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Alles auf Null

Die derzeitige Lage berührt jeden, mögen auch die Lebensbereiche verschieden sein. In meinem Umfeld erlebe ich auf der einen Seite pure existenzielle Sorgen, andererseits sehe ich Menschen, die nun wahrscheinlich zum ersten Mal in ihrem Leben die Erfahrung machen, dass es nicht reicht, Rücklagen zu bilden, weil man eines Tages feststellen muss, dass es wenig bis nichts dafür zu kaufen gibt. Hilfe im Alltag ist schwieriger zu organisieren. Soziale Kontakte. waren immer schon unbezahlbar, nun sind sie es erst recht.

Selbst erfahre ich derzeit schmerzlich den Stillstand in der Selbsthilfe. Virtuelle Medien in Form von Mail-Chats, Telefon-Meetings oder Videokonferenzen sind Alternativen, die besser als nichts sind, aber längst nicht jedem liegen, sei es mangelndes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, damit klar zu kommen, sei es nicht vorhandenes, schnelles Internet (ja, ich habe auch gestaunt, dass es so etwas noch gibt). Übrigens – wer sich gerade auf die Suche nach einem Webcam-Headset-Kit macht, erlebt tolle Auswüchse vom Raubtier-Kapitalismus, frei nach der alten Regel rar = teuer.

Wohl dem, der wenigstens noch einen alten Laptop mit entsprechendem Equipment besitzt. Was dann wiederum zu ungewohnten Überlegungen führt. Freestyliger Haus-Dress kommt nicht so richtig gut, wenn man sich die Öffentlichkeit in`s Wohnzimmer holt und selbst der so genannte Kamera-Hintergrund, also der Grad an Sauberkeit, Ordnung und die möglicherweise zu gewollten Selbstdarstellung inszenierte Ästhetik gilt es zu beachten. Ungewohnt, wenn man sonst so wie ich am Schirm sitzt, seine Gedanken in die Tasten fließen lässt und den Bereich hinter mir als Nirvana wahrnimmt. Ist hinten, geht mich nix an – von wegen…

Was mich derzeit ebenso beschäftigt, sind die so genannten Big Five, von denen ich neulich irgendwo im Netz gelesen habe. Dahinter steht das Aufschreiben von fünf Dingen, Umständen, Wünschen, Visionen, Unternehmungen, wie auch immer, die man vor seinem Tod noch realisieren möchte. Eine Übung, die nicht einmalig in Stein gehauen, sondern täglich aktualisiert werden möchte und mit Menschen des Vertrauens geteilt werden kann. Als ein Mensch, der ab und zu noch in der Vergangenheit gräbt, aber ansonsten gelernt hat, in der Gegenwart mit ihren täglichen Herausforderungen zu leben, hat mich einigermaßen überrascht, wie wenig mir zunächst dazu einfiel. Nach einer Weile kam dann doch das Eine und Andere zusammen. Einiges hängt mit meinem spirituellem Wachstum zusammen, ein Punkt jedoch passt ganz gut zum Thema oben im Eintrag.

Netzwerke – steht da auf dem Zettel. Ausgelöst einerseits durch die beobachtete Erfahrung mir nahe stehender Menschen, die plötzlich realisieren, dass es eben nicht alles für Geld zu kaufen gibt, andererseits natürlich auch der aktuellen Situation geschuldet, in der von staatlicher Seite zur Vereinzelung und Selbstisolation aufgerufen wird – was ich mit Blick auf die Gefahr von Ansteckung zum Teil nachvollziehen kann. Zum Teil meint – ich bin mir nicht sicher, ob den Verantwortlichen (die meiner Meinung nach aus eben dieser ihrer Verantwortung, unsicher, wie sie sind, teils kräftig überziehen) klar ist, dass Isolation und Einsamkeit ebenso tödlich sein können wie Viren. Netzwerke bestehen für mich persönlich derzeit überwiegend aus der geistig-seelischen Verbundenheit mit den Freundinnen und Freunden aus der Selbsthilfe, in Sachen Sucht-Erkrankung. Allerdings spanne ich den Bogen zunehmend weiter, verbunden mit der Frage. wo, wie und möglicherweise mit wem wir im Alter gerne leben möchten. Hätte nicht gedacht, dass mir das so schwer fällt, gibt es doch so vieles gegeneinander abzuwägen.

Die fortschreitende Zeit und ein zunehmendes Hungergefühl lassen mich wieder in der Gegenwart ankommen – im Jetzt und Hier. Planspiele sind nicht ohne, eh wir uns versehen, bestimmen sie die künftige Gegenwart. Mal schauen, wie sich das alles miteinander vereinbaren lässt – Leben bleibt spannend.

KONICA MINOLTA DIGITAL CAMERA

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Sail

Manchmal verfeuere ich alles, um weiter zu kommen.
Manchmal verfeuere ich, weil ich etwas verfeuern will.
Manchmal werfe ich Schatzkisten Außenbords.
Manchmal finde ich überraschend Schlüssel,
lasse dem großen Vogel die Freiheit.
Manchmal steuere ich selbst, so gut ich kann.
Manchmal vertäue ich das Steuer.

Autopilot.

 

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Angekommen?

Mir ging es öfter so, in der letzten Zeit, in den letzten Jahren. Da begegnen mir Menschen meiner Generation, also Kinder der frühen 60er des letzten Jahrhunderts. Man erkennt sich und beginnt zu plaudern. Smalltalk, immer schön an der Oberfläche bleiben. Bei manchen werde ich dieses Gefühl nicht los, welches ich nur schwer beschreiben kann. Es ist keine Ablehnung oder gar Neid, nein. Eher so eine für mich gesunde Distanz, die ich da spüre. Eine innere Gewissheit, das eine lange zurück liegende, gemeinsame Zeit so war, wie sie war und nicht wiederkommt. Wertfrei.

Meist handelt es sich bei diesen ehemaligen Weggefährten um Menschen, die man gemeinhin als „etabliert“ bezeichnet. Im Leben „angekommen“. Sichtbare Zeichen sind die typischen Merkmale einer so genannten bürgerlichen Existenz wie z.B. Wohneigentum, größere Fahrzeuge, mehr oder weniger erwachsene Kinder, beruflicher Erfolg, Vereine, Nachbarschaftspflege. Sichtbar ist bei diesen Menschen oft auch Übergewicht, so eine Art Schutzpanzer um das Innerste herum. Das allein ist es aber nicht, was dieses diffuse Gefühl des Abstands bei mir auslöst, nein. Es ist diese Art von Sattheit, von bräsigen sich-breitmachen, dem vermitteln von angekommen-sein, was mich erst einmal auf Distanz gehen lässt, wohl wissend, das Menschen manchmal sehr gute Verpackungskünstler sind, was ihre Ansichten und Gefühle angeht.

Für mich kann ich sagen, das ich auf diese Art nicht „ankommen“ möchte. Überhaupt heißt „ankommen“ für mich mehr so „hier bin ich jetzt und brauche mich nicht mehr zu bewegen“. In diesem Sinne werde ich niemals ankommen. Möchte unruhig und wach bleiben, teilhaben dürfen an dem Geschehen um mich herum. Neugierig möchte ich bleiben. Mich weiterhin berühren lassen möchte ich mich, auch, wenn das nicht immer angenehm ist, so doch zumindest lehrreich.

Unterwegs bleiben eben. Ankommen werde ich einst, wenn ich wieder zurückkehre, dorthin, wo ich hergekommen bin. Bis dahin bleibe ich lieber meine eigene Randgruppe, im Sinne von dem Liedchen weiter unten 😉

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