Käufliche Weisheit

Das erlebe ich häufiger – Menschen, die ich aus den sozialen Netzwerken wie Facebook oder WordPress.com her kenne, fangen an, sich zu vermarkten. So weit, so gut, jedem das seine, denke ich. Mal kann jemand richtig gut zeichnen oder malen, mal schreibt wer sein erstes Buch und hat Erfolg damit. Da freue ich mich für die Betreffenden, die ich teils schon langjährig begleiten durfte, deren Geschichte ich ein wenig kenne.

Dagegen bin ich skeptisch, wenn aus mir persönlich unbekannten Menschen, mit denen ein oberflächlicher und eigentlich unverdächtiger Austausch bestand, plötzlich Coaches oder Seminarleiter werden. Von denen trenne ich mich dann in der Regel auch schnell. Andere dürfen länger bleiben, trotz Skepsis. Menschen, die ich manchmal auch persönlich kenne, die ich teilweise in tiefer Verzweiflung erlebt habe. Da geschehen offensichtlich wundersame Wandlungen, wenn ich plötzlich nur noch hoffnungsfrohe, gut gelaunte und Energie-geladene Bilder sehe. Diese sind in der Regel eingerahmt von einem jubelnden, begeisterten Hofstaat, gerne weiblichen Geschlechts.

Hmm, denkt es in mir – woher kommt dieses Gefühl in meinem Bauch, beim betrachten dessen, was da vor sich geht? Dann frage ich mich, ob ich vielleicht neidisch bin, dass ich meine Weisheiten nicht gebührend zu versilbern vermag? Das ist es nicht, spüre ich. Weil ich im Grunde etwas ganz anderes suche. Meine Seelenverwandten sind all jene Menschen, die sich irgendwann einmal aufgemacht haben, aus Krisen und Leid heraus für sich entschieden haben, ein besseres Leben zu leben, mit allen Schwierigkeiten, die man auf dem Weg so findet. Menschen, die schon lange auf diesem Weg sind oder sich gerade erst aufgemacht haben. Menschen, denen sich z.B. nach schweren Erkrankungen an Körper, Geist, Seele oder auch nach völlig destruktiven, gelebten Beziehungsmustern die Chance auf ein neues Leben auftut.

Irgendwo im Hinterkopf ist dabei auch der Gedanke, dass wahre Weisheit nicht verkauft, sondern selbstlos geteilt werden sollte. Das sich Geld und Altruismus nicht wirklich vertragen. Das es einen Grund gegeben haben mag, dass einst die Händler aus dem Tempel geworfen wurden. Und – abschließend glaube ich, das all das, was ich gelernt zu haben glaube, möglicherweise viel zu unvollständig ist, um es zu „verkaufen“. Ebenso bin ich überzeugt, dass meine Weisheiten nicht unbedingt allgemeingültig sind und für manch einen total ungeeignet sein mögen.

All jenen, die das anders halten, wünsche ich gutes Gelingen. Trotz Skepsis.

PS:
Eine kleine Erinnerung – vor einiger Zeit las ich bei Facebook einen Thread rund um das Thema Geld, den Umgang mit Materie allgemein sowie mit der damit verbundenen Verantwortung. Der Titel war eine Frage: Kannst Du gut mit Geld umgehen? Dort gab es einen Herrn, der sich sehr vernünftig äußerte, das klang schon glaubwürdig. Der bot dann irgendwann einen Gesprächskreis zu eben jenen Thema an. Neugierig, wie ich nunmal sein kann, fragte ich, ob benannte Erkenntnisse denn dort verkauft werden sollten. Nach einem kleinen verschämten Schweigen kam ein etwas verhaltenes JA, von mir beantwortet mit einem dicken Smily und der Anmerkung, er könne wirklich gut mit Geld umgehen.

Respekt 🙂

*

21 Gedanken zu „Käufliche Weisheit

  1. Bisou

    *noch schmunzelnd ob des letzten Abschnitts…

    Es gibt Coaches die ihre Weisheit verkaufen weil es Menschen gibt die glauben sie sei käuflich.
    Die Nachfrage bestimmt das Angebot.

