Archiv der Kategorie: Literatur

Das Feld antwortet

So in der Art steht es in meiner derzeitigen Lektüre, die ich mangels Zeit immer nur Seiten-weise und dem entsprechend langsam lese. Zunächst klang das in meinen Ohren sehr esoterisch verbrämt, derweil ich als Erdenbürger mittlerweile recht fest mit meinen Füßen auf selbiger zu stehen glaube.

Wobei die Dinge tiefer gehen, als sie scheinen. Kernthema des Buches ist die Spiritualität unserer Ahnen. Hier wird auf unsere Dialoge mit Gott eingegangen, auf die (nicht nur) im Westen weit verbreitete Art, im Gebet um etwas zu bitten, was man nicht hat, was zu fehlen scheint, um die Behebung eines vermeintlichen oder tatsächlichen Mangels zu bitten. Anstelle dessen wird empfohlen, zu fühlen, wie sich die Erfüllung der Bitte anfühlt. Was in der Feststellung mündet, das unser Fühlen und Denken sich schlussendlich in unserer „Realität“ wiederspiegelt.

Kleines Beispiel gefällig? So erlebt vor zwei Tagen. Die Werkstatt. Ich schwatze mit meinem Kollegen, der gerade etwas metallisches montiert. Er dreht sich um und fegt kurz mit dem Ellenbogen das Ziel seiner Arbeit vom Tisch. Rumms, knapp neben seinen Fuß. Wir sind uns einig, dass das noch einmal gut gegangen sei, derweil schweres Gelumpse in der Regel immer genau hinter dem Bereich der Stahlkappe in den Sicherheitsschuhen landet.

Anschließend wende ich mich meinem eigenen Gewerke zu. Arbeite an einer ansehnlichen Kunststoffplatte, und, was soll ich sagen, das Teil entgleitet mir und rauscht zu Boden. Preisfrage: Wo genau wurde ich davon getroffen? Richtig, auf dem Spann meines linken Fußes, gleich hinter dem Ende der Stahlkappe.

Als mir die Luft wiederkam, habe ich erst einmal mit einem ungläubigen Staunen und dummen Grinsen im Gesicht nach oben geschaut, und IHN gefragt, was das jetzt wieder sollte. Zur Antwort gab es einen hübschen Bluterguss in zwei Zehen, einige Zeit später, der meinem linken Fuß derzeit einen etwas ungewaschenen Eindruck machen lässt. Weiter nichts. Alles blieb beweglich und mittlerweile wieder schmerzfrei. Gott sei Dank eben.

Ein Beispiel nur, aber im Kern ist darauf unsere gesamte Wirklichkeit aufgebaut. Was bleibt, ist das Gefühl, etwas Uraltes und doch für mich recht Neues gefunden zu haben.

 

Möwen

Lesen fällt mir unter der Woche schwer, derweil ich Abends oft auf der Stelle einschlafe, sobald ich liege. So kommt es, das ungelesene Bücher mittlerweile einen kleinen Stapel bilden und auf bessere Zeiten warten. Eine Ausnahme bildet ein Buch von Udo Schroeter,  Bin am Meer. Gefunden vor einiger Zeit beim adestis nebenan, dachte ich zuerst, och nee, noch so`n Selbsthilfebuch für Männer. Nach Sichtung des Inhaltes dann habe ich es mir gekauft. Zwar bin ich kein Angler, aber Gleichnisse mag ich sehr, gerade, wenn sie unser genetisches Erbe ansprechen bzw. die  Art, wie wir heute damit umgehen in unseren Alltag.

Das Buch ist voll mit kleinen und größeren Weisheiten, die sich allesamt mit dem Gleichgewicht unserer Ur-Bedürfnisse beschäftigen oder besser mit deren Ungleichgewicht in der Industrie- und Dienstleistungs-Gesellschaft. Treffend und ansprechend geschrieben findet sich wohl jeder interessierte Mann darin mehr oder weniger wieder. Ein Gleichnis ist mir im Gedächtnis hängen geblieben, weil es mich besonders berührt. Leider habe ich vergessen, wo genau es steht, aber frei zitieren wird auch gehen:

Auf meinem Lauf früh morgens am Strand sehe ich zwei Möwen vor mir, die emsig damit beschäftigt sind, den Strand nach etwas  Essbaren abzusuchen. Sie fühlen sich verständlicher Weise von mir gestört und schimpfend fliegen sie auf. Während die eine genau auf mich zufliegt und mir geradewegs in die Augen schaut, um dann irgendwo in sicheren Abstand hinter mir zu landen, fliegt die andere in meine Laufrichtung, um vermeintlich sicher vor mir zu landen. Durch meinen fortgesetzten Lauf verkürzt sich der Abstand leider immer wieder, so das sich die Unruhe für diese Möwe ständig wiederholt, während ihr Kollege weit hinter mir längst schon wieder ungestört nach Frühstück Ausschau hält.

Mit Sorgen und Ängsten verhält es sich ähnlich, denke ich. Schaue ich ihnen nicht in`s Gesicht, kommen sie mir immer wieder näher, als mir lieb ist. Auf diese Weise geht ein beträchtlicher Teil der Tages-Energie für Flucht und Abwehr verloren, die anderswo dann fehlt. Verschenkte Lebenskraft, die ich mir heute nicht mehr leisten möchte.

