Archiv für den Monat: Februar 2022

Pari

Gleichstand. Heute vor 22 Jahren trank ich zum letzten Mal Alkohol. Das entspricht annähernd der Zeitspanne, in der ich konsumiert habe, wenn ich den Beginn auf dem 16ten Lebensjahr lege, von einigen vorherigen einzelnen Gelagen mal abgesehen.

Wir unterscheiden bei den anonymen Alkoholikern zwischen Trinkpausen, Trockenheit und Nüchternheit. Trinkpause ist selbsterklärend, Trockenheit bezeichnet dauerhafte Abstinenz, Nüchternheit meint Trockenheit plus tiefgreifenden inneren Wandel, Friede mit der Vergangenheit, Vertrauen auf Gott, Skepsis dem eigenen Ego, den eigenen Emotionen gegenüber, beides Bereiche, die laut Pfarrer Kappes krank sein können und bei süchtigen Menschen auch sind – im Gegensatz zu unserer unsterblichen Seele, unser Selbst, wie Kappes sagt.

Wo stehe ich? Ich bin auf dem Weg, der zu werden, der ich Gottes Willen nach gedacht bin. Was den eigenen Willen nicht ausschließt, wer möchte schon „willenlos“ sein? Für mich ist es existenziell wichtig, Gottes Willen als den eben größeren anzusehen. Immer wieder um tägliche Führung bitten, mich führen zu lassen. Das gleicht einer abenteuerlichen Reise, mal Angst-besetzt, da wo das Vertrauen (noch) nicht reicht, mal zuversichtlich, meist aber als spannend empfunden. Langweilig wurde mir in den vergangenen 22 Jahren jedenfalls noch nie 😉 Wie wichtig Vertrauen ist, zeigen gerade diese Zeiten immer wieder neu. Richtung und Weg stimmen, wofür ich dankbar bin.

*

Säbelrasseln

8. Februar 2022

Die Nachrichten haben es derzeit in sich: Unser Bundeskanzler Olaf Scholz sitzt widerspruchslos neben dem amerikanischen Präsidenten, während dieser tönt, im Falle eines russischen Einmarsches in die Ukraine wäre Nord Stream 2 endgültig Geschichte.

Gut. Mal davon abgesehen, dass es sehr verschiedene Sichtweisen darüber gibt, wer hier der Aggressor ist – immerhin hat die Nato ihre Waffensysteme mittlerweile in Polen und im Baltikum stehen – was genau geschieht denn im Falle eines russischen Angriffs auf die Ukraine, von den zahllosen Menschenleben mal abgesehen? Als erstes dürften die bestehenden Gas-Piplines durch die Ukraine betriebsunfähig geschossen werden, das weiß im übrigen auch der Joe Biden. Nord Stream 2 wird nicht in Betrieb genommen, woher kommt dann eigentlich unser Gas? Richtig, Flüssiggas aus Amerika, ein Bruchteil dessen, was benötigt wird und der zum doppelten Preis. Es geht Amerika nicht um das Selbstbestimmungsrecht der Völker, es geht um handfeste Wirtschaftsinteressen.

Unser Bundeskanzler war mal Finanzminister, sollte also rechnen können, wenn es ihm schon eklatant an Selbstbewußtsein mangelt. Die Zeche bezahlen wir alle, mit explodierenden Energiepreisen und ggf. nächtlichen Gas-Sperren. Was nicht ankommt, kann nicht verfeuert werden. Zu diesem Irrsinn passt die grüne Außenministerin, die Vasallentreue über alles setzt, auch, wenn es der eigenen Wirtschaft weh tut (Originalton). Noch weiter denken? Unser innerer Friede hängt (auch) an bezahlbaren Lebensumständen. Da die Inflation derzeit schon durch die Decke geht, dürfte im Fall einer gewollten Energieverknappung noch einiges dazukommen, mit entsprechender Not für viele. Von grüner Seite wird darüber hinaus schon mal betont, die Umweltverträglichkeit der amerikanischen Fracking-Gases sei ja darüber hinaus auch wesentlich besser als die des russischen Gases, mit Blick auf die CO2-Bilanz. Sorry, aber das kann ich nicht wirklich glauben, fällt wohl unter Regierungspropaganda.