    Mein Bedürfnis zu wachsen entsprang meist dem Schmerz und nicht einer Werbeanzeige.
    Meine Lehrer waren keine Predigenden Coaches sondern Menschen mit den richtigen Fragen, Menschen die den Mut hatten ihren eigenen Weg zu teilen.

    Geld für Weisheit? Das ist als würde mir der Nachbar Geld geben für das Gemüse, das in seinem eigenen Garten wächst, weil ich dem Boden einen Gemüsebildband gezeigt habe.

    Gedanke: Meine Weisheit kann ich nur ein einziges Mal verkaufen, danach ist sie weg

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  2. Caroline Caspar

    Diese ganzen Berater und Coaches sind mir auch nicht angenehm, bisweilen nicht mal ganz geheuer. Ich halte sie größtenteils für verzichtbar. Aber wenn Menschen glauben das zu brauchen und bereit sind, dafür zu bezahlen, dann geht das für mich auch in Ordnung. Eklig finde ich diese Art, erst eine Pseudo-Beziehung aufzubauen mit dem Hintergrund, an einem Punkt Hilfe für Geld anzubieten.
    Wie du sicher weißt, schreibe ich auch Bücher ganz unterschiedlicher Art, aber ich setze drauf, dass die menschen, die Interesse daran haben, von selbst danach schauen. Natürlich möchte ich, dass meine Gedanken, Geschichten wahrgenommen werden aber eben aus Neugier und nicht aufgrund irgendwelcher Marketing-Strategien. Ich folge auch Blogs, die meinem nicht folgen, weil mich eben die Inhalte interessieren. Aufrechnen ist so gar nicht mein Ding, auch nicht im Privaten.
    Und was das Geld verdienen betrifft, so kommt es immer drauf an in welchem Ausmaß, mit welchem Ansinnen. Es ist für mich nicht von vorneherein anstößig. Hierzu muss ich ausführen, dass ich in meinem Leben dreimal ganz von vorne begonnen, zweimal davon aus Überzeugung viel Nachteile und Schulden inkauf genommen habe, ehe ich mich selbst verrate. Genug Geld zu haben, um ohne Sorgen und Angst vor ständigen Besuchen der Gerichtsvollzieher zu leben, war schon mein Bestreben.
    Bei meiner ersten Veröffentlichung ging es mir darum, die seltene Krankheit Lupus E. aus ihrem Schattendasein zu holen. Zu jener Zeit gab es für self-publisher nur BoD, wofür man noch bezahlen musste. Wenigstens diese Kosten wollte ich wieder hereinholen. Wie froh war ich, als ich zum ersten Mal etwas übrig hatte und sowohl für den Verein Herzenswünsche, der auch unsere Tochter unterstützt hatte, und für ein privates Waisenhaus auf Sri Lanka – von dort stammen meine Töchter – etwas spenden konnte. Wäre aus dem Buch ein Bestseller geworden, hätte ich das meiste Geld in die Lupus-Forschung gesteckt. Bei meinen Büchern halte ich den Preis sehr niedrig, um das Lesen allen Gruppen zu ermöglichen, auch habe ich die Weitergabe herunter geladener Inhalte genehmigt.
    Manchmal möchte ich schon richtig viel Geld haben, denn ich würde gerne richtig etwas bewegen für Gruppen, die keine wirkliche Lobby haben. So möchte ich neben Unterstützung der Lupus-Forschung Mikro-Kredite vergeben, zinslos. Ich würde gerne Häuser bauen mit Wohnungen für Familien zu Mieten, die diese sich leisten können. Mit Wiesen, Gartenanteilen, Spielplätzen und großen Balkonen. Und ich würde ein weiteres großes Gebäude in Sri Lanka bauen, wo Mütter mit unehelichen Kindern leben und arbeiten könnten und eine weitere Schule. Also ich denke nicht, dass Geld und Menschlichkeit sich widersprechen müssen.
    Es gab eine Zeit in meinem Leben, da war ich einigermaßen vermögend. Ich habe schon gut gelebt, aber wollte weder ein zweites Auto noch echten Schmuck, keine zwanzig Handtaschen – Schuhe schon mehr, als ich wirklich brauchte. Auch zu jener Zeit habe ich geholfen, wo immer ich Not sah. Ich habe mein Gemüse selber angebaut und mein Haus selber geputzt und neben meinen Kindern noch andere zeitweise betreut, mit groß gezogen sowie eine Bauträgergesellschaft geleitet. Ich war nie geldgierig, immer freigiebig, aber weiß es schon zu schätzen, ohne finanzielle Sorgen zu leben.

