Archiv der Kategorie: Spiritualität und Glauben

Die Hochzeit

Vor Wochen bekamen wir die Einladung. Mein morgendliche Mitfahrerin und Schwester im Glauben lud uns ein zur Hochzeit ihres Ältesten von 7 Kindern, und so machten wir uns gestern Abend auf den Weg, nach einer ziemlich dramatischen Vorgeschichte in Sachen Planung der Lokalitäten. Kurzfristige Absagen und nicht erteilte behördliche Genehmigungen für die abendliche Feier brachten alle Beteiligten an den Rand von ausgewachsenen Nervenkrisen. Die kirchliche Trauung fand bei Düsseldorf statt, die abendliche Feier dann nach einigen Hin und Her hier im Tal der Wupper.

Wir sehen uns jeden Morgen 6 Minuten im Auto, danach nur kurz auf Arbeit. Ich höre immer gut zu, wenn Mama Y. erzählt. Sie ist wie ihre ganze Familie sehr gläubig und wenn auch die Verständigung manchmal fordert, so berührt mich vieles von dem, was sie erzählt, sei es von ihren Kindern, von den Zuständen in ihrer Herkunftsheimat, von ihren Streben nach finanzieller Autonomie als Basis für die deutsche Staatsbürgerschaft. Dank mehrerer Jobs funktioniert das, wird aber durch überbordende Bürokratie nicht nur hier, sondern auch in Afrika, was fehlende Papiere angeht, verzögert. Eigentlich wusste ich gestern auf dem Weg zum Saal nur, dass ich so gut wie nichts wusste, mal von dem öffentlich Nachlesbaren und den kleinen Alltagseinblicken während der kurzen allmorgendlichen Fahrten abgesehen. Gute Sache, mit einigermaßen leeren und wertfreien Kopf zu einer solchen Feier zu fahren.

Ein unglaublicher Trubel und Parkplatzchaos rund um die Halle empfängt uns. Laut Mama Y. werden an die 600 Gäste erwartet, die im übrigen auch mit vereinten Kräften selbst bekocht werden sollen. Und so stehen wir draußen und kommen uns zunächst schon sehr deplatziert vor. Uniformierte junge Männer und Frauen in Grün-Weiß mit Käppi wuseln umher, kümmern sich um alles mögliche, sie gehören zur Kirchengemeinde, wie ich erfahre. Irgendjemand von den Uniformierten spricht uns an, wir zeigen unsere Einladung und werden ins Innere begleitet, man weist uns zwei Stühle an. Wir werden Zeuge einer unglaublich lauten Zeremonie, dominiert von einer extrem phonstarken Blaskapelle. In scheinbar endlos langen Zügen bewegen sich Menschen zur Musik wiegend durch den Saal. Ansprachen und Andachten in werden während der Musikpausen in französisch gehalten. Natürlich verstehen wir kein Wort, haben aber Respekt vor der natürlichen Autorität, die die Redner, zum Teil wohl auch Geistliche, in ihren in leisen und ruhigen Ton verfassten Ansprachen ausstrahlen. Alles scheint nach einem genau geregeltem Protokoll zu verlaufen. Nach eine Weile werden wir gebeten, uns kurz draußen die Füße zu vertreten, was wir gerne tun, die Tische sollen zum essen gerichtet werden.

Es ist angerichtet und wieder bekommen wir unseren Platz zugewiesen. Der einzige Tisch für Weiße, auch der einzige mit Alkoholika (alle anderen trinken zumindest offiziell nicht), aber an exponierter Stelle ganz vorn neben der Loge für das Brautpaar, dem die würdevolle Anstrengung schon deutlich anzumerken ist. Neben uns sitzt dort noch die Arbeitgeberfamilie des jungen Mannes. Der Chef, ein waschechter Bayer samt Frau, den beiden Kindern und ein Nordafrikaner, der auch irgendwie zur Familie gehört.

