Archiv der Kategorie: Politik

Brücken und Zugehörigkeit

Eine Brücke ist ein Konstrukt, das zwei Orte miteinander verbindet, die ansonsten zueinander nicht oder nur mit großen Umwegen und Hindernissen erreichbar wären. Der Verstand kann eine solche Brücke sein, wenn er nicht zu sehr andersweitig in seiner Rolle als Werkzeug im Alltag beschäftigt ist. Oder – was noch hinderlicher ist, wenn er seinem Träger einzureden versucht, er sei sein Verstand. Kommt so selten nicht vor, vor allem bei übermäßigen Gebrauch macht er sich gerne wichtiger, als er ist und wirkt so wie eine Windmaschine für das Ego, welches sich in der Folge künstlich aufbläht.

Wenn der Verstand also von seinem Alltagsaufgaben temporär befreit ist, dann darf er manchmal eine Brücke sein. Eine direkte Verbindung zwischen der Seele seines Trägers und der Außenwelt, im Idealfall. Oft genug drängeln sich andere vor, jede Art von Emotionen und natürlich das Ego. Geht auch in Ordnung, solange der Verstandesträger verinnerlicht hat, er ist nicht seine Emotionen und schon gar nicht sein Ego.

Worte gehen beim schreiben über diese Brücke, formen Sätze, Geschichten und können das Innere des Schreibers wohldosiert in die Welt tragen.

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Manchmal staune ich, was mir für kleine Episoden im Gedächtnis haften geblieben sind. Momente, die sich kurz nach der magischen Erinnerungsgrenze von drei Jahren zugetragen haben müssen. So dieser Moment damals, an der Hand meiner Mutter. Ich hatte mitbekommen, dass die Menschen einander grüßen, wenn sie sich begegnen. Was ich noch nicht verstanden hatte, die meisten jedenfalls kennen sich irgendwie, irgendwoher. Und so dachte ich, es müsse so sein und grüßte fröhlich jeden, der des Weges kam, wurde tatsächlich von den meisten auch zurück gegrüßt. Bis eines Tages meine Mutter ihrem vermeintlich verhaltensauffälligen Kind zu verstehen gab, es sei nun genug, mit der Grüßerei. Fremde Leute und so, die grüßt man nicht, zumindest nicht in der Stadt. Im Wald schien das anders zu sein, hier grüßte jeder freundlich jeden. Sehr seltsam jedenfalls für einen Dreijährigen, der ab nun nicht mehr drauflos grüßte, aber die Welt nicht so recht verstand. Es schien Unterschiede zwischen den Menschen zu geben…

Mittlerweile sind ein paar Jahre mehr ins Land gezogen und das mit dem grüßen ist eine Sache der Tagesform, des Bekanntheitsgrades und der Begegnungshäufigkeit. Sieht man weniger seinesgleichen, wird eher schon mal gegrüßt. Soweit, so gut. Die Zeit der großen Entfremdung von der Welt ist auch schon lange her, auch wenn sich dieses alte Gefühl ab und zu noch breitmachen möchte. So ist der Schreiber zwar viel und oft mit sich allein oder auf seine arg fragmentierte Rest- Kern- Rumpf-Familie reduziert, was nicht ungewöhnlich ist, gerade beim älter-werden. Geblieben ist ein starkes Interesse an Gemeinschaften aller Art, vorzugsweise menschlicher Natur, aber auch religiös oder politisch, die natürlich das menschliche nicht ausschließen dürfen. Ich lese öfter von anderen Lebensformen, gerne auch aus der so genannten queeren Kommunity, die auch ein Regel-basiertes Miteinander pflegt, nur eben anders. Vereinsmeiereien dagegen erwecken erst mal Argwohn, scheinen sie doch oft vom eigentlichen Zweck abweichend schiere Ego-Pflegewerke zu sein. Magie dagegen scheinen Gemeinschaften zu besitzen, die ein gutes Maß Selbstlosigkeit pflegen und in denen ein jeder nach Kräften für seinen Nächsten einsteht.

Tja. Was macht Mensch nun mit der uralten Sehnsucht nach Zugehörigkeit? Er fühlt sich als Kosmopolit, einerseits, und andererseits als Teil des Großen und Ganzen, heute, verbunden mit der Hoffnung auf näheren Anschluss im nunmehr fortgeschrittenen Lebensalter. Das wiederum bedingt ein gutes Maß Teilnahme an der Welt, was dem Höhlenbewohner nicht immer leicht fällt. Zeit ist auch so ein Ding – und – entschieden werden sollte sich auch beizeiten, das macht der Verstand so schwer, mit seiner ewigen Abwägerei. Und hier schließt sich der Kreis in diesem Eintrag, weil – Chef ist er nicht, der Verstand.

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Säbelrasseln

8. Februar 2022

Die Nachrichten haben es derzeit in sich: Unser Bundeskanzler Olaf Scholz sitzt widerspruchslos neben dem amerikanischen Präsidenten, während dieser tönt, im Falle eines russischen Einmarsches in die Ukraine wäre Nord Stream 2 endgültig Geschichte.

Gut. Mal davon abgesehen, dass es sehr verschiedene Sichtweisen darüber gibt, wer hier der Aggressor ist – immerhin hat die Nato ihre Waffensysteme mittlerweile in Polen und im Baltikum stehen – was genau geschieht denn im Falle eines russischen Angriffs auf die Ukraine, von den zahllosen Menschenleben mal abgesehen? Als erstes dürften die bestehenden Gas-Piplines durch die Ukraine betriebsunfähig geschossen werden, das weiß im übrigen auch der Joe Biden. Nord Stream 2 wird nicht in Betrieb genommen, woher kommt dann eigentlich unser Gas? Richtig, Flüssiggas aus Amerika, ein Bruchteil dessen, was benötigt wird und der zum doppelten Preis. Es geht Amerika nicht um das Selbstbestimmungsrecht der Völker, es geht um handfeste Wirtschaftsinteressen.

Unser Bundeskanzler war mal Finanzminister, sollte also rechnen können, wenn es ihm schon eklatant an Selbstbewußtsein mangelt. Die Zeche bezahlen wir alle, mit explodierenden Energiepreisen und ggf. nächtlichen Gas-Sperren. Was nicht ankommt, kann nicht verfeuert werden. Zu diesem Irrsinn passt die grüne Außenministerin, die Vasallentreue über alles setzt, auch, wenn es der eigenen Wirtschaft weh tut (Originalton). Noch weiter denken? Unser innerer Friede hängt (auch) an bezahlbaren Lebensumständen. Da die Inflation derzeit schon durch die Decke geht, dürfte im Fall einer gewollten Energieverknappung noch einiges dazukommen, mit entsprechender Not für viele. Von grüner Seite wird darüber hinaus schon mal betont, die Umweltverträglichkeit der amerikanischen Fracking-Gases sei ja darüber hinaus auch wesentlich besser als die des russischen Gases, mit Blick auf die CO2-Bilanz. Sorry, aber das kann ich nicht wirklich glauben, fällt wohl unter Regierungspropaganda.

