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Es war einmal …

…vor langer, langer Zeit:
Der junge König und das Loch des Grauens.

Einem jungen König, genannt Christophorus, war von seinem Vater, Alfonso dem Gerechten, ein kleines Königreich angetragen worden. Der Jüngling, der sich eigentlich lieber auf Schnee vergnügte, als sich mit den Niederungen eines wie auch immer gearteten Regierungsgeschäftes zu beschäftigen, sah leider keine andere Möglichkeit, in den Besitz der Kronjuwelen zu kommen, und so saß er nun auf seinem Throne, zu Übellaunigkeit und in Kenntnis seiner Defizite zu großen Misstrauen neigend. Zu allem Überfluss hatte ihm sein Vater, des Sohnes Neigungen und Unerfahrenheit im Blick, einen erfahrenen Truchsess zur Seite gestellt, der heilsam auf die Erträge des kleinen Reiches wirken sollte. Einen Beinamen wie sein zwar gefürchteter, aber hoch geschätzter Vater hatte Christophorus keinen, nicht, weil es ihm an entsprechenden Charaktereigenschaften mangelte, sondern eher, weil diese so vielfältig und vor allem unberechenbar waren, dass das Volk sich nicht wirklich auf einen passenden Beinamen einigen konnte, und ach, auch das scharfe Schwert war gefürchtet. Im Köpfe-rollen-lassen war Christophorus in der Tat routiniert und nahezu begeistert bei der Sache.

Eines Tages nun kamen Kaufleute ins Land und machten dem jungen König die Investition in eine moderne Apparatur gewaltigen Ausmaßes schmackhaft, die den Ertrag seiner Hofschmiede um ein Vielfaches steigern sollte. Sein Hofstaat sprach ihm gut zu und begeistert schlug der junge Herrscher ein. Schon am nächsten Tage saßen alle Sachkundigen mit ihm zu Rate, wie zu tun sei, mit solch einer Apparatur ungekannten Ausmaßes. Das Dach der Schmiede musste geöffnet werden, um das segensreiche Ding an seinem Platz zu bekommen und – eine große Grube sollte gegraben werden, viele Klafter lang, breit und tief, um einen sicheren Stand des Gewerkes zu gewährleisten. Ab nun wurde eifrig auf teurem Pergament ein Grundriss gezeichnet, ein umstrittenes Werk, waren die Räumlichkeiten doch ein wenig begrenzt. Ein treuer Knappe mahnte mehrfach zur Korrektur, vorausahnend, wie das Ganze ausgehen könnte, aber leider war des Königs Auffassungsgabe ebenso begrenzt wie die Ausmaße der Liegenschaften und so wurde der treue Knappe mit einem scharfen Verweis auf das nicht minder scharfe Schwert endgültig zum Schweigen gebracht.

Gesagt, geplant und frischauf begonnen – die Zwerge, ihres Zeichens Fachleute in allen Arten des Grabens, wurden bestellt, mit dem so sorgfältig wie unrichtig gemalten Pergament vertraut gemacht und nun machten sie sich ans Werk, dass es ein reine Freude war, ihnen zuzuschauen. Nach einigen Tagen schweißtreibender Arbeit war nun der große Tag gekommen. Das Dach der Hofschmiede wurde geöffnet, ein riesiger Kran ließ ganz langsam die teure Apparatur hinab, und ach – war die tiefe Grube doch tatsächlich einige Klafter versetzt zum Gemäuer, so dass die teure Apparatur erst einmal wieder außenbords geschafft werden musste.

Nun gab es ein großes und vor allem lautes Gezeter, der junge König war außer sich und beschuldigte die seiner Meinung nach dümmlichen Zwerge, das Pergament nicht richtig gedeutet und nach Gutdünken die heiligen Hallen aufgerissen zu haben. Der Vormann der Zwerge, ein gewisser Paul, war verständlicherweise zutiefst in seiner Ehre gekränkt, empört, ja geradezu völlig außer sich. Es war gar furchteinflößend anzuschauen, wie nun besagter Paul mit geschwollenem Kamm, hervortretenden Schlagadern und hochrotem Kopf in seinem rotweiß kariertem Gewande auf den jungen König los stürmte, bereit, seine Berufsehre mit einigen ebenso gezielten wie wohlverdienten Ordnungsschellen zu verteidigen. Im buchstäblich allerletzten Augenblicke ergriff ihn der König der Zwerge, ob des zu erwartenden Zwistes schon mal vorsorglich mit angereist, am Kragen des karierten Rockes, der geräuschvoll riss, aber Gott sei Dank Stand hielt und so den tapferen Paul, tobend an des Zwergenkönigs Hand zappelnd, vor großen Ungemach bewahrte.

Der Rest der Geschichte ist schnell berichtet. Irgendwie einigte man sich gütlich, und das alte Gemäuer bekam so eine Art Alkoven, an einen Wintergarten erinnernd, damit das Hinterteil der gewaltigen Apparatur ausreichend Platz finden sollte. Paul trug fortan sein ramponiertes Gewand mit hoch erhobenen Haupte und die niederen Zwerge nannten ihn ab nun stolz Paul, den Beinahe-Königsmörder.

