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Wesel – ein Kurzbesuch

Wir sind geschäftlich unterwegs, sozusagen. Hintergrund ist unser sehr kleines Auto mit nicht wirklich guten Möglichkeiten, ein Rad zu transportieren. Oben drauf mag ich nicht, hinten dran ginge, wäre aber recht teuer, und hinein geht selbst bei Demontage der Laufräder nicht wirklich ein ganzes Rad. Also soll es ein Faltrad sein, derweil ich in der unmittelbaren Umgebung so allmählich die meisten guten Wege kenne. Zudem kann man mit den Dingern (gefaltet) auch Bus fahren, ohne Gefahr zu laufen, von irgend einem eifrigen Fahrer stehen gelassen zu werden. So ein Teil, offeriert relativ günstig eben in Wesel, möchte ich gern erwerben.

Der Handel ist schnell getan und es geht an`s ausprobieren, was das verstauen im Auto betrifft. Nach einigen vergeblichen Versuchen habe ich den Kniff heraus, ein ganzes Faltrad klapperfrei in einem etwas größeren Handschuhfach verschwinden zu lassen – voilà, geht doch 🙂

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Das geschäftliche ist also getan, jetzt haben wir Zeit und können uns ein wenig umschauen. Die Innenstadt von Wesel ist nicht wirklich eine Reise wert, alles Nachkriegsbauten, selbst der Dom ist restauriert bzw .rekonstruiert, ebenso die Fassade des historischen Rathauses. Es gibt noch eine Zitadelle, die wir aus Zeitgründen aber aussparen. Wesel hat historisch eine lange Vergangenheit als Festung und Garnisonsstadt, was ihr gegen Ende des zweiten Weltkrieges im Zuge der letzten Schlachten fast vollständig die Existenz kostete.

Bei der Einfahrt in die Stadt nehme ich unweit unseres Standortes auf dem Navi Wasser wahr, das muss der Rhein sein. Das Wetter ist zwar stürmisch, aber etwas aufgelockert, und so gehen wir in der Aussicht auf ein paar gute Bilder zum Wasser. Wieder spüre ich die Macht dieses alten, riesigen Stromes, der sich hier auf der Zielgerade auf seinem Weg Richtung Nordsee befindet.

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Am Wasser sowie auf dem flachen Land fühle ich mich mit meiner höheren Macht am stärksten verbunden, warum auch immer. Der Niederrhein ist diesbezüglich genau richtig – die Jacke gut bis oben an geschlossen und den Kragen hoch geht es gegen den Wind, es ist ein unbeschreibliches Gefühl.

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Und wieder Zeitzeugen – die zum Kriegsende noch gesprengte alte Rheinbrücke zu Wesel, es muss einst ein mächtiges Bauwerk gewesen sein. Auf Wunsch des Militärs wurden weite Teile an Land nicht wie üblich auf Dämmen gebaut, sondern Hochwasser-unabhängig auf steinernen Viadukten, die heute noch vorhanden sind, leider für uns nicht gut sichtbar auf der anderen Rheinseite. Beim Anblick der Überreste überkommt mich wieder dieses wohlvertraute, beklemmende Gefühl, sowie die immer wieder spürbare Fassungslosigkeit der  letzten großen Katastrophe, die hier in Deutschland seinen Ursprung hatte.

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Lange her – andere setzen deutlich sichtbar wohlvertraute Zeichen der Liebe auf den Ruinen. Auch die Kunst kommt nicht zu kurz, der große Vogel hat, so scheint es, witterungsbedingt so etwas wie einen heiligen Schein.

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Zum Schluss noch Bilder, die für sich sprechen …

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Drachenfels

Die Liebste hat Geburtstag und wir haben Freizeit mit Sonne, also machen wir uns zeitig auf dem Weg, Richtung Königswinter, da, wo der Schnapstrinker-Rhein aufhört und der Weintrinker-Rhein beginnt. Der Drachenfels ist unser Ziel, mit Schloss Drachenfels als Highlight der Rhein-Romantik. Mein Verhältnis zu den Relikten des Adels ist durchaus zwiespältig, oft frage ich mich, ob es Not tut, Unmengen an staatlichen Geldern in den Erhalt oder gar dem Neubau solcher Zeugnisse zu geben. Das Schloss Drachenfels hingegen hat eine sehr wechselvolle Geschichte, war unter anderen lange in Privatbesitz des Herrn Paul Spinat, der hier seinen Lebenstraum verwirklichen wollte, das Schloss zumindest vorübergehend vor dem Verfall gerettet hat, bevor er kurz vor seinem Ableben bankrott zu gehen drohte und seine letzte Heimstatt auf Erden dem Land NRW überließ.

Ein Exzentriker war er, wie aus dem Lehrbuch. Exzentriker sind recht anstrengende Zeitgenossen, aber mitunter unterhaltsam und spannend. Diejenigen von ihnen, die ihr Geld wieder in Umlauf bringen, wenn auch für sehr fragwürdige Dinge, haben jedenfalls meinen Respekt. Leben und Leben lassen, immerhin. Wer möchte, kann hier einen Bericht des WDR zum Herrn Spinat schauen. Interessant finde ich diese Sitzgelegenheit in dem Schloss, ideal für Menschen, die sich nicht (mehr) das meiste zu sagen haben:

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Mein letzter Besuch ist gut 30 Jahre her und meine Erinnerung ist recht unvollständig, bekifft, wie ich damals dort umher lief. Die Kulisse war jedenfalls dem Zustand gerecht und uns hätte damals nicht gewundert, wenn uns der Leibhaftige persönlich in dem Berg dort begegnet wäre.

