Archiv für den Monat: November 2013

Geduld

Wir haben ihnen früher Geschichten vorgelesen. Viele Geschichten, regelmäßig, damals, als sie noch klein waren und nicht selbst lesen konnten. Manche Geschichten immer und immer wieder, die sogenannten Lieblings-Geschichten. Wochen oder gar Monate lang. Selbst, als uns die Stories zum Halse heraus hingen, taten wir ihnen den Gefallen.

So gesehen haben wir uns einen Bonus erarbeitet. Für später. Wenn wir wieder die gleichen Geschichten erzählen, von mancher Endlos-Schleife in unseren Köpfen produziert. Nur dienen diese Geschichten dann nicht zu ihrer Unterhaltung, sondern eher zu unserer Erleichterung. Für diesen Fall der Fälle wünsche ich unseren Kindern dieselbe Geduld mit uns, die wir einst mit ihnen hatten. Das sie im ungünstigsten Fall dann wie damals irgendwann friedlich einschlafen und nicht Augen-verdrehend das Weite suchen.

~

November

Den Monat, den keiner braucht. So hörte ich dieser Tage einen Kollegen. Und doch hat er seinen Platz im Übergang der Jahreszeiten, auch, wenn mir diese Stimmung manchmal auf die Nerven geht. Verbunden mit der Aussicht, das diese triste Dunkelheit nun wieder einige Monate anhält.

Einerseits ist Rückzug angebracht, in die vier Wände. Mich daheim fühlen, warm sowie mit allem ausgestattet, was man so zum überwintern braucht. Ab und zu Freunde treffen, sofern die Zeit reicht. Wenig öffentliche Gesellschaft, die freie Zeit wird eher genutzt, sich vom mitunter kräftezehrenden Alltag zu regenerieren.

Mit der zunehmenden Stille da draußen gibt es auch andere Tage. So Tage, an denen die Luft dünner zu sein scheint. An denen ich in mir selbst ruhe, wenig nach außen gebe, scheinbar im inneren Rückzug lebe. Dennoch, oder vielleicht gerade darum erreichen mich die Stimmungen und Zustände anderer Menschen um so klarer und intensiver. Deutlich spürbare Schwingungen, die mich bewegen. Obwohl ich oft so unterwegs bin, staune ich über die Intensität mancher Wahrnehmung in diesen Tagen.

Unterwegs – ein Mittel gegen dunkle Stimmungen ist Bewegung. Der Zerstreuung wegen, aus reinem Zeitvertreib allerdings eher selten, da viel zu tun ist. Aktivitäten körperlicher Art sollten also eher zum Alltag passen und sich da gut unterbringen lassen. Ein Besuch in der Fahrrad-Werkstatt meiner Wahl und ich war stolzer Besitzer eines 20 Jahre alten, gut erhaltenen Cross-Rades für kleines Geld. Ein Zweit-Rad sozusagen, so eine echte Winter-Schlampe, der all den Dreck auf den Wegen nichts ausmacht. Minimalistisch ausgestattet, aber sportlich zu fahren, da bretthart. Nix für längere Touren, aber genau richtig für die täglichen Wege zur Arbeit und zum einkaufen.

Cross-Rad

 Vielleicht rüste ich das Ding noch mit Winter-Reifen auf, mal sehen, wie sich das im Schnee anlässt. Solange es geht, spüre ich so trotz Schweiß und Regen täglich meinen Körper, das Wetter, die Luft, die Veränderungen. Freue mich, wenn ich auf meinem Heimweg Abends die Autobahn unterquere, auf der sich die Autos im Schritt-Tempo fort bewegen. Freue mich, so dem täglichen Stau und den zahllosen Rotznasen in den öffentlichen Verkehrsmitteln zu entrinnen.

Ein Geschenk, gesund sein zu dürfen.

~

Macht & Pantomime

Freitag vor 8 Tagen. Die Liebste und ich fahren gen Köln, die armenische Gemeinde im Norden der Stadt  besuchen. Wir freuen uns auf den Abend, aus mehreren Gründen. Die Liebste, weil sie so Gelegenheit hat, sich wieder einmal in ihrer Muttersprache zu unterhalten und gemeinsam freuen wir uns auf den Gast-Auftritt von Vertretern des staatlichen armenischen Pantomime-Theaters.

Mich interessiert die Veranstaltung zum einen wegen der Art der Verständigung. Da ich nun kaum ein Wort armenisch verstehe oder spreche, bin ich auf Staaten-übergreifende Familientreffen stets stark auf Mimik und Gestik angewiesen, um halbwegs mitzubekommen, was in den Menschen vorgeht. Pantomime ist ja das Spiel mit der Überzeichnung von Mimik und Gestik, oft zusammen mit Maske und Verkleidung, es braucht dazu keine Sprache. Besser können sich Menschen verschiedener Sprachen nicht verstehen.