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  3. Reiner

    Hallo Caroline,

    ich lese ja schon eine Weile bei Dir mit, und finde das von Dir geschriebene authentisch und echt. Auch, wenn Du es so nicht selbst erlebt haben magst, schimmert immer deine Geisteshaltung deutlich durch. Du hast ein bewegtes Leben gelebt, mit einem bewegten, großen Herzen.

    Es stimmt, Menschlichkeit und Geld müssen sich nicht unbedingt widersprechen, aber leider habe ich nur sehr wenige kennengelernt, die diesen Spagat gemeistert haben.

    Du bist eine Aufrechte – Respekt und Danke für`s hereinschauen !

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    1. Caroline Caspar

      Dass ich gerne bei dir lese und mir auch mit den Kommentaren viel Mühe gebe, liegt an dir, deinen Fragen und Gedanken, die ich für die richtigen und maßgeblichen halte. Dafür hast du meinen Respekt.
      Und dass es so viele nicht schaffen, Geld und Menschlichkeit zu vereinen, liegt daran, dass sie voll verantwortlich die falschen Entscheidungen treffen und sich letztendlich damit, wenigstens für mich, disqualifizieren. Solche Personen habe ich mir stets erlaubt, auf gesellschaftlichen oder geschäftlichen Empfängen zu ignorieren oder zur Rede zu stellen. Oft beides in der umgekehrten Reihenfolge. Ich gestehe, dass mir das auch Spaß gemacht hat. So ganz uneitel bin ich da auch nicht.

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      1. Reiner

        🙂 Kann ich mir bei Dir gut vorstellen. Selbst habe ich dieses mühsam lernen müssen und bin noch lange nicht damit fertig – Auseinandersetzungen mit Augenmaß und zielgerichtet zu führen. Bin ich von etwas zutiefst überzeugt, fällt es mir relativ leicht, in die Offensive zu gehen. Was die Frage nach sich zieht, was berührt mich wirklich und was gleicht nur einem Windstoß, der es nicht wert ist …

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  4. Anhora

    Coaches haben etwas zum Beruf gemacht wie Mathelehrer die Lehre von Zahlen (wenn auch mit qeniger Qualifikation!). Es hat seine Berechtigung, vermittelt aber nur ein allgemeines Wissen um bestimmte Themen. Was daraus entsteht, ist Sache jedes bzw. jeder Einzelnen. Kein Lebensberater kann die Arbeit abnehmen, Wissen für sich selbst umzusetzen, und schon gar nicht kann er einen lebensklugen Freund ersetzen.

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  5. aja

    Ich habe mir die gleichen Gedanken gemacht wie Du. Auch über Blogger, die sich in den 12 Jahren in die eine oder andere Richtung verändert haben.
    Lieber Reiner, wenn wir uns selbst ernst nehmen, so ging es mir jedenfalls ändern sich die Leser von Zeit zu Zeit und ichschaue auch immer wieder nach neuen Ausschau. Den Wechsel lasse ich gerne zu.
    So bleibt der Blog lebendig.
    Aber, es gibt ein paar mit denen ich gerne in Kontakt bleibe. Es sind wenige, ein überschaubarer Kreis.
    Nicht dabei sind Menschen, die Absichten haben und ihr „Wissen“ vermarkten. Es sei denn, was sie zu sagen haben tangiert meine Überlegungen, aber meistens ist das nicht so.
    Ich sehe es wie Caroline. Überschuss, egal in welcher Art, gebe ich gerne weiter – verschenke ich.
    Lieber Reiner, Dein Eintrag gefällt mir gut und er ist es wert, gelesen zu werden.
    Ich grüße Dich herzlich

    Barbara

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    1. Reiner

      Liebe Barbara,

      mir geht es ähnlich, auch ich freue mich über neue Blog-Freunde und pflege zugleich mir liebgewordene Kontakte, teils schon über viele Jahre. Es ist für mich immer wieder, so wie auch jetzt, erstaunlich, dass manch andere meine Gedanken teilen oder mir ihre eigenen Perspektiven zeigen, was oft genug eine echte Bereicherung für mich ist.

