Archiv für den Monat: Juli 2015

Von Kölnern, Remscheidern und Sprichwörtern

Gestern biege ich um die letzte Ecke, auf dem Weg nach Hause, und da steht sie wieder, wie jeden Tag, die Maschine mit dem Kölner Kennzeichen. Ein Motorrad fahrender Rheinländer, der warum auch immer das ummelden vergessen hat oder der hier in den Bergen seine Liebschaft dauerbesucht.

Beim Blick auf das Kennzeichen fällt mir ein altes geflügeltes Wort ein, aus meinen Remscheider Zeiten. Remscheid ist die kleinste der drei bergischen Städte, sie liegt im Gegensatz zum Wuppertal auf einem über 300 Meter hohen Bergkegel. Eine Stadt, die mich irgendwie immer an einen Elfenbeinturm erinnert hat, man ist dort sehr für sich. Dieses Gefühl beschleicht einen schon bei der Anfahrt, von Müngsten an der Wupper kommend, wenn man die gut 200 Höhenmeter auf den Serpentinen der engen Landstraße überwindet und auf halben Weg eine Wolke durchfährt. Dieses Gefühl verstärkt sich noch im endlosen Winter-Halbjahr, wenn die Stadt dauernd im nassen Nebel liegt. Oder im Regen, der hier noch häufiger anzutreffen ist als im Tal der Wupper. Wenig Trost spenden da die frischen Winde im Frühjahr und im Herbst, die der Stadt den Beinahmen Seestadt auf dem Berge gegeben haben. Alles zusammengenommen habe ich 14 Jahre dort gewohnt, nicht ungern wohlgemerkt, nur war ich am Ende die Fahrerei leid, die diese etwas abgeschiedene Lage so mit sich brachte.

Der Kölner also erinnerte mich an meine damalige Wahl-Heimat oder besser an den Spruch, jemanden Köln sehen zu lassen, wie man dort so sagt, wenn man jemanden mal seine Grenzen aufzeigen möchte. Lange habe ich das schon nicht mehr gehört, außerhalb Remscheids schon gar nicht, so das ich gestern in`s Grübeln kam, wo solch ein Spruch wohl einst seinen Ursprung hatte. Google war auch nicht sehr auskunftfreudig, vielleicht weiß die Generation Netz ja nichts davon, was es heißt, jemanden Köln sehen zu lassen.  Einzige für mich schlüssige Erklärung wäre zum einen die Lage der Stadt, man kann auf manchen Anhöhen tatsächlich bei schönen Wetter Köln sehen, das gerade mal 40 Km entfernt liegt. Das zusammen mit dem Wunsch, sein Gegenüber damals lieber in den verschwiegenen, dunklen Remscheider Wäldern (mit Blick auf Köln eben) zu verwackeln als vor Zeugen in der Stadt klingt nach einer historischen Erklärung.

Sollte es jemand besser wissen, nur zu, liebe Bergbewohner, ich lasse mich gern belehren.

Update:

Ein Telefonat mit einem altbekannten Beinahe-Remscheider (das sind u.a. die unglücklichen Lüttringhauser, deren Vorfahren Ende der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts zwangseingemeindet wurden) brachte ein wenig Licht in die Spekulation, wenn auch keine gesicherte historische Erklärung: Jemanden Köln sehen lassen steht im günstigsten Fall für kräftige Verarsche, im weniger günstigen Fall dafür, jemanden an den Ohren hoch zu ziehen (Köln sehen? HIER!) und im ungünstigsten Fall für eine ordentliche Tracht Prügel.

Update No. 2:

Eingehendere Recherche im zugezogenen Freundeskreis brachte die Erkenntnis, das es in Sachen bessere Fernsicht (die Ohren!) durchaus lokale Varianten gibt. So spricht man im Raum der Elbe in dem Zusammenhang vom Hamburg-sehen-wollen.

