Irgend etwas ist zerrissen in ihm, an diesen letzten Sonntag. Eigentlich ist alles so, wie es immer schon war. Ein Besuch bei den beiden, das übliche, Kaffee, Kuchen. Er ist es gewohnt, nicht gehört und nicht verstanden zu werden, das allein ist es nicht. Es ist einmal mehr die Rede des Alten, wahrscheinlich einmal zuviel die gleichen Worte, die gleichen Töne. Diese Wut-geladenen,gering schätzenden Worte in Richtung des Menschen an seiner Seite, der sich einst entschieden hat, bei ihm zu bleiben. Vergessen die Tränen nach schwerer Krankheit, Tränen der Angst vor Verlust, keine Tränen des Mitgefühls. Dafür wieder diese Worte.
Es ist nicht nur die Fassungslosigkeit, das so etwas möglich ist, nach über acht Jahrzehnten getaner Atemzüge. Nicht nur das Mitgefühl mit dem anderen Menschen, der die Folgen einer Entscheidung aushalten will. Es ist einmal mehr, einmal zuviel auch die Erkenntnis, das er selbst auch wie der Alte gesprochen hat, damals. Es ist die endgültige Erkenntnis, das es in diesem Leben keine Harmonie und keine offene Rede zwischen ihm und dem Alten geben wird. Ihm ist bewusst, was er dem Alten zu verdanken hat, an abgeschauter Überlebensstrategie und so manchen handwerklichen Geschick. Dankbarkeit dafür mischt sich mit Zorn, Bitterkeit und Trauer. Dann sind da noch andere Worte, die ihn in Zwiespalt stürzen. Worte aus dem dicken alten Buch, an die er glaubt. Das vierte Gebot von Zehn. Er möge sie ehren, die beiden, die ihm ungefragt das Leben gaben. Das klingt gut und richtig, doch es ist ihm unglaublich schwer, danach zu leben.
Der Riss ist da, allen Geboten zum Trotz. Er weiß, das er nicht flüchten kann. Da ist weiter niemand, der ihm die Verantwortung abnehmen könnte. Die Verantwortung, dem vierten Gebot wenigstens auf niedrigstem Niveau gerecht zu werden. Nicht einmal die Flucht vor sich selbst ist ihm möglich, das hat schon damals nicht funktioniert. Es gibt keine Wahl, er steht mitten in diesem Ring aus Feuer und muss es aushalten, das sich abzeichnende Finale der beiden Hauptdarsteller dieses Dramas, dessen Ende schon lange vorhersehbar ist, einzig noch ungewiss, wer zuletzt die Bühne verlässt.
Ich weiß, das mein Erlöser lebt (Hiob 19,25)
Worte auf dem Kalender dort an der Wand, die ihm mehr als Worte sind, gerade jetzt.