All dies ist lange, lange her, der alte König ist längst tot, der junge König veräußerte nach dem Ableben seines Vater flugs das ganze Reich gewinnbringend an fremde, anonyme Herren, um sich endlich wieder dem Schnee und den schönen Künsten zu widmen, sich verdientermaßen des Lebens zu erfreuen. Selbst die teure Apparatur fand einen neuen Besitzer, die Grube wurde dem Erdboden gleich gemacht – einzig der Wintergarten und sicher auch Pauls Gewand erinnern noch einige langjährige Schergen zu deren gelegentlicher Belustigung an die alten Zeiten.

Und wenn sie nicht gestorben sind, erzählen sie noch von früher …

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Lange her

Der Winter ist eine reizarme Zeit, im Lockdown erst recht. Die Zahl der Menschen, denen man willentlich in freundschaftlicher Absicht begegnen möchte, ist, vorsichtig formuliert, überschaubar. Was liegt also näher als mal zurück zu schauen, bevor manche Bilder gänzlich im gedanklichen Nirvana verschwinden. Na dann.

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1983, zwischen den Feiertagen am Jahresende.

Gerade 21 Jahre jung, bestand mein Lebenszweck aus hemmungslosen Besäufnissen, mein spiritueller Mittelpunkt waren kleine Plastiktütchen mit Gras, kombiniert mit Portwein, vorzugsweise, wenn ich ihn mir leisten konnte. Meine Gesellschaft war dem entsprechend, Gleiches findet immer Gleiches. Jochen zum Beispiel. Den kannte ich von der Arbeit, er lag in den letzten Zügen seiner Ausbildung in der Werkstatt, wo ich meine ersten Berufserfahrungen sammeln sollte.

Jochen hatte Verwandtschaft an der damaligen Zonengrenze, ein Dorf irgendwo bei Lüchow-Dannenberg, dem Ende unserer westgermanischen Welt. Onkel und Tante, glaube ich, und laut Jochen trinkfeste sowie gastfreundliche Menschen. Das klang gut. Knapp 400 Km vom Tal der Wupper entfernt, lag unser Reiseziel nicht nur geographisch um Lichtjahre weiter von uns fort als zum Beispiel die Niederlande, das gelobte Land in unserer jugendlichen Vorstellung. Ich war sofort begeistert, als die Rede auf einem möglichen Besuch kam. Besäufnisse in fremden, aber vertrauenswürdigen Gefilden, verbunden mit neuen Eindrücken und potentiell freundlichen Menschen – genau richtig zur Einstimmung auf den anstehenden Jahreswechsel. Blieb die Frage nach dem Vehikel der Wahl, um die große Fahrt zu bewerkstelligen. Auto fahren war jedem von uns immer extrem wichtig, schnell hin und schnell weg, darauf kam es an. Mein damaliges Gefährt bestand aus einem Rost-zerfressenen Opel Rekord D – Caravan, Jochen fuhr einen uralten Fiat 500 und bestand darauf, mit seinem Auto fahren zu wollen.

Zwei Helden auf Reisen, es war eisig kalt, ein ekliger Ostwind mit reichlich Frost war unser Begleiter. Der Fiat hatte keine Heizung, nur ein Faust-großes Loch neben dem Schaltknüppel, aus dem ein Hauch von Wärme strömte. Abwechselnd steckten wir die klammen Hände dort hinein, so gut es ging. Unser Outfit passte zum Gefährt, Jochen trug seinen Gestapo-Mantel und ich meine Holzfäller-Jacke mit Brandlöchern. Der Fiat machte gerade 80 Sachen, immer schön rechts und ausnahmslos jeder LKW überholte uns mit teils freundlichem Gehupe. Die Karre war damals schon Kult … Andere Reisende waren da skeptischer, manch verantwortungsbewusster Familienvorstand samt Anhang starrten beim vorbeifahren mit einem Blick zu uns herunter wie unsereins den Füllstand einer Mülltonne begutachtet. Wir liebten dieses Gefühl und hatten beide den unwiderstehlichen Drang, den nackten Arsch an`s Fenster zu pappen. Dagegen sprachen die Kälte und die Fahrsicherheit, also verwarfen wir die nette Geste, war vielleicht auch besser so. Unser beider damaliges Lebensgefühl spiegelte sich im Musikgeschmack – Punk zum wach werden und Reggea zum herunter kommen, mehr brauchte es nicht. Ein abgerocktes Cassettendeck im Fiat tat sein bestes, uns zu unterhalten.