Schneidend dicke Luft und die Kapelle dreht sowas von voll auf. Ich bin in Sachen Konzerten einiges gewöhnt, aber die hier können mit ihrer Lautstärke mehr als gut mithalten. Sie spielen eine gewaltige Mischung aus Samba und Marschmusik, die viel Fröhlichkeit ausstrahlt, aber auch militärischen Charakter hat, so wie die vielen uniformierten Gemeindemitglieder um uns herum. Den optischen Kontrast dazu bieten die anderen geladenen Gäste – ich staune über zahllose bunte wie phantasiereich gestaltete Outfits, bei den Männern übrigens genauso wie den Frauen. Hin und wieder ebbt die Musik etwas ab, ein Fototermin jagt den nächsten. Das Buffet wird eröffnet, wir dürfen in relativer Ruhe essen, am Ende wird eine riesige Torte zeremoniell auf einem Wägelchen angefahren und will angeschnitten werden. Wenn die Musik es zulässt, entstehen unter Stühlerücken und regelmäßigen Nachfragen, der Dialekte wegen, angeregte Gespräche mit unseren bajuwarischen Tischnachbarn.

Es ist ein faszinierender Abend mit unglaublich vielen Menschen, von Babys bis alten Greisen. Viel Disziplin ist zu spüren, Contenance ist allen hier sehr wichtig, aber auch Freundlichkeit, und abseits vom Protokoll wird auch gelacht. Irgendwann nach Mitternacht verabschieden wir uns mit pfeifenden Schädeln (das tut zumindest meiner jetzt gerade immer noch 😉 ) und fühlen uns dankbar sehr geehrt, an einer solchen Familienfeier teilgenommen haben zu dürfen. Bilder und andere Aufzeichnungen gibt es, aber aus Respekt vor der Privatsphäre beschränke ich mich hier aufs (be-)schreiben.

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Zu Gast

Auf Reisen wird er wieder spürbar, dieser Teil in mir, der sich nirgendwo zuhause fühlt. Ok, denke ich mir, das ist jetzt für einen wenn auch provinziellen Großstädter nicht wirklich überraschend, in einer erzkonservativen südstaatlichen Kleinstadt seltsam angeschaut und teils auch angesprochen zu werden. Keine Ahnung, warum – lag es an meiner morgendlichen Verschlafenheit, dem mittels Schnellspanngurt am Rucksack befestigten, mitreisenden Teddybär, der nicht recht zu meinem faltigen Antlitz passen will oder lag es am T-Shirt mit Schrödingers Katze. Die Vorstellung behagt bekanntlich nicht jedem, das allem Lebendigen schon der Tod innewohnt, schon gar nicht am frühen Morgen. Wie auch immer, sie hätten gewarnt sein können, auf selbigen Rucksack prangt eben auch das Logo der Grinsekatz als Aufkleber, habt ihr jetzt davon, kommt ihr halt in eine Geschichte 😉

Nachdenklich stimmen mich auch die Gesichter hier. Gefühlt habe ich schon lange nicht mehr so eine geballte Ansammlung von herabgezogenen Mundwinkeln in Kombination mit ausgesuchter Unfreundlichkeit gesehen, und das heißt was, wenn man im bergischen Land geographisch beheimatet ist. Wobei der Bergische an sich nicht unfreundlich gesonnen ist, eher beseelt von einer gewissen skeptischen Zurückhaltung. Erst mal rankommen lassen, so in etwa. Hier dagegen sehen viele Menschen so aus, als hätten sie es schwer. Kann sein, kenne ich ja auch, aber muss man sich dem wirklich so hingeben? Hin und wieder mal ne ordentliche Fresse ziehen geht klar, dafür sind wir alle nur Menschen. Aber so geballt? Dass es auch anders geht zeigen uns paradoxerweise die Zugezogenen, wie die coole Italienerin im Restaurant nebenan, der Stress ein Fremdwort ist. Oder der Armenier in dem kleinen Terrassencafe am Kurpark, den das von der Liebsten getragene armenische Kreuz zur orientalischen Höchstform auflaufen ließ. Zwei Stunden Aufenthalt, von denen ca. 15 Minuten dem Verzehr der angebotenen Leckereien gewidmet waren, der weitere Verlauf bestand aus anregenden theosophischen wie politischen Vorträgen und Diskussionen, durchwirkt mit liebenswürdiger orientalisch-verbaler Ausschweifung.

