Schlagwort-Archive: Macht

Säbelrasseln

8. Februar 2022

Die Nachrichten haben es derzeit in sich: Unser Bundeskanzler Olaf Scholz sitzt widerspruchslos neben dem amerikanischen Präsidenten, während dieser tönt, im Falle eines russischen Einmarsches in die Ukraine wäre Nord Stream 2 endgültig Geschichte.

Gut. Mal davon abgesehen, dass es sehr verschiedene Sichtweisen darüber gibt, wer hier der Aggressor ist – immerhin hat die Nato ihre Waffensysteme mittlerweile in Polen und im Baltikum stehen – was genau geschieht denn im Falle eines russischen Angriffs auf die Ukraine, von den zahllosen Menschenleben mal abgesehen? Als erstes dürften die bestehenden Gas-Piplines durch die Ukraine betriebsunfähig geschossen werden, das weiß im übrigen auch der Joe Biden. Nord Stream 2 wird nicht in Betrieb genommen, woher kommt dann eigentlich unser Gas? Richtig, Flüssiggas aus Amerika, ein Bruchteil dessen, was benötigt wird und der zum doppelten Preis. Es geht Amerika nicht um das Selbstbestimmungsrecht der Völker, es geht um handfeste Wirtschaftsinteressen.

Unser Bundeskanzler war mal Finanzminister, sollte also rechnen können, wenn es ihm schon eklatant an Selbstbewußtsein mangelt. Die Zeche bezahlen wir alle, mit explodierenden Energiepreisen und ggf. nächtlichen Gas-Sperren. Was nicht ankommt, kann nicht verfeuert werden. Zu diesem Irrsinn passt die grüne Außenministerin, die Vasallentreue über alles setzt, auch, wenn es der eigenen Wirtschaft weh tut (Originalton). Noch weiter denken? Unser innerer Friede hängt (auch) an bezahlbaren Lebensumständen. Da die Inflation derzeit schon durch die Decke geht, dürfte im Fall einer gewollten Energieverknappung noch einiges dazukommen, mit entsprechender Not für viele. Von grüner Seite wird darüber hinaus schon mal betont, die Umweltverträglichkeit der amerikanischen Fracking-Gases sei ja darüber hinaus auch wesentlich besser als die des russischen Gases, mit Blick auf die CO2-Bilanz. Sorry, aber das kann ich nicht wirklich glauben, fällt wohl unter Regierungspropaganda.

Wo ich gerade dabei bin – Gerhard Schröder. Ein Reizname, der sauer aufstößt. Auch ich habe ihm die immer noch gültige Sozialgesetzgebung nicht verziehen, die er uns beschert hat. Und auch sonst lässt sich vieles über ihn sagen: Genosse der Bosse, Absahner, seltsame Freunde (lupenreine Demokraten) und noch vieles mehr. Aber – wenn man mal davon absieht, dass der Altkanzler sich mit seinem Engagement für Gazprom ordentlich die Taschen voll stopft – er engagiert sich so auch für unser Land, für unsere Energieversorgung. Das ist de facto so.

Es gibt amerikanische und russische Einflussgebiete. Die Ukraine gehört definitiv nicht zum amerkanischen Einflussgebiet, in meinem Verständnis. Und – die Bündnistreue zur Nato sollte uns nicht davon abhalten, eigene Interessen selbstbewußt zu verfolgen. Dazu gehört auch die Tatsache, dass gute Geschäfte der beste Garant für den Frieden sind, auch wenn das derzeit nicht so wahrgenommen wird.

Gute und weniger gute Geschäfte – das amerikanische Gebaren erinnert mich an einen verwundeten Riesen, der heftig mit den Flügeln schlägt. Der Westen (uns mit eingeschlossen) hat in blinder Gier sein technisches Know-how im Zuge der „verlängerten Werkbank“ nach China ausverkauft, angefangen in den 90ern mit den alten Hochöfen bis hin zu modernster Verfahrenstechnik – und realisiert so langsam, welche Macht man China auf diese Weise übertragen hat. Zu spät – was bleibt, ist zu hoffen, dass am Ende auf allen Seiten wenigstens die Vernunft siegt, wenn schon nicht die Menschlichkeit.

*

Update 27. Februar 2022

Der Horror ist losgetreten, in Europa herrscht Krieg, noch regional begrenzt. Es gibt keine Rechtfertigung für rohe Gewalt, für einen Angriffskrieg. Wenn ich zurück blicke, auf viele Gespräche mit Menschen slawischen Ursprunges, auf die Jahre mit einem jungen, russischen Kollegen, dann wird mir zweierlei klar, zwei Umstände, die für ein gutes Miteinander, die natürlich nicht nur, aber gerade im Verhältnis zu den Menschen aus Osteuropa enorm wichtig sind:

  • Eine klare, harte Haltung mit klar definierten Grenzen – bis hierhin und nicht weiter.
  • Fairness, Offenheit und Direktheit: Verarsch mich nicht und wir kommen klar. Gegenseitig!