Nach einer gefühlten Ewigkeit und diversen Tankstopps kamen wir endlich an und wurden mit großen Hallo begrüßt. Ein Dorf wie es sein soll, einige Gehöfte, ein paar Einfamilienhäuser, kein Laden, keine Kirche, nichts, aber eine Kneipe samt jeder Menge Gegend drum herum. Unsere Gastgeber hatten dito einen großen Hof, wir schoben den Fiat mit vereinten Kräften in den Kuhstall, wegen der Kälte. Der Anlasser war übrigens im Sack, das Teil musste angeschoben werden, darin hatte auch ich schon Übung, von den Pausen an den Tankstellen. So ein wenig Wärme konnte der Heimreise also nur förderlich sein.

Die Tage waren ausgesprochen angenehm, bestanden sie doch für uns eigentlich nur aus dem damals Wesentlichen. Lecker essen, Zocken, saufen und lange ruhen. Zocken ging klar, wir hatten eine gewisse Routine darin. Jochens Bude im Tal der Wupper war ein genialer Treff zum pokern. Zwei Zimmer unter`m Dach, Altbau, eines hatte der Berglage geschuldet ein Stirngiebelfensterchen, für Jochen der Zugang zum Dach des Nachbarhauses, auf dem man sich dank Südlage trefflich sonnen konnte. Und diskret Gras anbauen. Ansonsten bestand das Interieur aus einer Matratze, einem Fernseher, einem wackeligen Holztisch samt passenden Gestühl zum zocken, einer verbeulten Schirmlampe und einem riesigen geklauten Hohlspiegel von der Straße.

Auf dem Hof waren wir allabendlich mit Rommé statt Poker beschäftigt, so richtig derbe, mit allen Regeln und unter stimmgewaltigen emotionalen Ausbrüchen, getragen vom Dunst der Geschwister Braun und Weiß. Da man ja nicht nur zocken kann, bestand unser Gastgeber darauf, uns am Tage die Gegend zu zeigen. Das gestaltete sich ein wenig abenteuerlich, war doch sein Führerschein gerade verlustig. Zuviel vom Braunen irgendwann. Es gab nur Braun oder Weiß, Bier eher sekundär, zum Durst löschen für den Sommer. Also jetzt nur wenig. Der Mann wusste sich aber zu helfen, dank der zahlreichen Feldwege entlang seiner Ländereien. Sein Auto – ein abgemeldeter VW Variant 1600, so ein Modell, mit dem mein Vater vor damals schon gut 12 Jahren seinen ersten Wohnwagen zog. Das Gefährt musste also für Sightseeing herhalten, die verreckten Stoßdämpfer in Kombi mit der Beschaffenheit der Feldwege waren der Befindlichkeit unserer Mägen nicht förderlich, die noch mit dem Inhalten des letzten Abends beschäftigt waren. Aber – wir lernten Land und ein wenig Leute kennen, wenn auch mit käsigem Gesichtsausdruck.

Der letzte Abend sollte alle vorhergehenden übertreffen, es galt Abschied zu feiern, darin waren sich alle einig. Also wurde Karten gespielt, was das Zeug hielt, mit peinlich genauem aufschreiben, soweit Braun und Weiß das noch zuließen.. Der Höhepunkt des Abends fand dann in der Kneipe statt, wo sich der erzockte Punktestand in weiteren braun-weißen Getränken auflöste. Die Stimmung war unbeschreiblich, mit viel Tanz, Musik, Gelächter, alkoholischen Verbrüder- und Verschwesterungen. Irgendwann zog ich mich mit einer ebenso abgefüllten Dame aus dem Dorf in die Gemächer zurück, gefüllt nicht nur mit Weiß- Braunen, der alles folgende unkompliziert erscheinen ließ, sondern auch mit der Sehnsucht nach ein wenig menschlicher Wärme. Eine mögliche schriftliche Fixierung des Restes der Nacht ist verständlicher Weise nicht für die Öffentlichkeit geeignet.

Der Abreisetag. Es war immer noch saukalt, wir schoben den Kleinen aus dem Kuhstall, nachdem wir ihn erstmal von einer guten Schicht Stroh aus dem Dachgeschoß befreit hatten. Wir verabschiedeten uns herzlich, versicherten, uns baldmöglichst wieder sehen zu lassen und bekamen freundliche Hilfe beim anschieben. Die Rückfahrt war im Grunde ein Abbild der Anreise, nur eben in die andere Richtung und eher schweigsam, da gemeinschaftlich schwer verkatert.

Anfang Januar 1984, in einer Arztpraxis der Wahl. Es juckt, sage ich. Wo, fragt der Arzt. Innen, außen, und vor allem unten, versuche ich mit rotem Gesicht eine Beschreibung meiner Unpässlichkeit. Antimykotikum, sagt der Arzt nach näherer Inaugenscheinnahme der beschriebenen Körperzonen. Zum einnehmen und einreiben. Und grüßen Sie mir die Dame…

Es gibt eigentlich nur eine Erklärung für diese Tage:
Ich war 21 ….

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Epilog: 21 & zocken, da gab es mal einen guten Film.

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Ein nie stattgefundener Dialog

Hallo, wie gehts, lange nicht gesehen. Fett wie eh und je, braun gebrannt, Urlaub zu Ende?