Wo ich gerade dabei bin – Gerhard Schröder. Ein Reizname, der sauer aufstößt. Auch ich habe ihm die immer noch gültige Sozialgesetzgebung nicht verziehen, die er uns beschert hat. Und auch sonst lässt sich vieles über ihn sagen: Genosse der Bosse, Absahner, seltsame Freunde (lupenreine Demokraten) und noch vieles mehr. Aber – wenn man mal davon absieht, dass der Altkanzler sich mit seinem Engagement für Gazprom ordentlich die Taschen voll stopft – er engagiert sich so auch für unser Land, für unsere Energieversorgung. Das ist de facto so.

Es gibt amerikanische und russische Einflussgebiete. Die Ukraine gehört definitiv nicht zum amerkanischen Einflussgebiet, in meinem Verständnis. Und – die Bündnistreue zur Nato sollte uns nicht davon abhalten, eigene Interessen selbstbewußt zu verfolgen. Dazu gehört auch die Tatsache, dass gute Geschäfte der beste Garant für den Frieden sind, auch wenn das derzeit nicht so wahrgenommen wird.

Gute und weniger gute Geschäfte – das amerikanische Gebaren erinnert mich an einen verwundeten Riesen, der heftig mit den Flügeln schlägt. Der Westen (uns mit eingeschlossen) hat in blinder Gier sein technisches Know-how im Zuge der „verlängerten Werkbank“ nach China ausverkauft, angefangen in den 90ern mit den alten Hochöfen bis hin zu modernster Verfahrenstechnik – und realisiert so langsam, welche Macht man China auf diese Weise übertragen hat. Zu spät – was bleibt, ist zu hoffen, dass am Ende auf allen Seiten wenigstens die Vernunft siegt, wenn schon nicht die Menschlichkeit.

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Update 27. Februar 2022

Der Horror ist losgetreten, in Europa herrscht Krieg, noch regional begrenzt. Es gibt keine Rechtfertigung für rohe Gewalt, für einen Angriffskrieg. Wenn ich zurück blicke, auf viele Gespräche mit Menschen slawischen Ursprunges, auf die Jahre mit einem jungen, russischen Kollegen, dann wird mir zweierlei klar, zwei Umstände, die für ein gutes Miteinander, die natürlich nicht nur, aber gerade im Verhältnis zu den Menschen aus Osteuropa enorm wichtig sind:

  • Eine klare, harte Haltung mit klar definierten Grenzen – bis hierhin und nicht weiter.
  • Fairness, Offenheit und Direktheit: Verarsch mich nicht und wir kommen klar. Gegenseitig!

Das gilt für den Umgang zweier Menschen miteinander ebenso wie in einer kleinen Gemeinschaft, aber auch im Umgang der Völker miteinander. Ich habe im kleinen Maßstab die Folgen hautnah erleben müssen, wenn sich an diese einfachen Regeln nicht gehalten wird. Im Großen ist es nicht anders, der Westen, die Nato hat sich immer ein Hintertürchen in Sachen Mitgliedschaft der Ukraine offen gehalten, vom Selbstbestimmungsrecht der Völker gesprochen und doch nur die eigene Erweiterung der Macht im Blick gehabt. Ein Blick auf die Landkarte zeigt – das konnte nicht gut gehen, gerade dann, wenn ein Autokrat altert und innenpolitisch Stärke zeigen muss.

Wenn ich so schreibe, versuche ich die Ursachen zu ergründen, ich will keine Rechtfertigung darlegen oder gar Verständnis und Gutheißen kundtun. Das gibt es nicht für Kriege, für Angriffskriege. Dies ist der letzte politische Eintrag dieser Art, mich bewegt derzeit vieles, gerade auch im familiären Bereich. Was bleibt, ist vertrauen und beten – nicht nur in solchen Zeiten.

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Update 2. März 2022

Sie mögen die Städte zerbomben, das Land besetzen, die Überlebenden unterwerfen. Eines werden sie nie besitzen: Ihre Herzen. Ohne ein Wort zu verstehen – die Gesichter sagen alles, berührt mich tief. Das Stück ist von 2016.



Gedanken zur Zeit

Wasser – für mich hauptsächlich Lebenselixier und ein Metapher-taugliches Element, bis dahin. Als Gefahr habe ich es in der Vergangenheit eher am Rande wahrgenommen, lebe ich doch auf einem Berg und hatte nicht viel mit den Schattenseiten vom Wasser zu tun, von diversen Kleinigkeiten wie ein vollgelaufener Keller und eine verstopfte Dachrinne mit entsprechenden Folgen in unserer Wohnung mal abgesehen. Das, was ich derzeit in den von Hochwasser betroffenen Gebieten sehe, macht mich fassungslos, wie so viele andere Menschen auch. Es wird sich etwas ändern müssen, nur nicht in dem Tempo, wie es die derzeitige allgemeine Betroffenheit am liebsten hätte, was ich nur zu gut mitfühlen kann, geht mir das Schicksal der Menschen in den vom Hochwasser verwüsteten Gebieten ebenso nahe.

Wer seinen Blick weiter schweifen lässt, weiß, dass tiefe Betroffenheit kein guter Ratgeber sein muss, oft genug eben nicht ist. Dogmatisch angetriebene Entscheidungen in Sachen Verkehrs- und Energiepolitik um den Preis von schweren, letztendlich staatsgefährdenden sozialen Verwerfungen dürfen nicht der Weg sein. Lohn und Brot, ein Auskommen für alle haben oberste Priorität, für mich, des inneren Friedens Willen. Die politische Kunst der nächsten Jahrzehnte wird sein, dieses Grundbedürfnis mit den Herausforderungen des auch von uns Menschen gemachten Klimawandels zusammen gehen zu lassen. Wege und Ansätze gibt es viele, ich bin sehr gespannt, wie es weiter geht. Zum Schluss noch ein Wort an den Kanzlerkandidaten der Union, Armin Laschet: Einfühlsamkeit angesichts zahlreicher Menschenopfer geht anders, nicht mit solchen Worten, auch wenn Sie im Kern nicht so falsch liegen. Ich habe ihren Auftritt in West3 dito gesehen…

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Genug der Politik. Der Wasser-Tiger, dieser Blog hier, namentlich inspiriert von meinem Geburtsjahr, 1962 – in letzter Zeit ist es still geworden, schreibe ich doch mehr oder weniger regelmäßig eher auf der Wupperpostille. Weiter machen? Manchmal denke ich, es reicht mit einem Blog, es braucht ihn nicht mehr, den Wassertiger. Mal sehen, für`s Erste lass ich es so weiter laufen, auch wenn sich zumeist nur Bots für die Ecke hier zu interessieren scheinen. Zumindest die arithmetische Erfüllung des chinesischen 60-Jahre-Zyklus im nächsten Jahr, dito einem Jahr des Wassertigers, soll er mit erleben.