      Danke für`s hereinschauen & auch Dir Grüße von Herzen !

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  6. Aloisia Eibel

    Du hast wieder einmal einen präzise geschriebenen Beitrag zur „Volksbildung“ verfasst. Er ist es wohl wert gelesen und bedacht zu werden. Danke, eine erfüllte Adventzeit wünsche ich Dir und Deinen Lieben. Herzlich, die Gärtnerin mit dem grünen Daumen.

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  7. Regine

    Ach je, und Misi hatte gerade die Idee für ein Wochenendseminar: Die wahre Weisheit kommt von unten. Froschperspektive leicht gemacht. Für gut angelegte 1040 Euro wird das große Glück auch zu Ihnen kommen.
    Ich denke, ich muss ein ernstes Wörtchen mit ihm reden.
    Liebe Grüße! Regine

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  8. frauke

    ….heilen durch handaufhalten;)
    die, die mir ein ganz schlechtes gefühl erzeugen, sind die charismatischen herren ,die eine weibliche anhängerschaft um sich geschart haben-grrr

    ich lese gerne bei dir,nicht nur weil ich ehemalige wuppertalerin bin
    freu mich auf weiteres
    gute zeit dir frauke

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    1. Reiner

      Liebe Frauke, dein schlechtes Gefühl kann ich nachvollziehen … heilen durch handaufhalten 😀 – genau so. Wobei ich einem jeden erst einmal lautere Ziele unterstelle – was bleibt, ist das schnöde Gewerbe, welches das Bild stört.

      Ich freue mich, dass es Dir hier gefällt –
      Danke für`s hereinschauen und auch Dir eine gute Zeit !

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  9. Karin

    Ich teile deine Skepsis bezüglich der Coaches. Es gibt wohl eine Nachfrage dafür, aber die Masse, in der diese Coaches auftauchen und die Art, wie sie sich vermarkten, macht mich misstrauisch. Oft ist die Ausbildung nur schwer nachzuvollziehen, manchmal entstammt sie Organisationen, die nach dem Schneeball-Prinzip aufgebaut sind (wie z.B. auch Tupper). Dann ist der Mensch nur noch Ware.

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    1. Reiner

      Jede(r), wie sie/er mag. Soweit ich weiß, kann sich jeder selbst Berufene „Coach“ nennen. Wem diese Menschen eine Hilfe sein können – gut so. Aus meiner Sicht geht es in der Hauptsache um das Geld…

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  10. gerlintpetrazamonesh

    Der Weisheit letzter Schluß ist ohnehin noch nicht gefunden. Solange stellen sich fahrende Händler auf den Marktplatz (gern auch virtuell) und rufen ihre Ware aus. Aus der Mode sind jene alten, bärtigen Propheten, die still in einer Ecke oder noch besser auf einer Säule sitzen und sich das Nötigste als milde Gabe geben lassen.
    Leider suchen die Menschen verzweifelt nach einem Weisheitslehrer, haben mit den alten gebrochen (ja, die wollten auch immer Geld. Und das in Tempeln!), suchen neue und waren darin bekanntlich noch nie gut. Scharlatane und selbsternannte Propheten haben noch den meisten Zulauf. Gern genommen auch ein paar Bruchstücke einer komplexen und unverstanderen Religion, der man sich zugehörig fühlt, wenn man ein paar eigenartige Turnübungen macht.
    Nichts dagegen, die Weisheiten und Erkenntnisse anzuhören. Aber muß nicht jeder nach diesen Dingen tief in sich suchen?

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