Tja, leider. Auch die schönste Kreuzfahrt hat irgendwann ein Ende…

Kreuzfahrt, schon klar. Schön auf so einer Dreckschleuder, fremde Länder von weiten angucken, möglichst ohne zuviel Wirklichkeit in Form von Elend. Mit `nem Drink in der Hand plaudern an Deck mit deinesgleichen, immer schön an der Oberfläche, und dann noch ein gutes Gewissen haben, weil du ja Devisen in`s Land gebracht hast und du mit deiner Prasserei den armen Eingeborenen doch ein wenig Arbeit gibst. Hab`nix anderes von dir vermutet.

Oh, der Gutmensch spricht, wie schön! Ich jedenfalls gedenke zu leben und zwar ausgiebig, die Zeit ist begrenzt. Der Herr mit seinen inneren Werten, dein alter Pauker hat schon recht, aus dir wird überhaupt rein gar nichts, deine Moral kann`ste nicht fressen, von deinem Umherphilosophieren mit deinen dreimalklugen Freunden wir`ste auch nicht satt und irgendwann steh`ste vor dem dicken Ende und reißt wütend ganze Seiten aus der Bibel, weil du vergessen hast, zu leben. Komm`mir nicht mit so `nem Scheiß!

Definiere Leben! Möglichst wenig tun, alles mitnehmen, jeden noch so kleinen Vorteil nicht nur nutzen, sondern ausnutzen, keiner Auseinandersetzung aus dem Wege gehen, wenn`s auch nur im Ansatz gewinnbringend zu sein scheint oder wenn es darum geht, die Reste deines guten Rufes zu verteidigen, nur bei der Aussicht auf entsprechenden Ertrag, versteht sich. Wie fett willst du eigentlich noch werden, wie viel Schutzpanzer um dein Innerstes braucht es noch, wie kalt muss dir tief innen sein, dass du nicht aufhören kannst, dich vollzustopfen, mit Materie aller Art, du personifiziertes schwarzes Loch!

Sorry, dass ich lachen muss, aber dein Gehabe erheitert mich. DU verurteilst mich?? Och komm`, du würdest dich nie so ereifern, würde dich meine Art zu leben nicht irgendwie berühren. Ich zeige dir, was du dir so alles versagst, du verachtest mich, der ich doch nur dein dunkles und trübes Spiegelbild darstelle. Du tust mir bitter Unrecht! Schaue auf dich, der du dich nach Kräften tagtäglich prostituierst, mit deiner selbst gekrönten Wahrhaftigkeit, mit deiner zur Schau gestellten Askese. Komm` mal runter, hast den Drecksack in dir doch nur eingesperrt, meinst`e nicht, dass der auch mal gelegentlich an die frische Luft will?

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Und so stehen sich die beiden gegenüber, im wahrsten Wortsinne. An guten Tagen können sie sich gegenseitig lassen, wie sie sind. Insgeheim ahnt der eine die Wahrheit im anderen und wären sie beide nicht Freunde einer kräftigen und blumenreichen Sprache, könnten sie sich möglicherweise etwas besser verstehen …

 

 

Die Fischverkäuferin

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Der Samstag ist sein Haushaltstag, an dem alles mögliche erledigt wird, was so unter der Woche liegen bleibt. Wenn es trocken ist, fährt er dann gern mit dem Rad in die Stadt, seit wieder ein kleines Auto vor der Türe steht, ist er da ein wenig bequem geworden. Dennoch liebt er das Radfahren, man ist halt anders unterwegs, wacher, offener irgendwie.

Sein Weg führt ihn regelmäßig in einem großen Supermarkt, so ein moderner Kaufladen in XXL. Dort hat es auch eine kleine Fischtheke, gleich daneben ist eine kleine Cafeteria mit Stehtischen und ein paar Hockern. Fisch liebt er, seit er kein Fleisch mehr isst. Fast noch mehr allerdings liebt er die Magie mancher Augenblicke, die zu spüren er erst spät in seinem Leben gelernt hat. Es sind dies meist unspektakuläre Momente des Alltags, die sich irgendwie entwickeln. Oder auch nicht.

Zauber der Gegenwart.

So wie seine fast schon regelmäßigen Begegnungen mit der jungen Dame von der Fischtheke. Sie ist vielleicht irgendwo Mitte oder Ende Zwanzig, dunkle, freundliche Augen, ihre Figur eher untersetzt und ausgesprochen weiblich, seine Ahnen nannten diesen Typ Frau gerne „gut dabei“. Das mittellange, dunkle Haar ist ein wenig streng nach hinten gebunden, was ihrer Arbeit geschuldet sein mag. Obgleich ihm dieser Typ Frau schon gefällt, sind es weniger die Äußerlichkeiten, sondern eher das Strahlen, was von dieser jungen Dame ausgeht. Etwas, was vielen Menschen seiner Generation abhanden gekommen ist. Etwas Frisches strömt von ihr aus, eine absichtslose Freundlichkeit und eine Offenheit, für die man entweder sehr jung sein oder sich zumindest so fühlen muss.

