Archiv für den Monat: September 2014

Separiert euch!

Ja, liebe Schotten, das war dann wohl nichts. Schade, ich hätte dem Empire den Schlag in die Magengrube gegönnt und euch natürlich auch euer „eigenes“ Land. Aber die Gegenseite hat ihr bestes gegeben, um euch von der Idee eines eigenen Staates abzubringen. So funktioniert das in der „freien“ Welt. Natürlich darf man sich abspalten, so die eigene Verfassung das zulässt. Im rechten Augenblick, also kurz vor der Abstimmung, mahnen dann die Stimmen der EU: Keine automatische Mitgliedschaft, also Bewerber-Status und natürlich auch kein Euro. Zeitgleich tönen die Lords, das es auch kein Pfund mehr geben kann. Hättet ihr das Fußballspiel dieser Tage wenigstens gewonnen, euer Mut hätte vielleicht gereicht, den ganzen Flüsterern die Stirn zu bieten.

Bei uns in Deutschland läuft das anders. Hier ist die Möglichkeit eines Ausscheidens aus der Föderation gar nicht erst vorgesehen und jeder, der selbiges im Sinn hat, steht von Anfang an auf verlorenen Posten. Wobei mir der Gedanke durchaus irgendwie behagt, als bergischer Ureinwohner sozusagen. Die schönste Definition des hiesigen Menschenschlages liefert übrigens Herr Glumm hier aus Solingen. Im Kern heißt es dort, das die dunklen Wälder hier im Mittelalter allmählich von all denen bevölkert wurden, die sich in den großen Städten am Rhein etwas zu schulden gekommen haben lassen und vor der dortigen Ordnungsmacht türmen mussten. Und so käme es, das der Bergische an sich potentieller Nachfahr von Falschmünzern, diebischen Huren, Totschlägern und anderen Gesockse wäre. Danke an der Stelle für diesen liebreizenden Exkurs in unser Historie, Andi!

Wie also könnte ein eigener bergischer Staat auf historisch gewachsenen Grund denn wohl aussehen? Im Kern würde er bestehen aus derer zu Wuppertal, zu Solingen und derer zu Remscheid. Das Oberbergische nehmen wir sicher auch gern mit, obwohl eine gewisse Vorsicht durch die Nähe zu Westfalen durchaus angebracht ist. Das gleiche gilt auch für die Niederbergischen, die dem Rheinland schon ein wenig zugewandt sind. Details dieses neuen Kleinstaates wären sicher noch zu klären, was hier immer seine Zeit braucht, da erst einmal jahrelang darüber gestritten werden muss. Einig und schnell in unseren Entschlüssen sind wir uns hier bekanntlich nur, wenn es gegen die Welt da draußen geht, also gegen Land oder Bund beispielsweise oder gegen die EU.

Als visionistischer und ortskundiger Teil der hiesigen Avantgarde erlaube ich mir dazu mal ein paar eigene Gedanken. Mal angefangen bei einer neuen Währung, genannt z.B. bergischer Taler. Der hätte seine größte Bedeutung im freundschaftlichen Handel mit dem Rest der Welt, wobei wir unter uns um größtmögliche Eigenständigkeit in Form des Tauschhandels bemüht wären. Politisch wären mit Vollzug des eigenen Staates natürlich gewisse Säuberungen unumgänglich. Sämtliche Bremsklötze der örtlichen Grünen und des Bundes für Umwelt und Naturschutz würden ausgesiedelt werden müssen, am besten direkt in den Düsseldorfer Landtag. Dort können sie dann die von geheimen Agenten ausgeschleusten und wieder angesiedelten seltenen Fledermäuse und sonstiges Krötengetier betreuen, die hier jahrelang wichtige Bauvorhaben verhinderten oder in`s Aschgraue verzögerten. Die nunmehr heimatlosen Landtagsabgeordneten können ja derweil in den Kasematten am Rhein bei Altbier tagen, was ihrer geistigen Produktivität eher förderlich sein dürfte. Solcherart entkrötete Brachflächen könnten nunmehr interessierten Menschen zu gemeinschaftlicher Nutzung zur Verfügung gestellt werden, da denke ich an Wagenburgen und landschaftlich reizvolle Kleingärten zur Eigenversorgung. Pacht wird nicht gezahlt, dafür bekommt der jeweilige Eigentümer jeden Zehnten Apfel oder dergleichen.

