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Ein zerlegtes Gedicht

Das neue Jahr ist 10 Tage jung, Vorsätze hatte und habe ich keine. Was nicht daran hindert, so etwas wie eine Inventur zu machen. Macht man sonst bekanntlich eher am Jahresende, aber da war ich gerade zu sehr beschäftigt, um Worte dafür zu finden, wo ich gerade so stehe. Als Orientierung im Leben dienen mir immer noch und immer wieder die 10 Gebote obenan sowie die 12 Schritte der anonymen Alkoholiker – die unter anderen besagen, Inventur sei dann zu machen, wenn sie von Nöten ist, wenn es sein muss, auch täglich. Kann nebenbei bemerkt auch für Menschen ohne Suchterkrankung von Vorteil sein. Für eine Art geführte Innenschau gehen mir die Zeilen eines meiner Lieblings-Gedichte seit einiger Zeit durch den Kopf. Hat der selige Joseph vielleicht nicht so vorgesehen, aber gram wäre er mir sicher nicht, denke ich. Na dann.

Lass dich fallen.
In Gottes Hand gerne, im menschlichen Miteinander nur bei entsprechenden Vertrauensverhältnis, das eher selten ist, in meinem Leben.

Lerne Schnecken zu beobachten.
Mache ich gelegentlich, Schnecken sind faszinierende Tierchen. Klar werden die nicht von jedem gemocht, als Gärtner würde ich sie sicher anders sehen. Als gelegentlicher Beobachter dagegen staune ich, beim betrachten. Langsamkeit pur, aber ankommen tuen sie, wo auch immer. Diejenigen unter ihnen, welche ihr Heim mit sich umher tragen, sprechen zum einen die rein praktische Seite in mir an, als Kind eines ehemaligen, begeisterten Campers. Andererseits steht diese stets parate Heimstatt auch für Geborgenheit, allerorten.

Pflanze unmögliche Gärten.
Mangels grünem Daumen überlasse ich das gerne der Liebsten, die es Jahr für Jahr schafft, unsere graue, das Straße zugewandte Loggia mittels geschickt bepflanzter und positionierter Blumenpötte in einen heimeligen Ort zu verwandeln

Lade jemand Gefährlichen zum Tee ein.
Das verstehe ich als Gleichnis, welches den Umgang mit Menschen in eher gehobenen Positionen betrifft, oder besser solchen Positionen, die gesellschaftlich als „gehoben“ angesehen werden. Menschen mit Macht und Einfluss also, keine potentiellen Betrüger oder Gewaltverbrecher. Wobei selbst solche Gott sei Dank selten im Leben aufmerksame Gegenwart erfordern können. Dem Kontakt mit erstgenannten dagegen weiche ich nicht aus, sofern der Umgang von gegenseitigen Respekt getragen ist. Da kann Mensch auch schon mal im übertragenen Sinne miteinander Tee trinken, was in der Praxis meist kurze Plauderei bedeuten kann. Achtsame Plauderei wohlgemerkt, getragen von Respekt und nicht von Opportunismus.

Mache kleine Zeichen, die “Ja” sagen
und verteile sie überall in deinem Haus.
Die gibt es, in Form von Bildern, Figuren und Dingen, denen man ihre Bedeutung nicht auf Anhieb ansieht.

Werde ein Freund von Freiheit und Unsicherheit.
Für mich ein eher ambivalentes Thema, widerspricht diese Freundschaft doch meinem ausgeprägten Sicherheitsbedürfnis. Andererseits ist das Leben eben genau so, dass so eine Freundschaft einen Sinn macht. Auch mit aller Umsicht kann Mensch sich schneller als geglaubt in privaten und/oder wirtschaftlichen Untiefen befinden. Da hat es mir stets gut getan, solche Turbulenzen auch als Reset zu betrachten, im Sinne von Freiheit, neu wählen zu dürfen.

Freue dich auf Träume.
Kommt sehr auf die Art der Träume an.

Weine bei Kinofilmen.
Oh ja, das kann ich, daheim beim streamen, aber auch im Kino, die hoffentlich überleben und irgendwann wieder öffnen werden.