Immer, wenn er also Samstags durch den Laden schlendert, schaut er, ob sie vielleicht Dienst hat. Dann kauft er Fisch, obwohl gerade möglicherweise keiner gefragt ist. Oder er lässt es, wenn sie nicht da ist, so wichtig ist der Fisch auch wieder nicht. Manchmal sitzt sie auf einem Hocker nebenan in der Cafeteria und macht Pause. So wie neulich, er kommt um`s Eck und sieht sie herzhaft gähnen. Nicht so ein verstohlenes Gähnen mit vorgehaltener Hand, sondern das ganze Programm, mit ungeahnten Einblicken. Zeichen großer Müdigkeit und er schließt auf einen recht ausgedehnten Freitag Abend ihrerseits. Da tritt er verhalten von der Seite an sie heran und spricht mit dunkler, ernster Stimme leise in ihr Ohr:

„Oh Herr, sie will mich fressen!“

Großes Hallo und Gelächter ist die Folge, das Maß an Peinlichkeit ist nicht wirklich der Rede wert. Ein flüchtiger Wortwechsel, gegenseitige beste Wünsche für das Wochenende, und er geht weiter seines Weges. Aufdringlich will er nicht sein, liebevoll vergeben ist er außerdem auch. Es geht ihm nur um die Magie des Momentes. Schon lange sitzt er nicht mehr in seinem selbst gebauten Kokon, diesen Wall aus Bewusstseins-verändernden Mitteln, der ihm die Welt einst zum vermeintlich eigenem Schutz außen vor ließ.

Er ist berührbar geworden, in jeder Hinsicht, spürt Regen und Sonne gleichermaßen. Schönheit aller Art kann ihn wieder beeindrucken und staunen lassen, wie irgendwann damals, als Kind. An guten Tagen strahlt er darum Offenheit und Ruhe aus, an weniger guten Tagen übt er sich wenigstens in Achtsamkeit sich selbst, seinen Mitmenschen und den Dingen gegenüber, wenn auch nicht immer mit dem gewünschten Erfolg.

Neulich fragt ihn die junge Dame an so einem Samstag, was er denn mache, dass er immer so gut drauf daher komme, voller Elan und Freude irgendwie. Beruflich? fragt er ein wenig unsicher, und nachdem sie nickt, verrät er ihr sein Tagewerk als Industrieschauspieler in einer großen Fabrik. Ach, und das macht Ihnen so viel Freude, meint sie amüsiert. Nein, antwortet er, er sei nun in dem Augenblick genau so, weil sie so sei.

Spieglein, Spieglein, denkt er, während er kurz darauf sein Fahrrad packt und heiterer Stimmung heim fährt.

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Von Fröschen, Märchen und anderen Irrtümern

Sehr früh am Morgen wache ich auf und bleibe erst einmal liegen, um niemanden zu stören, an so einem feinen Pfingstsonntag. Schlafen geht nicht mehr, also nehme ich mir das Tablet und schaue mich in der Mediathek um. New Orleans … eine Doku über diese vor 12 Jahren vom Wasser so geschundene Stadt, deren Bewohner sich nicht unterkriegen lassen, von den Naturgewalten. Gelebte Gelassenheit allerorten.

Das Reporter-Team begleitet verschiedene Menschen, die am und teils auch vom Wasser des riesigen Mississippi-Deltas leben (Der Fluss wird tatsächlich mit 4 „S“ geschrieben…) Einer der Protagonisten hat so ein Propeller-Boot, mit dem er Touri`s durch das Delta führt. Ganz nebenbei hat er seinem Sohn, der mit dabei ist, beigebracht, wie man die riesigen Frösche dort fängt. Das brachte ihm einst ein Taschengeld, wie andere eben Zeitungen verkaufen.

Mich beeindruckt die schiere Größe der bedauernswerten Frösche, die solcher Art gefangen in der Fritteuse des Gastgebers gelangen, und ich erzähle der Liebsten davon. Sie meint, das wären bestimmt Bufo-Frösche, aber diese sehen doch anders aus als jene in der Doku, wie ich finde. Jedenfalls bleibt es irgendwie beim Thema Frösche und wir schauen so einige Bilder von Kröten, Fröschen und dergleichen. Sehr interessant, was sich da alles tummelt.

Unser Thema bleibt bei den Bufo-Fröschen hängen, derweil diese ein spannendes Hautsekret absondern, das, wie soll es auch anderes sein, psychoaktiv ist. Dann, mit einem Mal, beginne ich die Welt etwas besser zu verstehen. Es gibt sie, diese kleinen, beinahe heiligen Momente der Offenbarung, oh ja. SO und nicht anders kam es also einst zum allseits bekannten Märchen vom Froschkönig ! Die alte Mär, man (oder besser Frau) müsse so manche Kröte nur innig genug küssen, beruht auf der feinen Wirkung von einem Hautsekret !

