Schreiben

Eine meiner Herausforderungen liegt darin, bewusst wahrzunehmen, wie es mir gerade geht. Klingt eigentlich simpel, oder? So simpel ist es nicht, wenn ich den ganzen Tag werke, analysiere, plane, strukturiere, programmiere, Maschinen mit Stahl und Daten füttere. Wenn in meinem Kopf Passwörter, PIN-Nummern und Termine um Aufmerksamkeit buhlen. Wenn Grabenkämpfe zusätzlich Kraft und Zeit kosten. Dann sitze ich am frühen Abend auf dem Sofa, beschmuse unser Katzenbaby und bin manchmal recht erschrocken über die Leere in meinem Kopf. Keiner zuhause oder etwas zurückgeblieben von den wüsten Zeiten? Ich weiß es nicht.

Denken und fühlen gehen für mich beim Schreiben am besten zusammen. Sie sind ja ansonsten nicht die besten Freunde, Ratio und Emotio. Beim Schreiben jedoch bilden sie ein gutes Team. Die Seele schickt ihre Impulse aus der Tiefe, der Geist analysiert den Hintergrund und findet Worte für das Gefühl, das sich breitmacht. So finden sich Sätze und ganze Geschichten, immer wieder schaut die Seele auf das Geschriebene, ob es sich auch stimmig liest oder ob der Verstand wieder einmal versucht, sich als Chef aufzuspielen, sich in Formulierungen und Wortgeklingel versteigen möchte. Ein gutes Team eben, wie ansonsten eher selten.

Sonst so?

Kirschbaum. Ich sitze im Kirschbaum und schaue die Welt von oben, wie gerade in der Morgenandacht gehört. Fühlt sich gut an, die Dinge aus einer gewissen Distanz zu sehen. Ein gutes Bild für zwischendurch, wenn der Kopf mal wieder leer sein möchte.

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11 Gedanken zu „Schreiben

  1. Herta Beer

    Danke für diese Zeilen. Ja, hört sich so simpel an, sollte es eigentlich auch sein- dass man weiß, wie es einem geht, doch die wenigsten Menschen hören dann wirklich in sich hinein, meist wird nur im groben gesagt, was gerade abgeht, was nicht passt,..das extra oberflächliche, Danke, mir geht es gut, – lass ich jetzt mal ganz außen vor. Doch wirklich in sich hinein zu hören, das sollte man viel öfter machen. Danke fürs wieder bewusst machen- Glg

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    1. Reiner Beitragsautor

      Das eigentlich Selbstverständliche geht in der Dynamik des Tages unter, wenn ich nicht bewusst drauf achte. So verliere ich mich und wundere mich am Abend …

      Schön dass du hier warst!

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  2. Michaela Schmidt

    Hallo Reiner,
    ich bin zufällig auf Deinen Blog gestoßen und finde das, was ich von Dir zum Thema Schreiben lese, sehr gut auf den Punkt gebracht!
    Wobei ich davon überzeugt bin, dass es keine Zufälle gibt, alles im Leben hat seinen Sinn, wir begreifen es meist nur erst später.
    Schreiben gehört für mich zu meinem Leben.
    Seit den beiden Schicksalsschlägen, die mich gleichzeitig an einem Tag trafen, ist das Schreiben für mich noch wichtiger und zu meiner Therapie geworden. Schreiben heilt und hilft.
    Doch die Frage nach dem Sinn, lässt sich mir in diesem Falle nicht erschließen….
    Alles Liebe für Dich,
    Michaela

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    1. Reiner Beitragsautor

      Hallo Michaela,

      gerade habe ich deine Geschichte quer gelesen – dein Schicksal bewegt mich sehr. Deine Frage nach dem Sinn -ich glaube, es gibt keinen, nach menschlichen Maßstäben. Wir werden nicht gefragt, wann, warum und unter welchen Umständen unsere Zeit hier zu Ende geht. Manchmal scheint es so, als gäbe es einen Sinn, aber in Wirklichkeit haben wir bestenfalls eine Ahnung davon.

      Es ist gut, wenn Dir das Schreiben hilft – beim Worte finden und beim loslassen, ich kenne das. Neben dem Blog hier schreibe ich noch bei wordpress.com und dazu Tagebuch, dort bin ich öfter mal mit meinem Schöpfer in Dialog, damit ich nicht vergesse, was wirklich wichtig ist.

      Sei herzlich gegrüßt & Danke für`s hier sein!

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  3. bisou

    Im ersten Schritt glaubte ich zu wissen wie es mir geht, weil ich mich fast allabendlich frage wofür ich dankbar bin… aber damit frage ich mich nicht wie es mir geht, damit setze ich ja quasi voraus, dass es mir gut geht *nachdenk
    … oder sorge ich damit dafür?
    Wenn nicht gerade der Körper sich meldet – ach iwo, wie es mir geht, hat selten mit dem Körper sondern viel mehr mit der Seele zu tun…
    Ich bin nicht mehr Opfer meiner Gefühle, meiner Mitmenschen – ändern oder gut sein lassen

    Wie meilenweit ich von der Frau entfernt bin die mal das blogschreiben begonnen hat… schaue auf den Weg und mir geht es gerade sehr gut 🙂

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    1. Reiner Beitragsautor

      Es klingt schon seltsam, aber dankbar kann ich manchmal sogar dafür sein, wenn es mir nicht „gut“ geht. Dann gibt es etwas zu lernen oder auszuhalten. Oder zu lernen, auszuhalten. Ohn-Macht, angesichts Gottes Wille.

      Sonst so? Die Wechselwirkungen zwischen Körper-Geist-Seele sprechen zu uns …

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  4. gerlintpetrazamonesh

    Die gelegentlich auftauchende Leere in und um einen ist, recht betrachtet, sogar etwas Schönes. Wie viele krampfhaft Meditierende wollen dorthin gelangen? Sie zulassen können ist dann freilich eine Kunst, die unserer hektischen Zivilisation fremd ist. Und dann noch die Gefahr, dass man nicht recht weiß, wer oder was aus der Leere aufwacht und diesen anscheinend leeren raum besetzt. Das können die übelsten Störer sein, Bedürfnisse, längst überwunden geglaubt, das kann regelrecht gefährlich werden!
    Aber offenbar schreibt da einer, der’s im Griff hat, und auch noch eine Katze als Absicherung dazu.

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