Toleranz und gegenseitiger Respekt würden gestärkt, was zur Folge hätte, das zumindest die lauten Bärtigen das Land verlassen müssten. Am besten Richtung dem katholischen Rheinland, wo sie sich mit der sich in Kürze gründenden Maria-Polizei umherprügeln können. Vertreter der reinsten Lehren unter sich sozusagen und ich sitze mit meiner Visa als Weltenbürger bergischen Ursprunges in der Tasche am Zaun und schaue mir lachend bei Brot die Spiele an.

In dem Sinne zum Schluss ein kleines Lied…

 

 

 

Nur ein Schuh

Abdul Halim ist ein gläubiger Mensch und besucht regelmäßig zum Freitags-Gebet die Moschee in seinem kleinen Dorf. So auch letzten Freitag, und es hätte eigentlich sein können wie jeden Freitag, wenn…, ja wenn nicht irgendjemand den linken von Abdul Halims Schuhen gestohlen hätte, die er vor dem Gebet als Paar noch draußen abgestellt hat, im vollen Vertrauen in die Ehrlichkeit seiner Mitmenschen.

Man kennt sich auf dem Lande, und auch Abdul Halim ist seinen Nachbarn gut bekannt. Nicht nur er, auch seine alte Mutter, die ihm einst seinen schönen Namen gab, der für Milde und Friedfertigkeit steht. Gleich so, als hätte sie beizeiten schon geahnt, das eben diese Attribute nicht zu den bevorzugten Stärken ihres Sohnes gehören sollten. Kaum entdeckt Abdul Halim die frevelhafte Tat, steigt eine unglaubliche Wut in ihm hoch. Nicht zur persönlichen Bereicherung, was ja noch zu verstehen gewesen wäre, nein, sondern ausschließlich ihm zum Ärger hat man ihn bestohlen, wer sonst, außer vielleicht Einbeinige, könnten mit einem Schuh etwas anfangen.

Abdul Halim baut sich vor dem Eingang der heiligen Stätte auf, wartend, bis sich auch der letzte Dorfbewohner nach dem Gebet zum Plausche dort eingefunden hat. Mit hochrotem Kopf, geschwollener Halsschlagader und der Körperhaltung eines zum Angriff bereiten Bullen brüllt er über den Platz:

Wenn jetzt gleich, spätestens in einer Viertelstunde, meine beiden Schuhe nicht genau dort stehen, wo ich sie hingestellt habe, dann könnt ihr mich erleben, wie ihr mich nie zuvor erlebt habt und ich schwöre euch bei Allah und allen Heiligen, ihr werdet mich kaum wiedererkennen!

Erschrocken stehen die Dorfbewohner zusammen, man kennt Abdul Halim und sein gefürchtetes Temperament. Niemand wiederum kennt den ruchlosen Dieb, der ihnen mit seiner lasterhaften Tat solchen Ärger einzubringen droht. So fasst man also einen Entschluss. Geld wird gesammelt und ein Abgesandter zu Abdul Halim geschickt, um eine weitere Eskalation zu verhindern.

Schnell ist Abdul Halims Schuhgröße bestimmt, der örtliche Schuster konsultiert und ein Paar passende, wunderschöne Lederschuhe besorgt. Nachdem diese offensichtlich Abdul Halims Gemüt beruhigt haben, zerstreut sich langsam die erleichterte Menge. Bis auf ein kleiner Junge, den die Neugier nicht weichen lässt. Vorsichtig nähert er sich dem nun nicht mehr ganz so furchterregenden Abdul Halim und fragt ihn schüchtern:

Onkel, sag doch, was genau hättest Du denn so furchtbares getan, hätten nicht alle für den Diebstahl eingestanden?

Abdul Halim lässt sich Zeit mit der Antwort. Nach einer Weile neigt er sich zu dem kleinen Jungen hinab und schaut ihm mit festem Blick aus seinen dunklen Augen tief in die Seele und sagt leise:

Nach Hause wäre ich gegangen, mit nur einem Schuh…

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 Anm.: Die Geschichte wurde mir im Kern vor langer Zeit als Teil der mündlichen arabischen Überlieferungen erzählt. Form und Ausschmückung sind meine.