Also, liebe Frauen, falls es sich nicht schon herumgesprochen haben sollte oder, wie so oft durch gelebte Erfahrung widerlegt worden ist, es bringt nicht wirklich etwas, einen Frosch zu küssen. Außer eben Bufo-Frösche – da kann es tatsächlich sein, sollte man so ein Exemplar nach ausgiebigen küssen an die Wand werfen, es sich wirklich bildhaft in einem tollen Prinzen verwandelt.

Aber Achtung, jeder Rausch ist nur auf Zeit – aber wem sage ich das …

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Oh, die Ehre!

Wenn ich mit dem Rad unterwegs bin, habe ich es recht komfortabel, was die Unterbringung des Rades angeht. Da gibt es ein altes Ladenlokal, welches ich mit nutzen darf, zu ebener Erde. Wobei eben hier im Tal der Wupper relativ ist, aber eine schiefe Ebene ist eben auch eine Ebene. Da der Berg hier vor der Türe in etwa 15% Steigung hat, muss das Rad, steht es einmal draußen, gesichert werden, damit es sich nicht selbstständig machen kann. Der bordeigene Seitenständer ist da wenig hilfreich, also nutze ich dafür ein Fallrohr der Dachrinne nebenan, was bei einer gewissen Schrägstellung des Rades recht gute Dienste leistet. Leider steht das Rad dann ein wenig quer zum sowieso schmalen Fußweg, was gelegentlich für Unmut bei den Passanten sorgt, die natürlich gerade in den paar Sekunden da lang müssen.

Manchmal sorgt dieser kleine Moment aber auch für interessante Begegnungen mit den Nachbarn. So geschehen dieser Tage in besonderer Weise. Wieder steht mein Rad dort leicht versetzt zur Häuserwand, kommt eine kleine, bunte Frau des Weges, auf dem Arm einen Karton mit frischen Einkäufen. So`ne typische Bergbewohnerin hier eben. Ich nicke ihr freundlich zu und wundere mich, dass sie grinsend stehen bleibt.

Dachte erst, du wärst der Frank, meint sie. Aber dann denke ich, der Frank würde niemals so lahm den Berg hoch fahren. Da habe ich mir gedacht, ich schaue mal, wie alt der Fahrer ist, der hier so hoch kriecht.. So tönt es, fein gewürzt mit einem frechen Grinsen im Gesicht.

Was für eine freche Pute, denkt es in mir leicht empört, während ich meinen Schlauchschal vom Gesicht pelle und mich zu erkennen gebe. Wie spricht die eigentlich mit mir, dem Bruder von Eddy Merckx. Der leider momentan ein wenig aus der Form ist, derweil der neulich erworbene Bobby-Car des Morgens sehr verlockend scheint, gerade um diese Jahreszeit bei Schneeregen und ähnlichen Unbillen. So grinse ich frech zurück und meine, dass es vor, sagen wir mal 20 Jahren durchaus ein wenig schneller gegangen wäre und dass ich jedenfalls noch hier hoch fahre und mein Zeug nicht tragen muss, mit einem süffisanten Blick auf das Gelumpe in ihrem Pappkarton.

Jaja, meint sie,immer noch grinsend, sie würde ja nun auch bald 50 und wäre schon lange nicht mehr hier hoch gefahren. Dann schweig doch lieber still, Weib, oder bedenke wenigstens deiner Worte, grollt das immer noch leicht angepisste Ego weiter hinten im Kopf, während wir uns lachend einen guten Tag wünschen.

Wird so langsam Zeit für das kommende Frühjahr, glaube ich. Um wieder in Form zu kommen, nicht für alle freche Puten dieser Welt, mehr so für mich…und für mein Ego.

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Die Kassiererin

Es ist ein Discounter, wie er in jeder größeren Innenstadt anzutreffen ist, der Markt hier in der Nähe. Sie heißen so wie ihre großen Brüder weiter draußen, sind aber nicht postmodern in steinernen Zelten mit riesigen Parkmöglichkeiten untergebracht, sondern meist zu ebener Erde in eine Häuserzeile gequetscht. Sie sind eng und viele gehen nicht gern dort hin, wegen dem Publikum, sagt man. Das allerdings relativiert sich, wenn man dann selbst dort hin geht, ist man doch dann selbst Teil des Publikums, wegen dem in den späten Abendstunden Wachleute im Eingangsbereich posieren. So ist es schon fast verwunderlich, dass diese Läden immer recht voll sind.

Im Kassenbereich ist heute am Nachmittag noch nicht allzu viel los, die Schlangen sind eher überschaubar. Besagtes Publikum ist bunt gemischt, Handwerker im Arbeitszeug, selbsterklärt jung gebliebene Damen, deren wahres Alter sich erst im Antlitz offenbart, Multikulti in allen Farben, Schüler, Hausfrauen. So stehe ich an und schaue, wer was kauft. Bei jedem gefühlt zweiten Kunden liegt Flaschbier mit auf dem Band, Feierabendzeit eben. Die harten Trinker kommen eher, wenn nicht so viel los ist. Eine Flasche Wodka oder Korn ziert dann das Band, dekoriert von einem Alibi-Salatkopf oder dergleichen.