Immerhin bietet diese Nische hier Gelegenheit, mal die Gedanken zu sammeln und passende Worte, idealerweise in ganzen Sätzen für die momentane Gefühlslage zu finden, etwas abseits der schreibenden Community. Stichworte gibt es reichlich. Familie, Gesellschaft & Politik, Idealismus, Pragmatismus, Polarisierung, Leben mit Widersprüchen, mit Zwiespalt. Gesellschaft und Politik hatte ich schon, siehe oben, das soll reichen, für heute.

Familie – mein Verhältnis zu dieser kleinsten Form von Gemeinschaft ist zwiegespalten, wie so vieles in meinem Leben, das von Polaritäten und Widersprüchen geprägt wurde und wird. Einerseits bin ich erschüttert, wenn ich am Beispiel meiner Eltern sehe, was alt werden, sehr alt werden bedeuten kann, nicht nur gesundheitlich, auch mit Blick auf den Umgang miteinander, mit Wesensveränderungen im Alter oder besser die teils heftigen Verstärkungen und Kristallisationen schon immer vorhandener Charaktereigenschaften und Neigungen. Ein Buchzitat dazu fand neulich den Weg zu mir, das ich sehr passend finde:

„Wenn wir ein gewisses Alter überschritten haben, werfen die Seele des Kindes, das wir gewesen, und die Seelen der Toten, aus denen wir hervorgegangen sind, mit vollen Händen ihre Schätze und ihren bösen Zauber auf uns und verlangen, dass sie zu ihrem Teil an den neuen Gefühlen mitwirken können, die wir empfinden und in denen wir sie, nachdem wir ihr altes Bild ausgelöscht haben, in einer neuen Schöpfung wieder zusammenschmelzen.“

Marcel Proust – Auf der Suche nach der verlorenen Zeit/ Die Gefangene 
Danke für den Buchtipp, liebe G. 😉

Auf der anderen Seite sehe ich mit Freude, wie mein großes Kind seinen Weg geht, wie meine Anverwandtschaft dabei ist, mit vielen Kindern liebevoll eigene Ableger der großen Sippe zu bilden. Ich habe keine Angst mehr, meinen Vater all zu ähnlich zu werden, was den Umgang mit dem anderen Geschlecht angeht, damit habe ich bereits abgeschlossen, zum Leidwesen meiner ersten Frau. Auch in Sachen Vertrauen bin ich zu lange schon auf einem guten Weg, dass ich noch Angst haben müsste, ihm ähnlicher zu sein, als mir lieb ist. Auch kann ich die ebenso vorhandenen positiven Seiten meiner „familiären Sozialisierung“ heute durchaus erkennen und annehmen, für all das bin ich meinem Schöpfer sehr dankbar.

Zwiespalt auch an anderen Stellen in meinem Leben: Idealismus vs. Pragmatismus, vs. realistischer Einschätzungen der Gegenwart, oder besser dem, was ich dafür halte. So halte ich mich einerseits für einem gefühlsbetonten, potentiell mitfühlenden Menschen, der allerdings ebenso mit ordentlichen Portionen Ego & Überlebenswillen ausgestattet worden ist, kombiniert mit einer manchmal selbst für mich schwer erträglichen inneren Kälte & Distanz mit Blick auf manche menschliche Interaktionen, auf gesellschaftliche Zusammenhänge. Dazu gehört die stete Gefahr des Abgleitens in Sarkasmus, was ich gelegentlich auch zulasse und kultiviere, wovor ich mich hüte, ist blanker, menschenverachtender Zynismus, zu dem ich ebenso fähig bin. Das Bindeglied zwischen all diesen Facetten ist mein Glaube, der mich nicht nur in die Lage versetzt, all diese inneren Widersprüche zu erkennen, anzunehmen und zu (er-)tragen, sondern der mich auch verweilen lässt, in der Gegenwart, wie immer sie auch gerade geartet ist. Flucht bedeutet für mich immer Morpheus`sche Traumwelten, die ich mir nicht mehr leisten will. Bis heute und nur für heute funktioniert das seit vielen Jahren recht gut, das wahrscheinlich größte Geschenk des Universums für mich.

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Die Blase

Folgende Zeilen geben, wie immer, meine ganz persönliche Haltung wieder. Sie wollen weder belehren noch haben sie einen Anspruch auf Allgemeingültigkeit, auch wenn es sich so lesen mag.

Was ist eigentlich eine Blase? Ein Hohlkörper, der im Allgemeinen gut dehnbar, reißfest sowie in der Lage ist, eine Menge mehr oder weniger Nützliches aufzunehmen. Es gibt aber auch das Synonym der Blase als etwas Buntschillerndes, Verlockendes, Fragiles, das nur wenig über den tatsächlichen Inhalt oder die meist nur kurze Lebensdauer des Gebildes aussagt und in der Regel mehr Schein als Sein darstellt.

Die erste große Blase der neueren Zeit platzte 1945, in Sachen Deutschland über alles, es folgte Ende der 60er Jahre die Zweite, als die so genannten 68er die Alt-Faschisten an den Schaltstellen der Macht satt hatten und dem allgemeinen Taschen-füllen als allein selig-machende Maxime nicht mehr folgen wollten, ebenso nicht mehr dem verhassten miefigen, moralinsauren Katholizismus, dem beinharten Bete-und -Arbeite der Evangelikalen folgen wollten. Es folgten weitere Blasen, erst der Glaube an eine Alleinstellung in dem Welthandel im Zuge der Globalisierung dessen, später die Blase des Glaubens an eine friedlichere Welt nach 1990, die so genannte Immobilien- oder auch IT-Blase, also das Platzen der völlig überhöhten Wertstellung eines Themenbereiches.

Und heute? An der Stelle stockt mein Gedankenfluss ein wenig, so komplex sind die Auswirkungen dieses winzigen Etwas, das unser bisheriges Leben völlig auf den Kopf gestellt hat. Mehr oder weniger. Wenn eine Blase geplatzt ist, dann ist es die Illusion, man könne sich es bequem machen, in einer spirituellen Kuschelecke, und den Rest der Welt schlicht ausblenden, wenn er denn schon nicht zu ändern sei. Eine Flucht vor dem Leben, wie es nun mal ist – mir als ein Mensch mit Suchterkrankung nur zu vertraut. So etwas hält nur solange, wie es hält – bis zur nächstbesten Nagelprobe, sei es eine private Krise oder eine gesellschaftliche, wie wir sie gerade Pandemie-bedingt erleben.