Harz 2015

Vor einem Jahr gab es hier schon einmal viele Bilder aus dem Harz, auch in diesen Jahr waren wir wieder zu Gast bei den Bad Gandersheimer Domfestspielen. Nebenbei fanden wir wieder Zeit für einige Ausflüge, auch wenn die Zahl der potentiellen, näher gelegenen Ziele so langsam abnimmt.

Göttingen ist so ein Ziel, was sich lohnt, anzufahren. Eine wunderschöne Altstadt, die ihren Namen voll verdient, mit den vielen schönen alten Häusern. Angefangen bei der Jacobikirche

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Die Turmbesteigung, unsere Taschen und Rucksäcke mussten wir unten, bei einer freundlichen alten Dame lassen, die uns eindringlich zu unserer Schwindelfreiheit befragte. Mit guten Gründen…

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Die liebenswürdige Dame unten in der Kirche klärte uns nach dem Abstieg über diese alte Pickelspitze auf, die früher einmal das Kirchenschiff gekrönt haben soll. Unmittelbar nach Kriegsende übten sich alliierte Soldaten von den umliegenden Höhenzügen im Zielschießen auf dieses Ding, die Löcher sind Zeugen dieses Wettstreites.

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Oben angekommen…

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Das alte Rathaus am Markt.

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Der schwarze Bär

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Blick durch ein zerbrochenes Fenster…

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Börner Viertel.

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Bunte Vergänglichkeit.

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Häuser der Altstadt.

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Ohne Worte…

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Hildesheim ist alles in allen keine Reise wert, wenn man dort nicht gerade zu tun hat. Die Stadt hat im Krieg schwer gelitten und schaut im Zentrum aus wie alle anderen Städte, denen es ebenso ging. Lediglich die historischen Bauten rund um den Markt wurden wieder hergerichtet. Ein Highlight für uns allerdings war der Besuch des Pfannkuchenhauses in der Innenstadt. Wer dort einmal zu tun hat, sollte sich den nicht entgehen lassen.

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Das Grammophon wird auch bespielt, auf Wunsch.

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Lecker war es auch.

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Zum Schluss der Clusberg bei Bad Gandersheim mit viel Aussicht, vielen sehr alten Bäumen, sowie dem Wilhelmsturm / Clusturm mit dazu gehörenden Gedenksteinen als stumme Zeugen der Zeit um die Reichsgründung.

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Ein Beitrag, der keiner werden sollte

So geht das manchmal. Ich fange an, irgendwo zu kommentieren und merke unterwegs, das ich mich festschreibe und den üblichen Rahmen sprenge mit meinen Gedanken. So geschehen auch gerade eben beim lesen hier bei Esther.

Achtsamkeit. Tägliche Übung und immer wieder ein sich-neu-daran-erinnern. Angefangen beim Umgang mit mir selbst, dem Umgang mit meiner Sippe, mit meinen Nächsten. Achtsamkeit in der Wahl der Worte, Nicht jeden muss ich lieben, aber achten, das geht.

Achtsamkeit bei den täglichen Verrichtungen. Die Behandlung der Dinge, die uns überlassen sind. Kleine Rituale, z.B. bevor ich den Zündschlüssel vom Auto umdrehe, mein Tagewerk beginne oder mich in`s Einkauf-Gewühl stürze. Nicht zuviel zeitgleich tun, langsamer werden. Zentrierter. Bewusster. Öfter mal innehalten.

Liest sich toll und ist es auch 😉 Solange ich dabei akzeptiere, das ich immer ein Mensch bleibe und somit niemals perfekt bin. Es gibt Tage, da fällt es leicht, solcher Art zu leben und es gibt andere. So Tage, an denen Nerven im Wind flattern und ich nicht nur fluchen könnte wie ein Bierkutscher, sondern das auch lautstark heraus lasse. Tage mit zuviel Schärfe in der Stimme, wie überwürztes Essen. Dann muss anschließend mal gut gelüftet werden und ich darf mich erinnern, was ich beizeiten vergessen habe.