Schaukel so hoch du kannst mit einer Schaukel bei Mondlicht.
Unbeschwertheit: Lasse ich eher selten zu. Noch.

Pflege verschiedene Stimmungen.
Das gelingt mir gut. Würde ich sie nicht pflegen, hätte ich es nicht nur mit meinen verschiedenen Stimmungen zu tun, sondern auch noch mit meiner Abneigung dagegen. Was im Umkehrschluss nicht bedeutet, dass ich jeden Wolf in mir füttere.

Verweigere “verantwortlich” zu sein. Tu es aus Liebe.
Da möchte ich hin, dass ist eines meiner klar definierten Ziele für die Zeit nach meiner Berufstätigkeit, die natürlich auch mit einer Menge Verantwortung zu tun hat. Verantwortung aber auch für Menschen, die sich nicht (mehr) selbst helfen können. Liebe? Gibt es in diesem Zusammenhang, ist (für mich) aber keine Grundvoraussetzung für verantwortliches Handeln. Verantwortung beschreibt auch den Umgang mit den mir leihweise überlassenen Dingen. Ein weites Feld also, für mich.

Mach viele Nickerchen.
Sehr gerne!

Gib Geld weiter. Tu es jetzt. Das Geld wird folgen.
Der Umgang mit Materie: Bedingt Klugheit und Verantwortung. Wer nichts halten kann, findet sich schnell in bitterer Armut wieder. Wer alles halten will, hat gute Chancen, einen frühen Herztod zu erleiden, getrieben von Gier und Geiz. Es gibt sie durchaus, die gesunde Mitte, welche das eigene Wohl ebenso wie das der Nächsten im Visier hat.

Glaube an Zauberei.
Ja! Nicht im esoterischen Sinne, eher im Sinne von glücklichen, göttlichen Fügungen.

Lache viel.
Geht so. Wenn, dann auch gerne unanständig laut.

Bade im Mondlicht.
Bei jeder Gelegenheit, die allerdings selten sind.

Träume wilde, phantasievolle Träume.
Davon gibt es reichlich.

Zeichne auf die Wände.
Eher nicht. Noch nicht.

Lies jeden Tag.
Ja!

Stell dir vor, du wärst verzaubert.
Das ist definitiv so 🙂

Kichere mit Kindern.
Sehr gerne, falls in meiner Nähe.

Höre alten Leuten zu.
Ebenfalls sehr gerne, sofern da mehr kommt als stetes kreisen um die eigenen Gebrechen.

Öffne dich, tauche ein, sei frei.
Kann ich, im Sinne von mitfühlen ohne mit zu leiden.

Segne dich selbst.
Als ich diese Aufforderung zum ersten Mal las, dachte ich, das ist doch anmaßend, darf ich das? Ich darf das, weiß ich heute. Mich selbst segnen hat nichts mit Anmaßung zu tun, sondern beschreibt einen liebevollen Umgang mit mir selbst.

Lass die Angst fallen.
Tägliche Übung.

Spiele mit allem.
Eher selten, aber ich arbeite daran. Katzen sind dabei ausgesprochen hilfreich.

Unterhalte das Kind in dir.
Wir haben Frieden miteinander. Meistens. Unterhaltung bekommt es auch, das Kind. Nicht zuletzt beim schreiben 🙂

Du bist unschuldig.
Worte, die ich kürzlich noch jemanden geschrieben habe. Schuld ist ein Konstrukt, welches Vorsatz voraussetzt, glaube ich. Jeder Mensch ist Teil von zahllosen Verwicklungen, und auch in meinem Leben gibt es Episoden, in denen mein Tun und Lassen weit reichende Folgen für andere hatte, aus Bedürftigkeit, aber auch aus Unreife. Bin ich schuldig? Es war nicht wieder besseren Wissens. Ich lerne, mir selbst zu vergeben, von außen gibt es keine Absolution.

Baue eine Burg aus Decken.
Vorzugsweise des Nachts. sollten sich hier mal Kinder finden, gerne auch am Tag. Obwohl die Katzen auch Deckenburgen lieben…

Werde nass.
Wenn es sein muss.