Mein persönliches Fazit: Meine Spiritualität, mein Glaube muss sich mit der Wirklichkeit vereinbaren lassen, soll mir helfen, die Menschen zu verstehen, ohne an ihnen zu verzweifeln. Oder an mir selbst, außen wie innen. Was nicht das Potential hat, mich auch in rauer See zu begleiten, taugt nichts.

Im Außen kann ich mehrere Richtungen erkennen: Die einen werden zornig, stellen teilweise den Staat als Ganzes in Frage, ohne zu merken, wie sie von interessierten Kreisen politisch instrumentalisiert werden, indem sie Seite an Seite mit Vertretern eben dieser Kreise demonstrieren gehen. Die Mehrheit arrangiert sich mit den Einschränkungen, weil sie die Sinnhaftigkeit erkennen kann, allen politischen Irrlichtereien zum Trotz. Dazu zähle ich mittlerweile auch die Kontaktbeschränkungen via Rasenmäher, die sämtliche Wertschöpfungsketten zerschlagen. Wer seine Existenz gefährdet oder ruiniert sieht, kauft nichts mehr abseits des absolut Notwendigen. zahlt auch keine Steuern und Sozialabgaben mehr, von denen jeder Lehrer, jede medizinische Fachkraft, jeder Therapeut, jeder Beamte schlussendlich lebt. Von unseren Politikern erwarte ich mehr Differenzierung in Sachen Kontaktbeschränkung und vor allem, dass sie aufhören, dumm um etwas Rares, Kostbares, weil nur eingeschränkt Verfügbares mit den Pharmakonzernen feilschen zu wollen: Impfstoff – der einzige Weg heraus aus dieser Lage. Andere öffneten ihre Börsen und sind uns weit im Voraus, was die Impfquote angeht.

Alles in der Natur strebt nach Ausgleich der Kräfte, nach Gleichgewicht, selbst gewaltige Naturkatastrophen machen nichts anders. So in etwa wird es sich auch in der Gegenwart verhalten, glaube ich, der Ausgang ist derzeit ungewiss. Aber – was mir Hoffnung macht – , Viele Menschen, und sie werden nach meinem Empfinden stetig mehr, definieren sich als Menschen neu, abseits vom seelenlosen Konsum der Nachkriegszeit, abseits der besagten Kuschelecken, abseits von wie auch immer gearteter Religion, wobei diese im Kern eigentlich dabei nur unterstützen: Es wird bewusst, wie wenig Mensch eigentlich zu leben braucht, immer öfter wird gefragt, was wirklich zählt – mitten im realen Alltag wird einander öfter mal zugehört, praktische Hilfe geleistet, Spiritualität nicht zelebriert, sondern gelebt, meist unspektakulär und vergleichsweise leise, laut können die anderen zur Genüge. Wir sind allesamt enger miteinander verbunden, als es uns der Individualisierungstrend der letzten Jahrzehnte weismachen wollte – wirtschaftlich und vor allem menschlich.

Verbunden in unserer Verletzlichkeit.

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Brief an einen alten Freund

Wir hatten lange miteinander zu tun. Haben uns voreinander offenbart, uns gegenseitig in die Seele geschaut, wie Menschen das sonst im Alltag nur selten zulassen. Nicht nur das war es, was uns verband: Wir haben uns beide in den Dienst einer höheren Sache gestellt, ein gutes Stück losgelöst von unseren eigenen Lebensschwierigkeiten.

Dann kam Corona und die Gemeinschaft zerfiel, wie ein Spiegel, der in Tausend Stücke bricht, wenn er zu Boden fällt. Es gab Regeln und staatliche Vorgaben, wie mit der unsichtbaren Bedrohung umzugehen sei. Unterschiedliche Haltungen wurden offensichtlich, nicht nur bei uns beiden. Wir haben beide bei einer großen Social-Media-Plattform einen Account , ich bin allerdings nur selten dort präsent. Wenn ich alle paar Wochen mal herein schaue, klicke ich deinen Namen und schaue mir deine Postings an, in der Hoffnung auf eine Veränderung, die sich leider nicht erfüllt. Im Gegenteil, seit einiger Zeit teilst du Inhalte vom rechten Rand, deine Einträge sind voller Wut und Schmäh. Du hast Angst, beherrscht zu werden, nehme ich an. Weil ich dich ein wenig kennenlernen durfte, kann ich das verstehen, auch die Aggression, die sich damit aufbaut, mit der ich große Schwierigkeiten habe.

Auch ich habe meine Ängste. Das hängt mit meiner Geschichte zusammen, mit dem Riss, der durch die Sippe meiner Ahnen ging, das Leid, was sie sich gegenseitig zufügten. Das hängt mit der Zeit zusammen, die ein Vertreter deiner neuen Freunde als ein Vogelschiss in der Weltgeschichte bezeichnet hat. Aber das nur am Rande – im Grunde sind wir doch wieder gefordert, uns in den Dienst einer höheren Sache zu stellen, nur ist es dieses Mal nicht eine kleine verschworene Gemeinschaft, sondern unsere Gesellschaft als Ganzes. Dazu gehören nun mal auch Regeln, über die man diskutieren und streiten kann, ja. Unsere Politiker agieren leider viel zu oft aus Unsicherheit, Angst, Unwissen, Aktionismus und ja, leider sind auch einige wenige käuflich. Trotzdem kommen wir um Einschränkungen und Zumutungen nicht herum, wenn wir keine Verhältnisse wie in Amerika wollen, wo der Virus gemessen an der Einwohnerzahl fast doppelt so viele Menschopfer forderte, bis dahin. Allmählich scheint selbst dort ein Umdenken stattzufinden, Gott sei Dank.

Nichts wird wieder so wie zuvor, soviel ist klar. Das hat gesellschaftliche Gründe, aber in meinem Fall auch familiäre Gründe, die meine Zeit arg beschneiden. Was dich angeht – ich weiß, dass sich hinter all der Wut immer noch ein anderer Mensch verbirgt. Der Mensch, der mich in vergangenen Tagen an die Meditation herangeführt hat. Der Mensch, den ich für seine Verlässlichkeit und Verbindlichkeit hoch schätze. Der Mensch, dem ich für den Beistand, den er anderen Menschen am Ende ihres Weges leistete, großen Respekt zolle. Der Mensch, mit dem ich einen sehr schrägen Humor teilen konnte, dessen beim Lachen blitzende Augen ich noch gut in Erinnerung habe.