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Bild: Marlis Dülsen / pixelio.de

Nur ein Schuh

Abdul Halim ist ein gläubiger Mensch und besucht regelmäßig zum Freitags-Gebet die Moschee in seinem kleinen Dorf. So auch letzten Freitag, und es hätte eigentlich sein können wie jeden Freitag, wenn…, ja wenn nicht irgendjemand den linken von Abdul Halims Schuhen gestohlen hätte, die er vor dem Gebet als Paar noch draußen abgestellt hat, im vollen Vertrauen in die Ehrlichkeit seiner Mitmenschen.

Man kennt sich auf dem Lande, und auch Abdul Halim ist seinen Nachbarn gut bekannt. Nicht nur er, auch seine alte Mutter, die ihm einst seinen schönen Namen gab, der für Milde und Friedfertigkeit steht. Gleich so, als hätte sie beizeiten schon geahnt, das eben diese Attribute nicht zu den bevorzugten Stärken ihres Sohnes gehören sollten. Kaum entdeckt Abdul Halim die frevelhafte Tat, steigt eine unglaubliche Wut in ihm hoch. Nicht zur persönlichen Bereicherung, was ja noch zu verstehen gewesen wäre, nein, sondern ausschließlich ihm zum Ärger hat man ihn bestohlen, wer sonst, außer vielleicht Einbeinige, könnten mit einem Schuh etwas anfangen.

Abdul Halim baut sich vor dem Eingang der heiligen Stätte auf, wartend, bis sich auch der letzte Dorfbewohner nach dem Gebet zum Plausche dort eingefunden hat. Mit hochrotem Kopf, geschwollener Halsschlagader und der Körperhaltung eines zum Angriff bereiten Bullen brüllt er über den Platz:

Wenn jetzt gleich, spätestens in einer Viertelstunde, meine beiden Schuhe nicht genau dort stehen, wo ich sie hingestellt habe, dann könnt ihr mich erleben, wie ihr mich nie zuvor erlebt habt und ich schwöre euch bei Allah und allen Heiligen, ihr werdet mich kaum wiedererkennen!

Erschrocken stehen die Dorfbewohner zusammen, man kennt Abdul Halim und sein gefürchtetes Temperament. Niemand wiederum kennt den ruchlosen Dieb, der ihnen mit seiner lasterhaften Tat solchen Ärger einzubringen droht. So fasst man also einen Entschluss. Geld wird gesammelt und ein Abgesandter zu Abdul Halim geschickt, um eine weitere Eskalation zu verhindern.

Schnell ist Abdul Halims Schuhgröße bestimmt, der örtliche Schuster konsultiert und ein Paar passende, wunderschöne Lederschuhe besorgt. Nachdem diese offensichtlich Abdul Halims Gemüt beruhigt haben, zerstreut sich langsam die erleichterte Menge. Bis auf ein kleiner Junge, den die Neugier nicht weichen lässt. Vorsichtig nähert er sich dem nun nicht mehr ganz so furchterregenden Abdul Halim und fragt ihn schüchtern:

Onkel, sag doch, was genau hättest Du denn so furchtbares getan, hätten nicht alle für den Diebstahl eingestanden?

Abdul Halim lässt sich Zeit mit der Antwort. Nach einer Weile neigt er sich zu dem kleinen Jungen hinab und schaut ihm mit festem Blick aus seinen dunklen Augen tief in die Seele und sagt leise:

Nach Hause wäre ich gegangen, mit nur einem Schuh…

 *

 Anm.: Die Geschichte wurde mir im Kern vor langer Zeit als Teil der mündlichen arabischen Überlieferungen erzählt. Form und Ausschmückung sind meine.

 

Zum lesen

Jessy und Jim

von Arthur Brühlmeier

Ein faszinierender Roman, eine mystische Geschichte, die ursprünglich ein Kinderbuch werden sollte. Sie basiert auf der Annahme, das unsere Existenz mit dem Tode nicht erlischt, sondern das wir uns danach in einer jenseitigen Welt wiederfinden, deren Landschaften unseren Seelenzustand auf Erden entsprechen. Irdische Naturgesetze haben dort keine Gültigkeit, äußere Veränderungen gehen immer mit inneren Wandel und dem jeweiligen Erkenntnisstand Hand in Hand.

Das alles wird spannend in wechselnden Episoden erzählt, beginnend mit der Ankunft der kleinen Jessy dort, nachdem sie die Erde bei einem Autounfall früh verlassen musste. Ein dickes Buch, das mich derzeit fesselt…

Hier gibt es eine Website zu der Geschichte, auf der auch Vertriebswege verlinkt sind, seit ein paar Tagen gibt es auch das Hörbuch dazu. Ein Zitat aus dem Schlusswort des dazu gehörenden Booklets:

„Die Wahrheit kann man nicht besitzen. Man kann sie nur suchen, und wenn man glaubt, sie gefunden zu haben, entschlüpft sie einem wieder, und man muss weiter suchen, immer weiter. Es ist mit der Wahrheit fast  wie mit einem schillernden Regenbogen: Wie sehr man sich ihm auch nähern will – immer weicht er zurück. Und doch lässt er niemanden unberührt und weckt in allen Menschen die Sehnsucht, in seine wundersame Farbenpracht einzutauchen.“