Zur Ehrenrettung des Landstrichs muss gesagt werden, es begegnen einem hier unglaublich viele kulturgeschichtliche Zeugnisse, die Landschaft ist sehr reizvoll, es ist milder als daheim und beim genaueren hinsehen finden sich auch nette Eingeborene. Ist möglicherweise alles wie so oft eine Frage des Fokus.

Was bleibt, ist dieses irdisch-unbehauste Lebensgefühl. Ein alles in allem erfüllendes Leben. meine mich daheim umgebenden lieben Menschen und Katzen, ein Ort, der sich mit Recht zuhause nennt, all dies erfüllt mich mit Dankbarkeit. Nichts von alledem ist selbstverständlich. Dennoch ist diese innere Heimatlosigkeit, ein Form von irdischer Verlorenheit, mein ständiger Begleiter geblieben, wenn auch lange nicht mehr derart wie in jungen Jahren. Allein mein Glaube hält all dies heute zusammen und – weil ich mich immer auch an die konstruktive Seite eines an sich destruktiven Gefühls erinnern möchte – innere Unbehaustheit, Verlorenheit geht in meinem Fall auch einher mit einer guten Portion Neugier, in Kombination mit einer gesunden inneren Distanz zu Geschehen um mich herum. Wurde mir nicht frei Haus geliefert, sondern ergab sich mit den Jahren durch ausdauerndes Training, vielleicht am ehesten vergleichbar mit einer gläsernen Mauer, die den Blick in beide Richtungen ermöglicht, aber vieles auch abprallen lässt.

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PS – der Wassertiger existiert in wenigen Tagen tatsächlich schon seit 10 Jahren. Auch, wenn hier meinerseits wenig los ist, hat sich dieser Blog der Statistik nach zu einer Fundgrube für alle möglichen Themenbereiche entwickelt. Auch wenn ich mehr als einmal mit dem Gedanken gespielt habe, das Ding in Ehren vom Netz zu nehmen – solange noch gelesen wird, bleibt die Seite.

Abgesang, Teil 3

Im Bad läuft das Radio, es ist Karfreitag, und die Themen dementsprechend. Sie haben einen Buchautor eingeladen, der sein neues Buch vorstellt – Warum wir Trost brauchen. Interessiert höre ich zu, da ist von Unwiederbringlichkeit, von Endgültigkeit die Rede. Ich spüre nach … Trost, Vergebung. Für mich besteht da ein Zusammenhang.

„Gib mir ein wenig Zeit“, höre ich dich sagen. Passt, denke ich, das wollte ich dir auch gerade sagen. Du hast jetzt Zeit genug und irgendwann sehen wir uns sowieso wieder, um weiter aneinander zu wachsen, in welcher Konstellation auch immer. Du hast jetzt jedenfalls dein Grabstellenschild (nachdem ich mich mit Gemeinde und Friedhofsverwaltung gestritten habe), deine letzte Ruhestätte trägt deinen Namen, den Tag deiner Geburt und den Tag deines Todes. Vielleicht hilft es dir, dich aufzumachen.

Ein guter Freund meinte vor längerer Zeit mal zu mir, welch großer Schatz es sei, dass ich meine Eltern noch hätte. Ich habe kurz gestutzt und ihm dann geantwortet, nein, andersherum wird es etwas. Sie haben mich. Jetzt, wo mein Vater fast ein halbes Jahr tot ist, fühlt sich das immer noch genau so an. Die Feststellung ist mir wichtig, weil mir meine potentiellen Selbstbetrügereien allmählich vertraut sind. Nachspüren und hinterfragen ist mir darum immer wichtig.

Trauer – was dich angeht, fühlt es sich immer noch so an wie die meiste Zeit in meinem Leben. Ich hatte nie den Vater, den ich mir gewünscht habe, ich hatte den bekommen, der für mich vorgesehen war, den ich offensichtlich brauchte, um selbst ein anderer Vater zu werden. Möglicherweise. Dein Tod war nur ein großes Finale, um Vergebung und Frieden zu finden. Mag sein, dass es dir ähnlich geht.