Wir sehen uns wieder, hoffe ich.

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Nikolaustag 2020

Der Wassertiger führt in letzter Zeit ein Schatten-Dasein, wird also Zeit, ihn wieder mal zu füttern. Die Wupperpostille, nebenan bei WordPress.com, nimmt viel Zeit in Anspruch, was einerseits viel Freude macht, aber diese eher private Nische hier ein wenig zu kurz kommen lässt. Sei`s drum. Heute bin ich wieder mal hier.

Was bewegt mich? Klar, das, was die meisten so umtreibt, in diesen Tagen. Ein kleiner Virus, der sich im doppelten Wortsinne atemberaubend schnell unter uns Menschen verbreitet. Selbst in meinem beruflichen Umfeld ist er mittlerweile angekommen, was mich ausgesprochen vorsichtig macht, im Umgang mit meinen Eltern. Um mich sorge ich mich dabei weniger, zähle zwar altersmäßig auch schon zur so genannten Risikogruppe, aber ich vertraue auf mein Immunsystem und den Willen meines Schöpfers, in Verbindung mit den üblichen Vorsichtsmaßnahmen.

Ich las es in der letzten Zeit schon öfter – auch anderen scheint es ähnlich wie mir zu gehen. Das Virus und seine Eigenschaften ist eines, der Umgang von uns Menschen damit gleicht nicht nur für mich einer spannenden Studie. So eine erdumspannende Seuche bringt aus den Einen das Beste hervor, während sich bei den Anderen nur dürftig verdeckte Abgründe auftun. Die Phase der ersten Erschütterung habe ich mittlerweile hinter mir gelassen, es trennt sich nun eben die Spreu vom Weizen. Die Einen sammeln sich, um dieser Herausforderung gemeinsam Herr zu werden und die anderen scharen sich um ihresgleichen, um möglichst alles wie immer schon so weiterlaufen zu lassen – keine Theorie und Demagogie ist ihnen zu kraus, die dabei helfen könnte. Alles nichts Neues, wie ein Blick in die Geschichte zeigt.

Und ich? Isolation ist für mich zunächst einmal nichts Neues. Als Kind war es freilich schlimm, eine ewige Außenseiter-Rolle zu haben. Später habe ich das zelebriert und gepflegt, mein vermeintliches anders-sein. Psycho nannten sie mich, mir war es recht. Hatte ich sie eben nicht alle, ab einem bestimmten Grad adelt selbst das, dachte ich. Das ging damals mit meiner Suchterkrankung einher, mit den dazu passenden Begleitumständen, Auftritten und „Nebenkosten“.

Lange her, das alles. Heute bin ich recht gerne allein, kann mich meistens selbst gut ausstehen. Seit einiger Zeit darf ich sogar allein arbeiten, nachdem mein berufliches Umfeld Anfang des Jahres arg reduziert wurde und ich das Glück hatte, bleiben zu dürfen. Jeder Tag ist heute gefüllt von Dankbarkeit, nunmehr befreit von Neid, Missgunst, Boshaftigkeit und Intrigen arbeiten zu dürfen. Keine Selbstverständlichkeit, wie sich gezeigt hat. Für mich wäre das so genannte Home-Office eine Auszeichnung, allein bin ich am kreativsten, muss ich dann doch auf keinerlei Befindlichkeiten meiner Mitmenschen Rücksicht nehmen. Das schließt Teamfähigkeit nicht aus, so nutze ich alle mir zur Verfügung stehenden Kanäle der neuen Zeit, um mit den anderen zusammenzuarbeiten. Leider ist das daheim-arbeiten in meinem Fall unrealistisch, da mein tägliches Werkzeug dank nicht unerheblicher Masse ein wenig immobil ist. Was den heute schon anachronistischen Luxus mit sich bringt, am Ende des Tages (hier mal ausnahmsweise nicht als Phrase gemeint) noch etwas in den Händen halten zu dürfen, was bis dahin nur als virtueller Datensatz sicht- und begreifbar war.

Geblieben ist weiter eine nur schwer zu beschreibende Sehnsucht nach Gemeinschaft, getragen von einem Gefühl der Zugehörigkeit. Im engeren Sinne bin ich reich beschenkt worden, was mein direktes familiäres Umfeld angeht. So bin ich heute tief dankbar für den Menschen an meiner Seite, mit dem ich meine tägliche Fristverlängerung teile, so gut ich kann. Dankbar auch für ein anderes Geschenk in Form meines großen Kindes, der seinen Weg als nunmehr junger Erwachsener recht zielstrebig geht. Dankbar auch für den mir möglichen Umgang mit meinen Eltern … alles keine Selbstverständlichkeiten, für mich.

Ziehe ich die Kreise weiter, sehe ich meine geistige Verwandtschaft. Menschen, die sich wie ich selbst auch als Erdenbürger, meinetwegen Kosmopoliten, begreifen. Menschen, deren Horizont über das Taschen-füllen um jeden Preis hinaus geht. Menschen, mit denen mich neben Humanität auch Glaube verbindet, dessen offizielle Titel mir übrigens sehr wurscht sind. Ich fühle mich mit jeden Menschen verbunden, der erkannt hat, dass es mehr gibt als sein eigenes Ego, in welcher Form auch immer. Solange es  dem gemeinsamen Auskommen und Wachstum dient. Was die Sehnsucht angeht, sie gehört offensichtlich zu mir. Und weil ich sie umarmen kann, hat sie ihren Schrecken verloren. Passend dazu habe ich das Liedchen weiter untern gefunden oder es mich, wie auch immer. Beschreibt es doch in seiner Übersetzung gut das alte „Fass ohne Boden“, das ich einst war, verbunden mit dem, was mich heute ausmacht. Viel Freude beim hören – und schön laut machen.

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Ein Bild

Wenn ich unterwegs bin, schaue ich gerne auf Graffitis. Es gibt eine Menge Müll darunter, aber immer wieder einige richtig gut geratene Exemplare. Eines habe ich bei Dario gefunden, der seinerseits auch mit wachen Augen durch die Welt geht. Mit seiner freundlichen Erlaubnis leihe ich es mir aus, weil es mich außerordentlich bewegt (anklicken macht es gut sichtbar):

Fuchs_Konstanz

 Mal davon abgesehen, dass ich es künstlerisch total gut gelungen finde, spiegelt es auf eine Weise den Geist der Zeit wieder, die mir unter die Haut geht. Der große Fuchs, selbstzufrieden grinsend im Fond sitzend, wie er gerade aus dem Hühnerstall kommt. Mit an Bord noch zwei seinesgleichen, seine eher unscheinbare rechte Hand neben ihm sowie der Fahrer der Karosse, mit Herzchen-Kappe, dem Rest der Welt unzweideutig die Zähne zeigend. Interessant auch, wer da noch als Beifahrer mitfährt, eine furchterregende, boshaft dreinblickende Schlange. Das Gefährt offensichtlich teuer, wenn auch lädiert und blutverschmiert, mit Leichenteilen und Trümmer gespickt. Im dunklen Himmel steigen sie auf, die Hühner-Seelen, die auf der irrsinnigen Fahrt ihr Leben lassen mussten.