Auch nüchtern ist der Ort eine Reise wert und eine Menge Bilder sind geschossen worden, die meisten Ansichten sind allerdings schon tausendfach im Netz zu finden. Hier eine kleine Auswahl vielleicht nicht ganz alltäglicher Perspektiven. So ist in der Eingangshalle der örtlichen Zahnradbahn eine ausrangierte Antriebseinheit ausgestellt, mich fasziniert der sichtbare Verschleiß an solch einem monströsen Zahnrad, nach 320 000 Kilometern:

IMG_3777Weitere Ansichten vom Schloss aus und drum herum:

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Wieder zurück in Königswinter…

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Auf dem Schiff

Seit längeren gibt es eine Einladung zu einem doppelten Geburtstag. Der Liebsten Arbeitskollegin samt ihrer Schwester wollen gemeinsam feiern, die eine nach- und die andere hinein in den heutigen Sonntag. Wir sind gemeinsam eingeladen, zum Canoo am Düsseldorfer Rheinufer. Die Liebste ist dicke mit ihrer Kollegin und weil es meist so ist, das ich ihre Freunde auch gut leiden kann, freuen wir uns gemeinsam auf den Abend.

Nach ein paar Ehrenrunden durch die Stadt, der Navi bleibt natürlich daheim – Düsseldorf ist ja sozusagen Nachbargemeinde, erreichen wir den Parkplatz direkt neben dem Schiff am Rhein. Es ist eine Motto-Party, „Bad Hair“ , aha. Die Liebste hat es leicht, dem mit ihrer Mähne gerecht zu werden und mein kaum mehr vorhandenes Hair ist so bad, das ich mir ein schönes schwarzes Tuch kunstvoll um die Rübe binde.

So ungefähr 60 Gäste sind geladen, der größte Teil Freunde und Bekannte der Schwester, die dem Vernehmen nach ein öffentliches und gut dotiertes Amt bekleidet. Fast alle sind so um die Dreißig, wir beide sind tatsächlich die ältesten in der Runde. Flüchtig bekannt ist mir nur die Kollegin, ansonsten sitzen wir erst einmal gemeinsam mit der Hand voll Menschen, die zu ihr gehören. Nettigkeiten werden ausgetauscht, ein wenig Smalltalk, und so bleibt mir reichlich Zeit, mich umzuschauen, Eindrücke zu sammeln und meine Gedanken treiben zu lassen.

Die Gesellschaft ist etwas Frauen-lastig, vielleicht zu zwei Dritteln. Einige Perücken werden zur Schau getragen und kunstvoll bearbeitetes Eigenhaar präsentiert. Eine hat ihre Haarpracht bretthart a la Leningrad Cowboys  steil nach oben toupiert, wahrscheinlich mit Hilfe von Mengen an Chemie, aber mit imposanten Ergebnis, satte 20 Zentimeter mehr Körpergröße. Meine Kamera ist zwar dabei, bleibt aber in der Tasche, ich will hier nicht nerven und es gibt auf dem engen Schiff auch keine Gelegenheit, diskret zu fotografieren. Zwischenzeitlich gehe ich ein wenig umher, suche Toilette und Buffet auf. Bei jedem Gang werde ich witziger Weise von skeptischen Bordpersonal gefragt, ob ich auch ein geladener Gast bin, was ich angesichts meines etwas aus der Art geschlagenen Outfits und Jahrgangs freundlich grinsend bestätige.

Beim Betrachten der Gesellschaft werden Erinnerungen geweckt. Mit dreißig versuchte ich mich erstmals in Familie, chaotisch, aber jedenfalls nicht Sinn-frei. Wichtige Erfahrungen blieben und mein Sohn verdankt dieser Zeit sein Dasein. Hier in der Runde ist von solcher Art Gedanken wenig zu spüren, denen gehört ganz offensichtlich nicht nur an dem heutigen Abend schlicht die Welt. In bester Düsseldorfer Manier sehen und gesehen werden, Oberfläche pur zum hämmernden Pop aus den Lautsprechern. Nur wenige fallen uns auf. Junge Eltern mit ihren kleine Kindern sowie ein, zwei eher still da sitzende Gäste.

Die Liebste stellt Vergleiche an mit gewissen Berliner Vierteln und mir wird einmal mehr bewusst, wie verschieden hier doch die Menschen sind, in Nordrhein-Westfalen, diesem Kunstgebilde der Alliierten. Düsseldorf liegt nur gut 40 Kilometer entfernt von hier und doch ist die Atmosphäre eine ganz andere. Der Schein zählt hier mehr als das Sein, verbunden mit rheinischer Offenheit. Schnelle Kontakte sind möglich, aber ebenso schnell dreht man sich um und geht weiter. Handel, wandel, und gewinne, easy come, easy go.

Was für ein Unterschied doch zu den Menschen hier im bergischen Land, das in der Namensfindung damals allenfalls als  Bindestrich zwischen Rheinland und Westfalen auftaucht. Ein eher zurückhaltender Menschenschlag mit mehr Bodenhaftung. Es dauert, bis man sich einander öffnet, einmal gewonnene Sympathien erweisen sich dann aber auch oft als dauerhaft. Beständigkeit ist die positive Seite der Bodenhaftung, eher düster der verbreitete Hang zur Grübelei hier in den Bergen.

Zeitig, jedenfalls für lokale Verhältnisse, brechen wir am frühen Morgen auf. Ein unterhaltsamer Abend war es jedenfalls und müde, wie wir sind, freuen wir uns wieder daheim zu sein, im stillen Tal der Wupper. Zum Schluss fallen mir noch ein paar berühmte Söhne Düsseldorfs ein…