Faszinierend ist für mich auch das Thema der Aufführung sowie die Einfachheit unter den Voraussetzungen in dem kleinen Gemeindesaal. Es geht um die Macht, in ihren ganzen Facetten. Während der knapp halbstündigen Aufführung symbolisiert eine junge Frau die Verheißungen und Verlockungen der Macht. Ein simpler Stuhl verkörpert die Macht an sich und ein alter Mann steht für den Verführten, den Macht-Besessenen. Das Spiel folgt einer Regie, wie es im täglichen Leben so oft zu finden ist. Vielleicht bei irgendwelchen Vereins-Vorsitzenden, bei den Vorgesetzten mit ihren Weisungsbefugnissen am Arbeitsplatz bis hin zu den gewählten Vertretern der Macht und schlussendlich der praktizierenden Staatsmacht mit ihren Gewalten. Nicht zu vergessen ist auch die Machtverteilung im kleinsten Rahmen, in Beziehungen und Familien.

Es beginnt wie immer mit Verlockung, Verführung, Verheißung. Vorsichtige Annäherung an den ersehnten Zustand mit folgender Inbesitznahme der Macht-Position. Erkennen der Möglichkeiten von Macht-Ausübung und auch Macht-Missbrauch. Die Schwere der Verantwortung, die Macht mit sich bringen kann, ist zu spüren, gegen Ende wird sichtbar, das die gerufenen Geister nicht einfach wieder abzulegen sind.

Eine schöne Aufführung, hier einige Bilder, leider in minderer Qualität aufgrund der Licht-Verhältnisse, aber sie sprechen, denke ich, dennoch für sich.

IMG_4003

IMG_4014

IMG_4017

 IMG_4043

IMG_4047

IMG_4049

IMG_4052

IMG_4053

IMG_4054

IMG_4056

IMG_4057

IMG_4063

IMG_4065

IMG_4069

IMG_4070

IMG_4073

IMG_4078

IMG_4081

IMG_4087

Am Ende…

IMG_4091

~

Drachenfels

Die Liebste hat Geburtstag und wir haben Freizeit mit Sonne, also machen wir uns zeitig auf dem Weg, Richtung Königswinter, da, wo der Schnapstrinker-Rhein aufhört und der Weintrinker-Rhein beginnt. Der Drachenfels ist unser Ziel, mit Schloss Drachenfels als Highlight der Rhein-Romantik. Mein Verhältnis zu den Relikten des Adels ist durchaus zwiespältig, oft frage ich mich, ob es Not tut, Unmengen an staatlichen Geldern in den Erhalt oder gar dem Neubau solcher Zeugnisse zu geben. Das Schloss Drachenfels hingegen hat eine sehr wechselvolle Geschichte, war unter anderen lange in Privatbesitz des Herrn Paul Spinat, der hier seinen Lebenstraum verwirklichen wollte, das Schloss zumindest vorübergehend vor dem Verfall gerettet hat, bevor er kurz vor seinem Ableben bankrott zu gehen drohte und seine letzte Heimstatt auf Erden dem Land NRW überließ.

Ein Exzentriker war er, wie aus dem Lehrbuch. Exzentriker sind recht anstrengende Zeitgenossen, aber mitunter unterhaltsam und spannend. Diejenigen von ihnen, die ihr Geld wieder in Umlauf bringen, wenn auch für sehr fragwürdige Dinge, haben jedenfalls meinen Respekt. Leben und Leben lassen, immerhin. Wer möchte, kann hier einen Bericht des WDR zum Herrn Spinat schauen. Interessant finde ich diese Sitzgelegenheit in dem Schloss, ideal für Menschen, die sich nicht (mehr) das meiste zu sagen haben:

IMG_3879

Mein letzter Besuch ist gut 30 Jahre her und meine Erinnerung ist recht unvollständig, bekifft, wie ich damals dort umher lief. Die Kulisse war jedenfalls dem Zustand gerecht und uns hätte damals nicht gewundert, wenn uns der Leibhaftige persönlich in dem Berg dort begegnet wäre.

Auch nüchtern ist der Ort eine Reise wert und eine Menge Bilder sind geschossen worden, die meisten Ansichten sind allerdings schon tausendfach im Netz zu finden. Hier eine kleine Auswahl vielleicht nicht ganz alltäglicher Perspektiven. So ist in der Eingangshalle der örtlichen Zahnradbahn eine ausrangierte Antriebseinheit ausgestellt, mich fasziniert der sichtbare Verschleiß an solch einem monströsen Zahnrad, nach 320 000 Kilometern:

IMG_3777Weitere Ansichten vom Schloss aus und drum herum:

IMG_3820 IMG_3899

IMG_3858 IMG_3891

IMG_3835

IMG_3897

Wieder zurück in Königswinter…

IMG_3910

IMG_3915

~