Ein Bild aus einem schlechten Alptraum, könnte man meinen. Wenn es nicht als Metapher so hart an der Realität wäre. Der kluge Fuchs, das teure, alte Auto, die boshafte Schlange. Für mich steht das Bild in seiner ganzen Brutalität für das weltumspannende Wirtschaftssystem, dem der Einzelne nichts mehr gilt. Der Erfolg zählt, wer klug genug ist, wird Fuchs im Fond, braucht noch nicht einmal selbst zu fahren. Die Drecksarbeit erledigen andere, der Typ am Steuer zum Beispiel. Oder die Schlange auf dem Beifahrersitz. Ein gekonnt inszeniertes Bild all derer, welche die Richtung eines internationalen, Aktien-notierten Konzernes bestimmen. Der Schlangen-gleiche Controller an Bord, ohne zynische Herzchen-Kappe, die braucht es nicht – scharfe Zähne im verschlagenen Antlitz sprechen für sich. Das Marken-Logo des Gefährtes mag als eines der bekanntesten Luxus-Güter stellvertretend und austauschbar sein. Das Bild ist offen für allen möglichen Spekulationen, der alte 70er-Jahre-Benz und die Kopfbedeckungen der Akteure lassen Rückschlüsse auf die 68er-Generation zu, welche die Schlange mit an Bord genommen hat … man kann endlos darüber nachsinnen. Oder es auch sein lassen.

Wo immer möglich, beende ich meine Blog-Einträge mit einer positiven Affirmation. Das fällt mir jetzt gerade ausgesprochen schwer, mit solch einem Thema zu einem hoffnungsfrohen Ende zu kommen. Wohl dem, der ihnen nicht direkt ausgeliefert ist, denke ich. Wobei Gier und Rücksichtslosigkeit kein Privileg der großen Unternehmen sind, im Kleinen setzt sich das fort, bei jedem Einzelnen von uns, wenn wir aufhören , uns selbst zu hinterfragen. Wir werden das Ende dieser Jagd wohl nicht erleben. Was das gruselige Bild nicht zeigt: Die „Füchse“ halten andererseits eine Menge „Eier-legender Hühner“ am Leben, oft genug auf niedrigstem Niveau. Das ist der Grund, warum ihnen eine jede Regierung, gleich welcher Art, freundlich gesonnen ist, so Lebens-verachtend das Geschäft auch sein mag.

Was bleibt, ist der Respekt vor dem unbekannten Künstler, der dieses Bild irgendwo in Konstanz gestaltet hat. Mag er ein kleines Drogenproblem haben oder auch nicht, genial ist er jedenfalls.

Wahrheit ?

Sie ist in aller Munde, und ein jeder beansprucht sie für sich. Oder günstigstenfalls für seine Glaubensgemeinschaft, die nicht unbedingt religiösen Charakter haben muss. Sie wird gerne in Teile ihrer Selbst zerlegt und Portionsweise in eines anderen Wahrheit eingebunden, aus dem Kontext gerissen, wie man das nennt. Oft wird sie geschickt umgangen, um interessierten Kreisen dienlich zu sein. Diese schaffen gerne so genannte alternative Wahrheiten, verkünden ihre solcher Art frisch kreierte Wahrheit für die Absolute, die der anderen für systemische Lüge. Jeder auf seine Weise. Das „System“ bedankt sich seinerseits mit irreführenden Wortgeklingel. Verschwörungs-Theoretiker werden die Schöpfer der jeweils anderen Wahrheit genannt. Oder auch Alu-Hut-Träger. Irreführend deshalb, weil so mancher Verschwörungs-Theoretiker in Wahrheit (also meine…) ein Verschwörungs-Praktiker ist, dessen Agitation ganz konkrete Auswirkungen auf die Politik, auf das gesellschaftliche Klima hat. Die Alu-Hüte? Klingt karnevalistisch und würdigt die wirkliche Gefühlslage ihrer Träger herab, die mit lustig-sein oder mit Abenteuer a la Raumschiff Orion nicht wirklich viel zu tun hat. In den oft geschlossenen Räumen, in denen sie sich gerne bewegen, sind sie unter sich, schauen gefüllt mit Unsicherheit , Angst sowie mit daraus resultierenden Hass auf die Welt da draußen, von der sie glauben, sie wolle ihre Hirne manipulieren, kontrollieren, knechten. Ihnen ist in ihrer Welt mit Argumenten nicht beizukommen, jeder Versuch gleicht dem Schachspiel mit einer Taube: Ganz gleich, wie gut du spielst, das Tier latscht quer über das Brett, wirft dabei alle Figuren um, kackt mitten hinein und stolziert von dannen, als hätte es die Partie gewonnen.

Nun denn. Wenn ich von meiner „Wahrheit“ schreibe oder rede, dann bin ich mir bewusst, immer nur einen Teil dessen für mich präsent zu haben, der oft genug auch sehr subjektiv eingefärbt ist, also eher meine Meinung darstellt, nicht die Wahrheit, schon gar nicht die absolute, die eh `nur unser Schöpfer kennt. Sicher bin ich mir meiner Meinung, meiner Wahrheit also nicht, und eines möchte ich schon überhaupt nicht: Irgend jemanden von dem überzeugen, missionieren oder sonst wie manipulieren, der die Welt mit anderen Augen sieht, sehen möchte.