Achtsamkeit eben.

Kinder ihrer Zeit

Dieser Tage war bei den Bad Gandersheimer Domfestspielen Premiere von Jesus Christ Superstar und wir hatten das Glück, daran teilhaben zu dürfen. Neben dem Genuss der vielen tollen schauspielerischen Leistungen auf der Bühne in sengender Hitze kamen mir Erinnerungen an die Zeit der Uraufführung 1971.

Wir waren damals noch keine 10 Jahre alt und hörten die „Großen“ auf den Schulhöfen und Straßen singen, Armee-Brotbeutel-behangen, die stolz den Titel des Stückes via dicken Filzstift trugen. Sie, die „Großen“, nannte man später die „68er“, also vielfach die Kinder der aktiven Generation des „dritten Reiches“, Kinder also von Tätern, Opfern, Mitläufern, die in hilfloser Wut erleben mussten, wie stark die junge Bundesrepublik in (Innen-)Politik, Verwaltung und Jura von den scheinbar Blitz-gewandelten Schergen des Faschismus geprägt wurde. Kinder, die auf ihre Weise mit diesen Zorn umgingen, laut feiernd so ziemlich alles auf den Kopf stellten, was den Alten heilig war und das so genannte „Establishment“, das „System“ verkörperte. Kinder, die mit den Jahren mehrheitlich ihre Ideale vergaßen und schneller „etabliert“ waren, als sie je befürchteten. Kinder, denen heute, anno 2015 vielfach die Gnade zuteil wird, zeitig in den wohlverdienten Ruhestand gehen zu dürfen.

Selbst bin ich sicherlich kein typischer Vertreter der so genannten „Generation x“, also die letzten geburtenstarken Jahrgänge bis hin zu den Anfang der 70er Geborenen. Dennoch war mein Verhalten damals so untypisch nicht, mit meinen Versuchen, die 68er rechts überholen zu wollen in Sachen F(f)este feiern. Mir und meinesgleichen ging es allerdings nicht um irgendwelche Revolutionen, sondern eher um den großen Rausch, um`s breit sein, um Rock`n Roll sowie alle Arten von weiteren Ausschweifungen. Uns war zeitig klar, das wir keine Gnade erfahren können, das wir die erste Generation sind, die ganz ohne Krieg lernen darf, was es heißt, sich reduzieren zu müssen. Nicht alle sind Gott sei Dank am Stoff hängen geblieben, aber alle, die nicht zeitig bremsen konnten, haben ihren Preis bezahlt. Wobei „zeitig“ durchaus dehnbar ist, siehe meine eigene Geschichte.

Zu meiner Geschichte zählt eben auch mein Glaube, zu dem ich allmählich gefunden habe in meinen trockenen Jahren, um dem Kreis wieder zu schließen. Darum stehe ich auch ein wenig zwiegespalten vor solchen Aufführungen wie Jesus Christ Superstar. Nicht, das ich meine religiösen Gefühle verletzt sehe oder dergleichen. Ein wenig fühlte ich mich auch an einen Gospel-Gottesdienst erinnert, der ja auch unserer zelebrierten Ernsthaftigkeit diametral gegenüber steht. Auf der einen Seite meine Erfahrung mit den Plänen Gottes, die mit unseren eigenen oft genug nicht viel zu tun haben. Die gewaltige Konsequenz, die er uns zukommen lassen kann für unser handeln oder unterlassen.  Andererseits ist das Leben ernst genug und Jesus war nicht nur Gottes Sohn, sondern eben auch der Menschen Sohn, was dem Ganzen seinen Schrecken nimmt.

Da ich trotz aller Mühe immer noch kein Heiliger geworden bin, erlaube ich mir am Ende noch einen kleinen Seitenhieb auf die 68er, sorry, liebe Gemeinde 😉

Viva la Revolution – war am Ende auch nur Opium…