Mutter geht es gut, von den Beschwerden ihres Alters mal abgesehen. Sie genießt ihr Alleinsein, nachdem sie so lange ihre Pflicht getan hat. Die kleine Wohnung ist lichter und heller geworden und ich wünsche ihr, dass sie noch ein Weilchen daran Freude haben darf.

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Zurückgeblieben

Folgender Beitrag war ursprünglich ein Post von mir im Rahmen einer Selbsthilfegruppe, aber warum sollte er nicht für alle Interessierten lesbar sein.

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Es bleibt etwas zurück, heißt es, nach jahrelangem Schindluder und Raubbau an Körper, Emotio, Ratio, Ego, an der Seele. Hat man mir auch einst attestiert, F10.2 & F12.2, man (oder die Suchmaschinen) kennt, kennen das. Bleibt halt nix ohne Folgen, weg ist weg und irgendwann wächst auch nichts mehr nach, sagen sie. Finden Sie sich damit ab, sagte mir vor längerer Zeit ein Therapeut auf einer dieser Probestunden, deren einziger Sinn für mich in der Erkenntnis bestand, austherapiert zu sein. Sie haben sich viele Jahre lang vergiftet, Nervenzellen zerstört, da bleibt etwas zurück.

Jo, recht hatte der. Wobei seine Sicht der Dinge wieder mal nur eine Teilwahrheit war, und in Art wie Kontext therapeutisch fragwürdig vorgetragen wurde, vorsichtig formuliert. Zu gerne hätte ich ihn gefragt – na klar, isso, aber was bitte stelle ich mit dem Rest noch an? Noch zu irgendetwas nütze oder reicht es einst nur noch für sanftes, rhythmisches Schwingen im Schaukelstuhl auf der Loggia, im Abgasnebel der Rushhour auf Monte Petrol? Die Frage sollte ich mir offensichtlich selbst beantworten.

Zunächst glaube ich daran, dass nicht nur etwas zurückgeblieben ist, sondern dass meine damalige Art zu leben auch eine Vor-Geschichte hatte, die erst nach meiner bedingungslosen Kapitulation eine Chance auf Sichtung und Bearbeitung hatte. Eine durchaus strittige Sicht, manch einer meint, erst durch den Konsum so oder so geworden zu sein. Henne und Ei, einerlei, Fakt ist, vom Konsum wird nichts besser, sei es schon vorher in mir angelegt gewesen oder mit der Zeit erst entstanden sein.

Was also fange ich mit dem „Rest“ an, und wie gehe ich mit solch charmanten Diagnosen und Prognosen um? Heute weiß man, dass sich Nervenbahnen neu bilden können, auch dass sich Hirnareale neu untereinander vernetzen können und so Regionen Aufgaben übernehmen können, die ursprünglich nicht ihre waren. Die neurologische Beweisführung spare ich mir jetzt mal, sie ist mir nicht wichtig. Hoffnung gibt es also immer, auch wenn Mensch wie ich zu depressiven Episoden oder gar zu handfesten Depressionen neigt, die in einer anderen Liga spielen.

Selbst der schwarze Vogel, wie ich meine dunklen Stimmungen gerne nenne, hat seinen Sinn, verschafft er mir wenn auch unfreiwillig manche Atempause, lässt mich langsamer werden. Er reduziert Bewegung, Worte und Taten, was durchaus zeitweise Sinn macht. Wobei ich mich in den letzten Jahren darin übe, dies eher über Meditation zu erreichen und mich ansonsten von wacher Routine und Gottvertrauen durch meine Tage tragen lasse. Mich und vieles um mich herum nicht ernster zu nehmen, als unbedingt nötig, das Leben ist zu kurz für zu viel Ernsthaftigkeit, soviel ist sicher, und Humor ist oft genug, wenn man trotzdem lacht.