Umarme Bäume.
Selten, als Stadt-Mensch. Kommt aber vor.

Schreibe Liebesbriefe.
Nee … ich lebe sie, zeitweise.

~

Käufliche Weisheit

Das erlebe ich häufiger – Menschen, die ich aus den sozialen Netzwerken wie Facebook oder WordPress.com her kenne, fangen an, sich zu vermarkten. So weit, so gut, jedem das seine, denke ich. Mal kann jemand richtig gut zeichnen oder malen, mal schreibt wer sein erstes Buch und hat Erfolg damit. Da freue ich mich für die Betreffenden, die ich teils schon langjährig begleiten durfte, deren Geschichte ich ein wenig kenne.

Dagegen bin ich skeptisch, wenn aus mir persönlich unbekannten Menschen, mit denen ein oberflächlicher und eigentlich unverdächtiger Austausch bestand, plötzlich Coaches oder Seminarleiter werden. Von denen trenne ich mich dann in der Regel auch schnell. Andere dürfen länger bleiben, trotz Skepsis. Menschen, die ich manchmal auch persönlich kenne, die ich teilweise in tiefer Verzweiflung erlebt habe. Da geschehen offensichtlich wundersame Wandlungen, wenn ich plötzlich nur noch hoffnungsfrohe, gut gelaunte und Energie-geladene Bilder sehe. Diese sind in der Regel eingerahmt von einem jubelnden, begeisterten Hofstaat, gerne weiblichen Geschlechts.

Hmm, denkt es in mir – woher kommt dieses Gefühl in meinem Bauch, beim betrachten dessen, was da vor sich geht? Dann frage ich mich, ob ich vielleicht neidisch bin, dass ich meine Weisheiten nicht gebührend zu versilbern vermag? Das ist es nicht, spüre ich. Weil ich im Grunde etwas ganz anderes suche. Meine Seelenverwandten sind all jene Menschen, die sich irgendwann einmal aufgemacht haben, aus Krisen und Leid heraus für sich entschieden haben, ein besseres Leben zu leben, mit allen Schwierigkeiten, die man auf dem Weg so findet. Menschen, die schon lange auf diesem Weg sind oder sich gerade erst aufgemacht haben. Menschen, denen sich z.B. nach schweren Erkrankungen an Körper, Geist, Seele oder auch nach völlig destruktiven, gelebten Beziehungsmustern die Chance auf ein neues Leben auftut.

Irgendwo im Hinterkopf ist dabei auch der Gedanke, dass wahre Weisheit nicht verkauft, sondern selbstlos geteilt werden sollte. Das sich Geld und Altruismus nicht wirklich vertragen. Das es einen Grund gegeben haben mag, dass einst die Händler aus dem Tempel geworfen wurden. Und – abschließend glaube ich, das all das, was ich gelernt zu haben glaube, möglicherweise viel zu unvollständig ist, um es zu „verkaufen“. Ebenso bin ich überzeugt, dass meine Weisheiten nicht unbedingt allgemeingültig sind und für manch einen total ungeeignet sein mögen.

All jenen, die das anders halten, wünsche ich gutes Gelingen. Trotz Skepsis.

PS:
Eine kleine Erinnerung – vor einiger Zeit las ich bei Facebook einen Thread rund um das Thema Geld, den Umgang mit Materie allgemein sowie mit der damit verbundenen Verantwortung. Der Titel war eine Frage: Kannst Du gut mit Geld umgehen? Dort gab es einen Herrn, der sich sehr vernünftig äußerte, das klang schon glaubwürdig. Der bot dann irgendwann einen Gesprächskreis zu eben jenen Thema an. Neugierig, wie ich nunmal sein kann, fragte ich, ob benannte Erkenntnisse denn dort verkauft werden sollten. Nach einem kleinen verschämten Schweigen kam ein etwas verhaltenes JA, von mir beantwortet mit einem dicken Smily und der Anmerkung, er könne wirklich gut mit Geld umgehen.

Respekt 🙂

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