Die Frauen an der Kasse hat der Job hart gemacht. Sie haben es nicht leicht, werden gut überwacht, müssen so ziemlich alles tun, was in so einem Laden getan werden muss und sollen nebenbei noch nett sein, zu Menschen, die ihrerseits oft weit davon entfernt sind. Vielen Gesichtern sieht man das nach Jahren auch an, den Stress und die Härte.

Sie zieht die Waren über das Band, hoch konzentriert. In einem Ohr steckt ein Headset, damit ist sie, denke ich, mit ihren Vorgesetzten im verborgenen verbunden. Sie kassiert, gibt Wechselgeld heraus, wartet geduldig, bis zwei oder drei Teile per Karte abgerechnet sind, checkt Pfandbons. Ich kann erst nur ihre Mundpartie sehen, welche noch nicht diese Härte zeigt. Dann ihr ganzes Gesicht, dunkel geränderte, müde Augen in einem Gesicht, vielleicht so Mitte Dreißig. Sie grüßt nur knapp, schaut kaum die Menschen an, arbeitet hoch konzentriert, nickt dem einen oder der anderen zum Abschied kurz zu. Hin und wieder blitzt ein kurzes, warmes Lächeln auf, wie Wetterleuchten in einer tiefen Nacht. Groß ist meine Freude, auch eine solches geschenkt zu bekommen, zusammen mit einem kurzen Blickkontakt.

Für mich sind solche Momente die kleinen Wunder im Alltag, durchbrechen sie doch die Tagesroutine wie kleine, wärmende Lichtstrahlen. Beim verlassen des Ladens nehme ich mir vor, mehr auf solche Augenblicke zu achten.  Sie schaffen Wärme, nicht nur gut in der kalten Jahreszeit.

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Noch eine Nachbarschaftsgeschichte

Gegenüber, unten, auf Parterre gibt es eine kleine Wohnung. Sie ist so ein typisches Refugium für frisch Getrennte oder gerade eben erst flügge gewordene junge Menschen. Lange bliebt bislang dort niemand, es sind nur zwei kleine Zimmerchen und es ist relativ laut. In all den Jahren, die ich mittlerweile hier wohne, ging es herein und heraus dort. Spätestens nach zwei oder höchstens drei Jahren stand sie wieder leer, für eine Weile. Keiner bleibt wirklich gerne allein und, wie gesagt, es ist halt laut dort.

Unfreiwillig kann ich das Geschehen dort gut einsehen, wenn ich dem Tabak auf dem Balkon fröne. Der letzte Mieter war ein nicht mehr ganz so junger Mann, Mirko hieß er. Das weiß ich, weil wir uns ein paar mal auf der nahen Nordbahntrasse getroffen haben und ich ihn irgendwann einfach angesprochen habe. Ein Radler, der sein Rad mit in die Wohnung nahm – ein Liebhaber alter Stahlräder. Ein Hund, der niemals an der Leine ging und sein kleiner Sohn, der wie damals der meine alle zwei Wochen an den Wochenenden bei ihm war. Ein leicht verrückter Kerl, der Mirko. Oft sah ich ihn durch seine Wohnung tanzen, die Musik bis hier oben hin zu hören. Seine Wohnung, keine Einrichtung aus dem Katalog, vieles selbst gebastelt, er konnte gut mit Holz umgehen. Später dann sah ich eine Frau an seiner Seite und freute mich für ihn. Allmählich war er immer seltener daheim, was mich nicht wirklich wunderte. Vieles erinnert mich an meine eigene Geschichte, auch mir ging es damals ähnlich.

Jetzt ist er fort und ich weiß nicht, wohin. Die Tage war Licht dort unten, und ich sah jemanden abbauen und aufräumen, aber es war nicht Mirko. Draußen stand ein Hänger, Tagelang im Regen mit seinen Sachen darauf, wohl für den Sperrmüll bestimmt. Was mich nachdenklich stimmt, was mag mit ihm wohl sein? Alles stehen und liegen gelassen und abgehauen, das kommt vor. Hoffentlich ist er noch unter uns, irgendwo …

Gerade wurde der Hänger abgeholt ..
Mirko, falls Du noch lebst – meine besten Wünsche für Dich.

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Käufliche Weisheit

Das erlebe ich häufiger – Menschen, die ich aus den sozialen Netzwerken wie Facebook oder WordPress.com her kenne, fangen an, sich zu vermarkten. So weit, so gut, jedem das seine, denke ich. Mal kann jemand richtig gut zeichnen oder malen, mal schreibt wer sein erstes Buch und hat Erfolg damit. Da freue ich mich für die Betreffenden, die ich teils schon langjährig begleiten durfte, deren Geschichte ich ein wenig kenne.