Beispiele gibt es zur Genüge, ein kurzer Blick auf das Tagesgeschehen reicht völlig. Der Bau einer fast fertigen Gasleitung soll gestoppt werden, weil der Handelspartner auf der anderen Seite seinen Oppositionellen nach dem Leben trachtet oder zumindest weg schaut, wenn einflussreiche Kräfte dies anstreben. Die Wahrheit ist in diesen Ländern denen vorbehalten, die ein schnelles Pferd haben. Moralisch verwerflich? Ja sicher. Du sollst nicht töten. Punkt. Was diejenigen (außerhalb der Politik), die sich darüber verständlicher Weise empören, außer Acht lassen, ist , wir sind eine Export-orientierte Handelsnation, die sich auch sonst moralische Empörung nicht wirklich leisten kann, mit aller Herren Länder gute Geschäfte macht, in denen Menschenrechte nicht unbedingt gesetzlich verankert sind, geschweigen denn respektiert werden. Wo es politisch opportun erscheint, wird sich dagegen laut öffentlich empört, das nenne ich Pharisäertum. Wäre es ernst gemeint, dürfte mit dem Rest der Welt keinen Handel mehr betrieben werden, mal nicht davon zu reden, das auch hierzulande mit Sicherheit Verbesserungsbedarf in Sachen Menschenrechte besteht, wenn auch auf vergleichsweise hohem Niveau. Und – mal so ganz pragmatisch in Richtung derer, die meinen, fossile Brennstoffe hätten sowieso ausgedient – auch ich heize im Winter wie viele Millionen anderer Haushalte mit Gas, zu dem es derzeit keine wirkliche Alternative gibt. Es wird eine geben müssen, das ist sicher, so wie es früher oder später zu allen fossilen Brennstoffen eine Alternative geben muss, wegen dem unseligen Einfluss auf unser Wetter, auf unsere Umwelt, unsere Natur und aus Gründen der Verfügbarkeit. Nur sehr wenige haben derzeit die Mittel und die Möglichkeiten, in Energie-Bilanz-technischen Null-Summen-Häusern zu leben.

Wo ich gerade dabei bin – Emissions-freie Fortbewegungsmittel finde ich hervorragend. Gibt es leider nicht, sie sind eine Illusion, die sich daraus nährt, weil eben nichts sicht- und riechbares „hinten heraus“ kommt. Alles hat seinen Preis, den unser Planet bezahlen muss, die Umweltbilanzen der Herstellungsprozesse lassen grüßen. In dem Kontext kann ich nicht verstehen, mit welcher Vehemenz elektrische Antriebe auch politisch forciert werden. Ganz so, als hätte ein jeder neben dem Mitteln für einen „Stromer“ auch noch gleich einen Carport samt Ladestation neben dem mit Erd- oder Solarenergie beheiztem Eigenheim. Und jetzt bitte nicht missverstehen, ich finde es absolut begrüßens- und förderwert, auf diese Weise leben zu wollen. Leider ist dies nur einer kleinen, gut verdienenden Avantgarde möglich, nicht der breiten Masse, die irgendwo zur Miete wohnt, eine schnöde Gastherme nutzen muss und ihr Auto irgendwo, wo gerade Platz ist, abstellen muss. In 99 % aller Fälle gerade nicht in Reichweite einer Ladestation. Und weil ich nicht nur meckern möchte – es gibt auch gute Ansätze, die zwar noch wie der Wasserstoff mit großen technischen Herausforderungen versehen sind,aber mit Blick auf ihre schnöde Praxis-Tauglichkeit um Längen besser abschneiden als die derzeit so gelobten Stromer, die sowieso im halbwegs bezahlbaren Segment nur für den Stadtverkehr taugen. Ja sicher, verreisen kann man auch mit den Öffentlichen, so sie denn günstig erreichbar und auch mal pünktlich sind. Will ich aber nicht, in Zeiten von komischen Viren und reichlich Menschen, die eben diese beharrlich ignorieren (Achtung, da leiste auch ich mir meine persönliche Wahrheit/Meinung…). So wie andere wiederum den Rest der Menschheit am liebsten an die Kette von umfänglichsten Regelwerken legen möchte, als würde sich dadurch ihre Einsichtsfähigkeit verbessern. Vom meinem ganz persönlichen Hang als Höhlenbewohner, meinen gefühlten halben Hausrat mitschleppen zu müssen, will ich erst gar nicht anfangen.

Bevor ich jetzt restlos vom Thema abweiche – Hybride finde ich Klasse, also jene Fahrzeuge, die sowohl über einen Strom- als auch einen Verbrennungsantrieb verfügen. Es gibt durchaus schon bezahlbare Varianten, die sich bei umsichtiger Fahrweise für gerade mal 4 Liter Treibstoff-Verbrauch bewegen lassen. Entweder als klassische Selbstlader, oder auch mit Steckdose, zum Strom „tanken“. Meine Sympathie haben in dem Zusammenhang auch günstige Kleinstwagen, die sich mit kaum mehr Energie betreiben lassen. Der verfügbare Platz hat sicher seine Grenzen, aber wer jemals erfolgreich Tetris gespielt hat, weiß sich auch hier zu helfen.

Zum Ende hin noch einmal – jeder hat das Recht auf seine Meinung, seine „Wahrheit“, so wie das, was dafür gehalten wird. Ich auch. Wer mit mir darüber meinetwegen emotionsgeladen, – aber immer höflich – diskutieren möchte, nur zu 😉

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Angefühlt

Nur das leise Rauschen der Therme ist zu hören, im Duo mit dem Ticken der Wanduhr. Küchenimpressionen, heute ohne die sonst übliche Radio-Berieselung. Gerade komme ich aus dem Bad, unser Vermieter hat dieser Tage am Waschbecken eine neue Mischbatterie einbauen lassen, die alte ging, verkalkt, wie sie war, sehr schwer. Bei der Gelegenheit wurde auch gleich der Durchlauferhitzer getauscht, der altersschwach vor sich hin tröpfelte.

Es ist noch ein wenig fremd, wie sich die neue Mischbatterie anfühlt. Kalt-Warm, und zwei Stufen Wasserdurchfluss, ein smarter Hebel, das ist wohl Standard heute. Funktion, Optik, Akustik, und – Haptik. Wie sich etwas anfühlt. In der Autoindustrie werden Unsummen in die Entwicklung gewisser Materialien gesteckt, die sich ansprechend anfühlen. Gemeinsam mit dem Umstand, das Auto fahren leider keine reine Kopfsache, sondern schwerst emotional aufgeladen ist, werden weitere Unsummen mit dem Ergebnis dieser Entwicklung verdient.

Auch ich bin so ein Mensch, dessen Wahrnehmungszentrum eindeutig das Gefühl ist, allem Ratio zum Trotze. Alles mögliche fasse ich an, um zu fühlen, was oder wie es ist. Eine klemmende Türe wird solcher Art ob ihrer klemmenden Stelle analysiert, ebenso ein Maschinenlauf durch Hand-auflegen und spüren der Vibrationen überwacht. Verschiedenartige Kunststoffe kann ich so unterscheiden, ebenso unsere beiden Kater, unabhängig vom Körperbau der beiden.

Auch Menschen fühlen sich an. Lange konnte ich nur mit Überwindung jemanden in den Arm nehmen, das hat sich Gott sei Dank im Laufe der Zeit gewandelt. Menschen, die mir in irgend einer Weise nahe stehen. Auch der Geruch spielt ein große Rolle. So wurde mir zum Beispiel glaubhaft überliefert, dass meine erste Grundschullehrerin nur auf Grund dessen einen guten Zugang zu mir hatte, weil sie gut roch.