Auf gute Zusammenarbeit

Inspiriert vom und zu Ehren von dem 1988 verstorbenen evangelischen Jugendpfarrer, Quäker, religiösen Sozialisten, Übersetzer und adoptiertes Ehrenmitglied der anonymen Alkoholiker –
Heinz Kappes

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Du weißt wahrscheinlich sehr wenig von mir, darum möchte ich mich dir kurz vorstellen: Gestatten, ich bin deine Seele. Und ja, ich höre dich schon stöhnen, nicht schon wieder so ein esoterisches Erklärungsmodell. Keine Angst, ich fasse mich kurz.

Ich bin der Teil in dir, der unsterblich und unzerstörbar ist. Dein göttliches ICH BIN, das durch die Existenzen wandert, um zu lernen, um einst im Licht bleiben zu dürfen. Mein Name führt oft zu Verwechselungen und Irrtümern; so sprechen die Menschen von seelischen Erkrankungen, aber das stimmt nicht. Ich kann nicht krank werden, das können nur dein Körper, deine Gefühle, dein Geist und vor allem dein Ego. Im Gegenteil, wenn du den Zugang zu mir findest, kann ich dir helfen, wieder umfassend zu genesen.

Wie das, fragst du? Und wo ich mich denn versteckt halte? Gute Frage, man hat mich schon oft gesucht, mal wurde behauptet ich wöge genau 21 Gramm, andere vermuten mich in deinem Unterbauch, wieder andere in deinem Gehirn und die Lyriker behaupten gar, ich wohne in deinem Herzen. Das schmeichelt, trifft es aber nicht.

ICH BIN – um in deiner Sprache zu bleiben – am ehesten Energie. Eine Art Energie, die dein ganzes Wesen durchwirkt und doch oft regelrecht belagert wird. Kein Teil deines Mensch-seins ist von der Natur her mein Feind, alles hat seinen Platz in meinen Inkarnationen. Leider wird gerne einzelnen Bereichen unmäßig viel Raum zugestanden oder genau das Gegenteil, viel zu wenig davon. Vernachlässigst du deinen Körper durch zuwenig Bewegung und falsche Kost oder betreibst du Körperkult mit Betonung auf dein Äußeres? Zwingst du deinen Geist (wird auch gern mit mir verwechselt) täglich zu Höchstleistungen und wunderst dich dann über körperliche Spannungserscheinungen?

Das größte Hemmnis auf dem Weg zu mir ist jedoch gerade der Teil, den du zum überleben am vermeintlich nötigsten brauchst – dein irdischens „ich bin“, dein Ego. Dein so hoch geschätzter „freier Wille“, ohne den du vor einem offenen Kühlschrank verhungern würdest. Das war einst der eigentliche evolutionäre Sinn deines Egos, dein Überleben zu sichern. Von anmaßenden Aufblähen war nie die Rede.

Der Weg zu mir – du findest mich in der Stille, im Alleinsein, in der Ruhe, wenn dein Körper, dein Geist, deine Emotionen und dein Ego ein wenig zurücktreten. Wenn du mit dem Rest deiner frei drehenden Gedanken allein bist, wenn du durch deine körperlichen Beschwerden hindurch gegangen bist, wenn du mit deiner ruhigen Atmung allein bist. Dann kannst du mich fühlen und ich kann meine eigentliche Arbeit machen, dich führen, auf deinem Weg. Dir helfen, deine Verletzungen anzunehmen, dich stärker machen, im göttlichen Sinne.

Ich kann dir helfen, der Mensch zu werden, zu dem du gedacht bist. Ich kann dir helfen, zum Vertrauen zu finden, auch und gerade in unruhigen Zeiten. Da mein Wesen nicht irdisch ist, kann ich dir Zugang zu göttlicher Führung verschaffen.

Ich bin bei dir – immer – auf gute Zusammenarbeit!