Das gilt für den Umgang zweier Menschen miteinander ebenso wie in einer kleinen Gemeinschaft, aber auch im Umgang der Völker miteinander. Ich habe im kleinen Maßstab die Folgen hautnah erleben müssen, wenn sich an diese einfachen Regeln nicht gehalten wird. Im Großen ist es nicht anders, der Westen, die Nato hat sich immer ein Hintertürchen in Sachen Mitgliedschaft der Ukraine offen gehalten, vom Selbstbestimmungsrecht der Völker gesprochen und doch nur die eigene Erweiterung der Macht im Blick gehabt. Ein Blick auf die Landkarte zeigt – das konnte nicht gut gehen, gerade dann, wenn ein Autokrat altert und innenpolitisch Stärke zeigen muss.

Wenn ich so schreibe, versuche ich die Ursachen zu ergründen, ich will keine Rechtfertigung darlegen oder gar Verständnis und Gutheißen kundtun. Das gibt es nicht für Kriege, für Angriffskriege. Dies ist der letzte politische Eintrag dieser Art, mich bewegt derzeit vieles, gerade auch im familiären Bereich. Was bleibt, ist vertrauen und beten – nicht nur in solchen Zeiten.

*

Update 2. März 2022

Sie mögen die Städte zerbomben, das Land besetzen, die Überlebenden unterwerfen. Eines werden sie nie besitzen: Ihre Herzen. Ohne ein Wort zu verstehen – die Gesichter sagen alles, berührt mich tief. Das Stück ist von 2016.



Macht & Pantomime

Freitag vor 8 Tagen. Die Liebste und ich fahren gen Köln, die armenische Gemeinde im Norden der Stadt  besuchen. Wir freuen uns auf den Abend, aus mehreren Gründen. Die Liebste, weil sie so Gelegenheit hat, sich wieder einmal in ihrer Muttersprache zu unterhalten und gemeinsam freuen wir uns auf den Gast-Auftritt von Vertretern des staatlichen armenischen Pantomime-Theaters.

Mich interessiert die Veranstaltung zum einen wegen der Art der Verständigung. Da ich nun kaum ein Wort armenisch verstehe oder spreche, bin ich auf Staaten-übergreifende Familientreffen stets stark auf Mimik und Gestik angewiesen, um halbwegs mitzubekommen, was in den Menschen vorgeht. Pantomime ist ja das Spiel mit der Überzeichnung von Mimik und Gestik, oft zusammen mit Maske und Verkleidung, es braucht dazu keine Sprache. Besser können sich Menschen verschiedener Sprachen nicht verstehen.

Faszinierend ist für mich auch das Thema der Aufführung sowie die Einfachheit unter den Voraussetzungen in dem kleinen Gemeindesaal. Es geht um die Macht, in ihren ganzen Facetten. Während der knapp halbstündigen Aufführung symbolisiert eine junge Frau die Verheißungen und Verlockungen der Macht. Ein simpler Stuhl verkörpert die Macht an sich und ein alter Mann steht für den Verführten, den Macht-Besessenen. Das Spiel folgt einer Regie, wie es im täglichen Leben so oft zu finden ist. Vielleicht bei irgendwelchen Vereins-Vorsitzenden, bei den Vorgesetzten mit ihren Weisungsbefugnissen am Arbeitsplatz bis hin zu den gewählten Vertretern der Macht und schlussendlich der praktizierenden Staatsmacht mit ihren Gewalten. Nicht zu vergessen ist auch die Machtverteilung im kleinsten Rahmen, in Beziehungen und Familien.

Es beginnt wie immer mit Verlockung, Verführung, Verheißung. Vorsichtige Annäherung an den ersehnten Zustand mit folgender Inbesitznahme der Macht-Position. Erkennen der Möglichkeiten von Macht-Ausübung und auch Macht-Missbrauch. Die Schwere der Verantwortung, die Macht mit sich bringen kann, ist zu spüren, gegen Ende wird sichtbar, das die gerufenen Geister nicht einfach wieder abzulegen sind.

Eine schöne Aufführung, hier einige Bilder, leider in minderer Qualität aufgrund der Licht-Verhältnisse, aber sie sprechen, denke ich, dennoch für sich.

IMG_4003

IMG_4014

IMG_4017

 IMG_4043

IMG_4047

IMG_4049

IMG_4052

IMG_4053

IMG_4054

IMG_4056

IMG_4057

IMG_4063

IMG_4065

IMG_4069

IMG_4070

IMG_4073

IMG_4078

IMG_4081

IMG_4087

Am Ende…

IMG_4091

~