Wo ich gerade dabei bin – Gerhard Schröder. Ein Reizname, der sauer aufstößt. Auch ich habe ihm die immer noch gültige Sozialgesetzgebung nicht verziehen, die er uns beschert hat. Und auch sonst lässt sich vieles über ihn sagen: Genosse der Bosse, Absahner, seltsame Freunde (lupenreine Demokraten) und noch vieles mehr. Aber – wenn man mal davon absieht, dass der Altkanzler sich mit seinem Engagement für Gazprom ordentlich die Taschen voll stopft – er engagiert sich so auch für unser Land, für unsere Energieversorgung. Das ist de facto so.

Es gibt amerikanische und russische Einflussgebiete. Die Ukraine gehört definitiv nicht zum amerkanischen Einflussgebiet, in meinem Verständnis. Und – die Bündnistreue zur Nato sollte uns nicht davon abhalten, eigene Interessen selbstbewußt zu verfolgen. Dazu gehört auch die Tatsache, dass gute Geschäfte der beste Garant für den Frieden sind, auch wenn das derzeit nicht so wahrgenommen wird.

Gute und weniger gute Geschäfte – das amerikanische Gebaren erinnert mich an einen verwundeten Riesen, der heftig mit den Flügeln schlägt. Der Westen (uns mit eingeschlossen) hat in blinder Gier sein technisches Know-how im Zuge der „verlängerten Werkbank“ nach China ausverkauft, angefangen in den 90ern mit den alten Hochöfen bis hin zu modernster Verfahrenstechnik – und realisiert so langsam, welche Macht man China auf diese Weise übertragen hat. Zu spät – was bleibt, ist zu hoffen, dass am Ende auf allen Seiten wenigstens die Vernunft siegt, wenn schon nicht die Menschlichkeit.

*

Update 27. Februar 2022

Der Horror ist losgetreten, in Europa herrscht Krieg, noch regional begrenzt. Es gibt keine Rechtfertigung für rohe Gewalt, für einen Angriffskrieg. Wenn ich zurück blicke, auf viele Gespräche mit Menschen slawischen Ursprunges, auf die Jahre mit einem jungen, russischen Kollegen, dann wird mir zweierlei klar, zwei Umstände, die für ein gutes Miteinander, die natürlich nicht nur, aber gerade im Verhältnis zu den Menschen aus Osteuropa enorm wichtig sind:

  • Eine klare, harte Haltung mit klar definierten Grenzen – bis hierhin und nicht weiter.
  • Fairness, Offenheit und Direktheit: Verarsch mich nicht und wir kommen klar. Gegenseitig!

Das gilt für den Umgang zweier Menschen miteinander ebenso wie in einer kleinen Gemeinschaft, aber auch im Umgang der Völker miteinander. Ich habe im kleinen Maßstab die Folgen hautnah erleben müssen, wenn sich an diese einfachen Regeln nicht gehalten wird. Im Großen ist es nicht anders, der Westen, die Nato hat sich immer ein Hintertürchen in Sachen Mitgliedschaft der Ukraine offen gehalten, vom Selbstbestimmungsrecht der Völker gesprochen und doch nur die eigene Erweiterung der Macht im Blick gehabt. Ein Blick auf die Landkarte zeigt – das konnte nicht gut gehen, gerade dann, wenn ein Autokrat altert und innenpolitisch Stärke zeigen muss.

Wenn ich so schreibe, versuche ich die Ursachen zu ergründen, ich will keine Rechtfertigung darlegen oder gar Verständnis und Gutheißen kundtun. Das gibt es nicht für Kriege, für Angriffskriege. Dies ist der letzte politische Eintrag dieser Art, mich bewegt derzeit vieles, gerade auch im familiären Bereich. Was bleibt, ist vertrauen und beten – nicht nur in solchen Zeiten.

*

Update 2. März 2022

Sie mögen die Städte zerbomben, das Land besetzen, die Überlebenden unterwerfen. Eines werden sie nie besitzen: Ihre Herzen. Ohne ein Wort zu verstehen – die Gesichter sagen alles, berührt mich tief. Das Stück ist von 2016.