(c) Grinsekatz Ölberg

Ursprünglich erschienen hier auf der Wupperpostille

Nebelbilder

Sie sind ziemlich genau zwei Jahre alt und entstanden am letzten für ihn erreichbaren Sehnsuchtsort meines kürzlich verstorbenen Vaters, am Stausee Beyenburg zu Wuppertal. Zu dieser Zeit war er noch ein wenig mobil und das Wetter war phantastisch für nebelige Bilder. Wir fuhren über die Höhenzüge im strahlenden Sonnenschein hinunter ins Tal, in eine Wolke hinein. Eine bizarr nasse Landschaft, die Sonne gab sich alle Mühe, den dicken Nebelsumpf zu durchbrechen, der im Tal über der Wupper lag.

Die Phantasie macht aus diesen Bilden Exkurse in die Mystik. So in etwa mag der Grenzfluss Styx ausschauen, der mit seinen Ufern die Welt der Lebenden von der der Toten trennt. Mein Vater ist nun auf der anderen Seite und findet hoffentlich seinen Frieden.

Sie sprechen für sich , die Bilder, die hier ihrer Schönheit wegen in Originalgröße zu sehen sind.

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In eigener Sache

Ursprünglich ein Kommentar anderswo.

Ich heiße Reiner, bin ein trockener Alkoholiker und ein süchtiger Mensch. In meiner aktiven Zeit waren Alkohol und Cannabis die Mittel der Wahl. Gerne in Kombination, erst kiffen, dann trinken. Die Reihenfolge musste stimmen, sonst ging das übel(er) aus. Gelegentliche Erfahrungen mit Speed/Koks gab es auch, das stand dann an erster Stelle, gefolgt von den genannten Downern.

Wenn ich von mir als einen süchtigen Menschen schreibe, beziehe ich dabei alle nichtstofflichen Süchte mit ein. Dazu zähle ich alles, was irgendwann pathologischen und destruktiven Charakter bekommt. Arbeits- Sex- Fresssucht, aber auch Geltungssucht sind Bestandteile dessen. Große Teile davon sind gelöst oder wenigstens reduziert, dafür bin ich dankbar. Hinter alledem konsumieren und süchtigem Verhalten stand bei mir ein innerlich zutiefst verunsicherter Mensch mit nur geringem Selbstvertrauen und einem nicht vorhandenem Geborgenheitsgefühl, Verlorenheit beschreibt es am besten. So, wie ich war, wollte ich micht nicht. Definieren konnte ich mich über beruflichem Erfolg und über meine vermeintliche Wortgewaltigkeit, gerade wenn ich breit war. Sucht ist für mich ein Sammelbegriff für alle möglichen (pathologischen) Verhaltensweisen, die vom Selbst ablenken sollen, vermeintlich Flucht, Fülle, Anerkennung und Selbstbestätigung bieten, was am Ende nur Selbstbetrug ist.

Was mir in meiner ersten trockenen Zeit, nachdem die allererste Euphorie verflogen war, am meisten zu schaffen machte, war ein Zustand von großer innerer Leere. Mit meiner ersten, „trockenen“ Liebesbeziehung, der es aufgrund ihrer psychischen Erkrankung ähnlich ging, war ich unglaublich viel unterwegs, jeder spirituelle Vortrag, jedes Seminar wurde mitgenommen, kaum ein potentieller Heilsbringer wurde ausgelassen. Rückblickend ein sehr spannende und aufregende Zeit, die sich über mehrere Jahre erstreckte, aber letztendlich aufgrund der Vielfalt auch sehr verwirrend und ohne die für mich nötige Erdhaftung.

Geblieben ist mir ein einfacher Glaube an meine namenlose höhere Macht, die, obgleich ich einer religiösen Gemeinschaft angehöre, nicht direkt mit einer solchen verbunden ist. Es brauchte zahllose Erfahrungen, um zu einem heute meist tragenden Geborgenheitsgefühl zu finden. Dankbarkeit auch für die kleinen Dinge am Tag lässt für mich heute keinen Raum für Mangel, gleich welcher Art. So ich mich rechtzeitig daran erinnere 🙂

Vergebung

So gerne hätte ich dir das persönlich gesagt, aber das sollte wohl nicht sein. Vor Jahren suchte ich deinen Namen auf einer dieser Plattformen, wahrscheinlich haben die allgegenwärtigen Algorythmen dann dafür gesorgt, das dir der meine präsentiert wurde. Ob es nun in meine Richtung ging, ich weiß es nicht genau, aber möglich ist es, dass du mich meintest, in einem deiner Beiträge, in dem du davon schriebst, dass es Menschen gäbe, deren Namen man noch nicht einmal ertragen könne. Ich hätte mich gefreut, wenn es dir gut ginge, leider wiesen deine öffentlichen Einträge eher in eine andere Richtung.

