich hätte dem Empire den Schlag in die Magengrube gegönnt und euch natürlich auch euer „eigenes“ Land. Aber die Gegenseite hat ihr bestes gegeben, um euch von der Idee eines eigenen Staates abzubringen. So funktioniert das in der „freien“ Welt. Natürlich darf man sich abspalten, so die eigene Verfassung das zulässt. Im rechten Augenblick, also kurz vor der Abstimmung, mahnen dann die Stimmen der EU: Keine automatische Mitgliedschaft, also Bewerber-Status und natürlich auch kein Euro. Zeitgleich tönen die Lords, das es auch kein Pfund mehr geben kann. Hättet ihr das Fußballspiel dieser Tage wenigstens gewonnen, euer Mut hätte vielleicht gereicht, den ganzen Flüsterern die Stirn zu bieten.

Bei uns in Deutschland läuft das anders. Hier ist die Möglichkeit eines Ausscheidens aus der Föderation gar nicht erst vorgesehen und jeder, der selbiges im Sinn hat, steht von Anfang an auf verlorenen Posten. Wobei mir der Gedanke durchaus irgendwie behagt, als bergischer Ureinwohner sozusagen. Die schönste Definition des hiesigen Menschenschlages liefert übrigens Herr Glumm hier aus Solingen. Im Kern heißt es dort, das die dunklen Wälder hier im Mittelalter allmählich von all denen bevölkert wurden, die sich in den großen Städten am Rhein etwas zu schulden gekommen haben lassen und vor der dortigen Ordnungsmacht türmen mussten. Und so käme es, das der Bergische an sich potentieller Nachfahr von Falschmünzern, diebischen Huren, Totschlägern und anderen Gesockse wäre. Danke an der Stelle für diesen liebreizenden Exkurs in unser Historie, Andi!

Wie also könnte ein eigener bergischer Staat auf historisch gewachsenen Grund denn wohl aussehen? Im Kern würde er bestehen aus derer zu Wuppertal, zu Solingen und derer zu Remscheid. Das Oberbergische nehmen wir sicher auch gern mit, obwohl eine gewisse Vorsicht durch die Nähe zu Westfalen durchaus angebracht ist. Das gleiche gilt auch für die Niederbergischen, die dem Rheinland schon ein wenig zugewandt sind. Details dieses neuen Kleinstaates wären sicher noch zu klären, was hier immer seine Zeit braucht, da erst einmal jahrelang darüber gestritten werden muss. Einig und schnell in unseren Entschlüssen sind wir uns hier bekanntlich nur, wenn es gegen die Welt da draußen geht, also gegen Land oder Bund beispielsweise oder gegen die EU.

Als visionistischer und ortskundiger Teil der hiesigen Avantgarde erlaube ich mir dazu mal ein paar eigene Gedanken. Mal angefangen bei einer neuen Währung, genannt z.B. bergischer Taler. Der hätte seine größte Bedeutung im freundschaftlichen Handel mit dem Rest der Welt, wobei wir unter uns um größtmögliche Eigenständigkeit in Form des Tauschhandels bemüht wären. Politisch wären mit Vollzug des eigenen Staates natürlich gewisse Säuberungen unumgänglich. Sämtliche Bremsklötze der örtlichen Grünen und des Bundes für Umwelt und Naturschutz würden ausgesiedelt werden müssen, am besten direkt in den Düsseldorfer Landtag. Dort können sie dann die von geheimen Agenten ausgeschleusten und wieder angesiedelten seltenen Fledermäuse und sonstiges Krötengetier betreuen, die hier jahrelang wichtige Bauvorhaben verhinderten oder in`s Aschgraue verzögerten. Die nunmehr heimatlosen Landtagsabgeordneten können ja derweil in den Kasematten am Rhein bei Altbier tagen, was ihrer geistigen Produktivität eher förderlich sein dürfte. Solcherart entkrötete Brachflächen könnten nunmehr interessierten Menschen zu gemeinschaftlicher Nutzung zur Verfügung gestellt werden, da denke ich an Wagenburgen und landschaftlich reizvolle Kleingärten zur Eigenversorgung. Pacht wird nicht gezahlt, dafür bekommt der jeweilige Eigentümer jeden Zehnten Apfel oder dergleichen.

Toleranz und gegenseitiger Respekt würden gestärkt, was zur Folge hätte, das zumindest die lauten Bärtigen das Land verlassen müssten. Am besten Richtung dem katholischen Rheinland, wo sie sich mit der sich in Kürze gründenden Maria-Polizei umherprügeln können. Vertreter der reinsten Lehren unter sich sozusagen und ich sitze mit meiner Visa als Weltenbürger bergischen Ursprunges in der Tasche am Zaun und schaue mir lachend bei Brot die Spiele an.

In dem Sinne zum Schluss ein kleines Lied…