Dagegen bin ich skeptisch, wenn aus mir persönlich unbekannten Menschen, mit denen ein oberflächlicher und eigentlich unverdächtiger Austausch bestand, plötzlich Coaches oder Seminarleiter werden. Von denen trenne ich mich dann in der Regel auch schnell. Andere dürfen länger bleiben, trotz Skepsis. Menschen, die ich manchmal auch persönlich kenne, die ich teilweise in tiefer Verzweiflung erlebt habe. Da geschehen offensichtlich wundersame Wandlungen, wenn ich plötzlich nur noch hoffnungsfrohe, gut gelaunte und Energie-geladene Bilder sehe. Diese sind in der Regel eingerahmt von einem jubelnden, begeisterten Hofstaat, gerne weiblichen Geschlechts.

Hmm, denkt es in mir – woher kommt dieses Gefühl in meinem Bauch, beim betrachten dessen, was da vor sich geht? Dann frage ich mich, ob ich vielleicht neidisch bin, dass ich meine Weisheiten nicht gebührend zu versilbern vermag? Das ist es nicht, spüre ich. Weil ich im Grunde etwas ganz anderes suche. Meine Seelenverwandten sind all jene Menschen, die sich irgendwann einmal aufgemacht haben, aus Krisen und Leid heraus für sich entschieden haben, ein besseres Leben zu leben, mit allen Schwierigkeiten, die man auf dem Weg so findet. Menschen, die schon lange auf diesem Weg sind oder sich gerade erst aufgemacht haben. Menschen, denen sich z.B. nach schweren Erkrankungen an Körper, Geist, Seele oder auch nach völlig destruktiven, gelebten Beziehungsmustern die Chance auf ein neues Leben auftut.

Irgendwo im Hinterkopf ist dabei auch der Gedanke, dass wahre Weisheit nicht verkauft, sondern selbstlos geteilt werden sollte. Das sich Geld und Altruismus nicht wirklich vertragen. Das es einen Grund gegeben haben mag, dass einst die Händler aus dem Tempel geworfen wurden. Und – abschließend glaube ich, das all das, was ich gelernt zu haben glaube, möglicherweise viel zu unvollständig ist, um es zu „verkaufen“. Ebenso bin ich überzeugt, dass meine Weisheiten nicht unbedingt allgemeingültig sind und für manch einen total ungeeignet sein mögen.

All jenen, die das anders halten, wünsche ich gutes Gelingen. Trotz Skepsis.

PS:
Eine kleine Erinnerung – vor einiger Zeit las ich bei Facebook einen Thread rund um das Thema Geld, den Umgang mit Materie allgemein sowie mit der damit verbundenen Verantwortung. Der Titel war eine Frage: Kannst Du gut mit Geld umgehen? Dort gab es einen Herrn, der sich sehr vernünftig äußerte, das klang schon glaubwürdig. Der bot dann irgendwann einen Gesprächskreis zu eben jenen Thema an. Neugierig, wie ich nunmal sein kann, fragte ich, ob benannte Erkenntnisse denn dort verkauft werden sollten. Nach einem kleinen verschämten Schweigen kam ein etwas verhaltenes JA, von mir beantwortet mit einem dicken Smily und der Anmerkung, er könne wirklich gut mit Geld umgehen.

Respekt 🙂

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Die Zwei

Wer sehr früh am Morgen aufsteht, sieht manches, was andere nicht sehen können. So geht es mir auch, jeden Morgen, wenn ich gegen halb Fünf Uhr am Fenster sitze und die Routine-Arbeiten des neuen Tages mit einem Pott Tee unterbreche. Wenn ich die stille Straße sehe und Freundschaft mit dem jungen Tag suche.

Jeden Morgen bei jedem Wetter ziehen die beiden langsam den Berg hinauf. Zwei gebückte, schwarze Schatten, stets geht der Mann mit einem so genannten Hacken-Porsche an der Hand voran. Sie folgt ihm, in einem scheinbar genau festgelegtem Abstand. Ihr etwas schaukelnder Gang lässt auf ein Hüftleiden schließen, in einer Hand hat sie eine kleine Taschenlampe, sie sucht die Straßenränder nach verwertbaren ab, wie es scheint. An stets derselben Stelle ziehen die beiden durch die parkenden Autos auf die andere Straßenseite, er schließt die Haustüre auf und wartet kurz auf sie, um dann gemeinsam mit ihr im Haus schräg gegenüber zu verschwinden.

Der Rest ist Spekulation. Welche Route nehmen sie allmorgendlich, wie lange dauert wohl ihre Runde durch die Stadt, was für ein gelebtes Leben mit welchen Umständen treibt sie wohl des Nachts aus dem Haus. Und – war ihre Tour diese Nacht wohl erfolgreich, auf der Suche nach Leergut und verwertbarem Zeug an der Straße. Vielleicht waren sie auch containern, in den Hinterhöfen irgendwelcher Supermärkte?

Wie auch immer, für mich gehören die beiden zum festen Tagesablauf am frühen Morgen. Ich mag wie unsere Katzen Beständigkeit und Regelmäßigkeit sowie Menschen, auf die man sich verlassen kann, in ihrer Pünktlichkeit.

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