Sehnsucht nach Nähe – die gab es, damals, als wir uns kennenlernten, vor über 3.5 Jahrzehnten. Wir zogen uns an, Gleiches sucht und findet Gleiches, zwei verlorene Kinder, die sich in ihrer Bedürftigkeit in nichts nachstanden, auch wenn deren Erscheinungsformen recht verschieden waren. Ich konnte dich nicht sehen, gefangen wie ich war zwischen Arbeit, Abendschule und der Befriedigung meiner Sucht. Andere sahen dich, wie liebevoll du mit Kindern umgehen konntest, während ich fortlaufend beschäftigt war. Die Rechnung dafür habe ich bekommen und angenommen.

Eine Wiedergutmachung im Sinne des neunten Schrittes, ohne den vergangenen noch weitere Verletzungen hinzuzufügen, ist unmöglich, damit muss ich leben. Du wirst mir nicht vergeben können, zu viel ist damals geschehen. Damit legte ich den Grundstein für mindestens einen weiteren Menschen, der mir aus ähnlichen Gründen bis heute unversöhnlich gegenüber steht. An mir ist es heute, zu schauen, dem so entstandenen Trümmerfeld nicht noch mehr Schutt hinzuzufügen, Wiedergutmachung indirekt an Dritte zu leben und – mir selbst zu vergeben.

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Bestandsaufnahme 220529

Sonntag früh, nach einer gewohnt unruhigen Nacht Zeit zum sammeln. Den Tag gestern Revue passieren lassen, ein paar stärkende Zeilen lesen, Morgenrituale. Zuhause war Thema gestern, hier. Ich habe ein physisches Zuhause, und dafür bin ich dankbar, in dieser Zeit, in der die Bilder aus den akuten Kriegsgebieten daran erinnern, dass es auch ganz anders kommen kann.

In mir sieht es dagegen wiederum anders aus. Die gegenwärtig anstehenden regelmäßige Besuche bei meinen Eltern erinnern mich daran, wo ich herkomme. Jahrzehnte lang habe ich den Kontakt auf ein Minimum begrenzt und hatte meine Gründe dafür. Das ist nun der Gebrechlichkeit wegen anders und ich stelle mich dem, so gut ich kann. Das ist weniger ehrenwert, als es klingt, damit folge ich lediglich einem als lehrreich erkannten Muster, entgegen dem, was ich einst mitbekommen habe. Innehalten, bleiben. Einfacher wäre – und mehr als einmal spüre ich diesen Impuls – einfach alles stehen und liegen zu lassen. Seht zu, ich haue ab. Mache ich natürlich nicht, weil ich es mir zum einen nicht verzeihen könnte, zum anderen weil ich davon überzeugt bin, dass das Universum auf solch ein Verhalten antwortet.

Was bleibt, ist eine Gemengelage aus anstehenden Aufgaben – das ist der leichtere Teil, den kann ich – und Gefühl, da sieht es anders aus. Heimatlos, was ein innerer Zustand ist und nicht an einen Ort oder an einen Menschen gebunden, verloren in der Welt, innerlich zerrissen, leer. Es ist nicht nur die Folge meiner aktiven süchtigen Zeit, die mich nach Meinung mehrerer Menschen vom Fach einige Nervenzellen gekostet haben soll. Es ist auch die Folge dessen, was ich nun aus der sich ergebenden Nähe erlebe, die Folge des gnadenlosen Blicks auf meine Wurzeln, auf meine familiäre Herkunft. Und nein, es geht nicht um Schuld oder dergleichen, jeder Mensch gibt stets sein Bestes, was nichts über dessen Qualität, über dessen Auswirkungen auf andere aussagt. Niemand, so sagt man, sucht sich bewusst seine Herkunft aus. Alles weitere ist Bestimmung, die sich unserem Verstand entzieht.