Es ist schon irgendwie irre, wie sehr wir in unserem ach so aufgeklärten Zeitalter immer noch über die uralten Erbgüter unserer Evolution durch`s Leben geführt werden. Gerade Politik wird mit viel Gefühl gemacht, auch, wenn man uns unsere gewählten Vertreter gerne als Sachverständige präsentiert. Das mögen oder sollten sie auch sein, oder sich zumindest dorthin entwickeln. Spielt aber offensichtlich eine zunehmend untergeordnete Rolle, wo welche Talente schlummern. Manch einer wurde ohne einem großen Spektrum an Talenten sogar Staatspräsident… Es reicht den meisten also, berührt zu werden, wie auch immer.

Politik – da wollte ich nicht hin, jetzt, lässt sich aber auch nicht vermeiden, in dem Zusammenhang. Wie auch immer, mein Mittel der Wahl zur Orientierung bleibt das Gefühl, die Intuition, wie immer man das nennen mag. Nichts besonderes? Ich kann versichern, doch. Für mich zumindest, als ein Mensch, der Jahrzehnte Mittel eingesetzt hat, auch, um eben nichts oder zumindest weniger zu fühlen.

Sag`s mit Musik …
Achtung, Geschmackssache 🙂

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Höre alten Leuten zu …

Der Titel stammt aus meinem Lieblingsgedicht von Joseph Beuys, „Lass`dich fallen“ oder auch „How to be an Artist“. Bei alten Frauen ist mir das meist recht leicht gefallen, viele von ihnen plaudern gerne, bei Gelegenheit. Ältere Männer sind anders. Die sind mehr für sich, glaube ich, in ihrer Welt aus reichlich Vergangenheit, der Gegenwart, und der sehr überschaubaren Zukunft.

Ausnahmen bestätigen das wohltuend, so wie heute Nachmittag. Getrieben von dem Wunsch, noch wenigstens ein Stündchen an die Luft zu kommen, in der Hoffnung, mein Kopfweh loszuwerden, fuhr ich bis zum alten Bahnhof Loh, an unserer Nordbahntrasse nebenan. Da saß er, mit schneeweißem Haar allein auf einer Bank unter dem alten Bahnsteigdach, schön im Schatten. Mit meiner hellen Haut liebe ich die Sonne auch nur begrenzt, also nehme ich neben ihm Platz.

Das Wetter – damit kommt man jetzt gerade immer in`s Gespräch. Toller Sommer, die armen Bauern, das wenige Getreide, aber das viele Obst. Was man alles heute gesund finden solle und wer da was von hätte. Früher war alles anders – eine Aussage, die ich mittlerweile nicht mehr spöttisch belächle, weil auch ich heute etwas von „früher“ erzählen kann, wenn auch nicht so viel.

Die vielen fremden Menschen hier im Land – wäre nicht gut. Flucht kennt er, bei Kriegsende war er gerade vier Jahre jung und mit seiner Mutter von Oberschlesien über Regensburg hier her gekommen. Dort in Regensburg trafen die beiden den Vater, frisch aus der Kriegsgefangenschaft. Ohne Internet und Telefon, so richtig mit Fügung, wie er sagt. Da hat jemand geguckt, für uns ...Er ist im übrigen etwas fassungslos, das jeder Flüchtling ein Mobilphon hat, wie das sein könne. Mein Einwand, das diese Dinger ja halt die einzige Verbindung zur Heimat seien, und somit teils wichtiger als ein paar Schuhe, nimmt er schweigend hin.

Er erzählt von seiner Flucht, von den Russen. Den schlimmsten Fehler, sagt er, den man machen konnte, war, die Haustür abzuschließen, wenn sie kamen. Dann wurden sie wild, wie er sagt, und brachten alle um, die sie vorfanden. Verstehen Sie das, fragt er mich und blickt mich durchdringend an. Ich nicke stumm. Seine Mutter wusste das und riss darum Türen und Fenster auf, wenn sie kamen. Er wurde von den Soldaten stets misstrauisch beäugt, der kleine blonde Junge. Germanski, sagten sie, aber nicht feindselig. Der Offizier schlief dann auf dem Bett, mit Stiefeln an den Füßen. Er solle sie ruhig ausziehen, sagt die Mutter irgendwann zu ihm, worauf ihr eindringlich klar gemacht wurde, dass man jederzeit mit den Deutschen rechnete … es stirbt sich halt schneller, auf Socken.

Wir erzählen eine Menge, sitzen bestimmt eine gefühlte Stunde zusammen, während der Wind unter dem Bahnhofsdach etwas frösteln lässt. Ich erzähle von meinen Eltern, die hier in der Stadt aufgewachsen sind. Drei Generationen, sage ich, braucht es, um wieder mit der Welt klar zukommen, nach solchen Kriegen. Das mein großes Kind der erste in unserer Familie ist, der emotional nichts mehr damit zu tun hat.

Der alte Mann erzählt von seiner längst erwachsenen Tochter, die in England studierte. Die EU heute, die Reisefreiheit, die Politik, Assimilation, (er nennt es nicht so, meint aber das gleiche), der Seehofer – der im übrigen ja nicht so ganz unrecht hätte, mit dem, was er sagen täte. Die AfD und ihre potentielle Mehrheitsfähigkeit in der Gesellschaft, die Brüder im Geiste bei der FDP, was die Wirtschaftspolitik anginge, und so weiter.

Eh wir uns versahen, waren wir bei Hitler und Göbbels. Er wäre fassungslos, das die Menschen die zwei damals so verehrten, dat waren doch zwei ausgesprochen schäbbige Kerle, meint er, während ich sinniere, dass Dämonen keinem Schönheitsideal entsprechen müssen. Überhaupt, die Äußerlichkeiten sind sein Thema. Die von der Linken da, das wäre ja `ne Granate, und der Oskar wäre ein echter Glückspilz – wir lachen beide herzhaft, auch wenn er der Meinung ist, dass die Wagenknecht ja in der falschen Partei wäre. Das will ich nicht weiter vertiefen, obgleich es schon eine Erörterung wert gewesen wäre, die Frage nach der richtigen Partei, So langsam drängt auch die Zeit zum Aufbruch.

Wir verabschieden uns, mir gefällt sein kräftiger Händedruck. Vielleicht sieht man sich wieder hier, sagt er und keiner fragt den anderen nach den Namen. Irgendwie unwichtig.

Begegnungen die ich mag, denke ich, und fahre entspannt heim.

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