Dieses Gefühl, in meinem nur noch einige Tage währenden 60sten Lebensjahr auf einen weiteren Nullpunkt zuzusteuern – was negativer klingt, als es möglicherweise ist. Revue passieren lassen oder Innenschau halten hat immer wieder etwas mit Kapitulation zu tun. So ist es, jetzt. So wird es nicht bleiben – in absehbarer Zeit wird sich vieles gelöst, aufgelöst haben. Die Eltern werden mir voran gegangen sein, mein Berufsleben wird zu einem Ende gefunden haben. Was wird bleiben? Werde ich Heimat finden? Es gibt durchaus Hoffnung. Hoffnung darauf, dass diese Kraft, die Welten erschafft und immer aufs Neue nach Gleichgewicht strebt, auch wenn vorheriges Chaos dazu unerlässlich ist, dass diese Kraft mir dabei helfen kann, so etwas wie eine innere Heimat zu finden. Auch das ist jenseits vom Verstand, ein Gefühl, nicht durchgängig präsent, eher wie ein zarter Spross, der gerade das Licht erblickt. Aber, so scheint es, kräftig genug, um Hoffnung zu verbreiten.

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Fundstück vom Wegesrand – auch Mauern sind überwindbar.

Orientierung

Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen“. Mit anderen Worten, wir sollten nicht zuerst nach materiellen Dingen trachten, sondern nach innerer Vervollkommnung, denn dann kommt alles Materielle – um das wir uns bemühen – wie von selbst. Viele Menschen, die zuerst nach materiellen Dingen streben, meinen, sie könnten trotzdem dabei innerlich wachsen. Aber niemand kann Gott und Mammon gleichzeitig dienen. Die ersten Voraussetzungen für ein erfülltes Leben sind innere Qualitäten wie Wahrhaftigkeit, Lauterkeit, Selbstlosigkeit und Liebe. Solange du diese Eigenschaften nicht besitzt, nützt dir die größte Anhäufung von materiellen Gütern wenig.

https://aa-welt.de/store/24stunden/15-5.htm

Ist das so? Hat Mensch nicht erst dann einen freien Kopf, wenn der Kontostand den Erwartungen und Anforderungen entspricht? Ja und Nein, glaube ich. Ohne die mentale Grundhaltung hinter allem Tun und Lassen artet das Tagewerk leicht in einem gnadenlosen Ego-Trip und in die Gier aus. Andererseits führt das schauen der inneren weißen Wand allein auch nicht weiter, wenn es um das bezahlen von Rechnungen geht. Und so halte ich es gerne mit den Benediktinern, die da empfehlen, die Füße fest auf dem Boden zu stellen, den Kopf gen Himmel zu richten und bei alledem nicht vergessen, Kohl anzubauen (Wo ich das gelesen habe – keine Ahnung).

Die praktische Umsetzung im Alltag ist tägliche Übung auf der Basis von Vertrauen. Das meine tun und meiner höheren Macht das ihre zu überlassen, was natürlich nicht nur in materiellen Angelegenheiten gilt. Und so schaffe ich mir zwischendurch immer wieder Zeitfenster zum innehalten, am frühen Morgen mehr, über Tag sind es nur Minuten. Am Abend möchte ich danken, für das Gelungene, aber auch für die noch offenen Herausforderungen. Das alles schwankt stark, je nach Tagesform, aber hilft ungemein, im Leben zu stehen, was für einen Menschen wie mich keine Selbstverständlichkeit ist. Wer wie ich aus der stofflichen Sucht, aus der Angst, Unsicherheit, Verlorenheit und der Kontrollsucht kommt, weiß, wie wichtig das üben in Kontinuität, Beharrlichkeit und vor allem Vertrauen ist.

Was gerade in Zeiten wie diesen gilt…

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