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Ein nie stattgefundener Dialog

Hallo, wie gehts, lange nicht gesehen. Fett wie eh und je, braun gebrannt, Urlaub zu Ende?

Tja, leider. Auch die schönste Kreuzfahrt hat irgendwann ein Ende…

Kreuzfahrt, schon klar. Schön auf so einer Dreckschleuder, fremde Länder von weiten angucken, möglichst ohne zuviel Wirklichkeit in Form von Elend. Mit `nem Drink in der Hand plaudern an Deck mit deinesgleichen, immer schön an der Oberfläche, und dann noch ein gutes Gewissen haben, weil du ja Devisen in`s Land gebracht hast und du mit deiner Prasserei den armen Eingeborenen doch ein wenig Arbeit gibst. Hab`nix anderes von dir vermutet.

Oh, der Gutmensch spricht, wie schön! Ich jedenfalls gedenke zu leben und zwar ausgiebig, die Zeit ist begrenzt. Der Herr mit seinen inneren Werten, dein alter Pauker hat schon recht, aus dir wird überhaupt rein gar nichts, deine Moral kann`ste nicht fressen, von deinem Umherphilosophieren mit deinen dreimalklugen Freunden wir`ste auch nicht satt und irgendwann steh`ste vor dem dicken Ende und reißt wütend ganze Seiten aus der Bibel, weil du vergessen hast, zu leben. Komm`mir nicht mit so `nem Scheiß!

Definiere Leben! Möglichst wenig tun, alles mitnehmen, jeden noch so kleinen Vorteil nicht nur nutzen, sondern ausnutzen, keiner Auseinandersetzung aus dem Wege gehen, wenn`s auch nur im Ansatz gewinnbringend zu sein scheint oder wenn es darum geht, die Reste deines guten Rufes zu verteidigen, nur bei der Aussicht auf entsprechenden Ertrag, versteht sich. Wie fett willst du eigentlich noch werden, wie viel Schutzpanzer um dein Innerstes braucht es noch, wie kalt muss dir tief innen sein, dass du nicht aufhören kannst, dich vollzustopfen, mit Materie aller Art, du personifiziertes schwarzes Loch!

Sorry, dass ich lachen muss, aber dein Gehabe erheitert mich. DU verurteilst mich?? Och komm`, du würdest dich nie so ereifern, würde dich meine Art zu leben nicht irgendwie berühren. Ich zeige dir, was du dir so alles versagst, du verachtest mich, der ich doch nur dein dunkles und trübes Spiegelbild darstelle. Du tust mir bitter Unrecht! Schaue auf dich, der du dich nach Kräften tagtäglich prostituierst, mit deiner selbst gekrönten Wahrhaftigkeit, mit deiner zur Schau gestellten Askese. Komm` mal runter, hast den Drecksack in dir doch nur eingesperrt, meinst`e nicht, dass der auch mal gelegentlich an die frische Luft will?

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Und so stehen sich die beiden gegenüber, im wahrsten Wortsinne. An guten Tagen können sie sich gegenseitig lassen, wie sie sind. Insgeheim ahnt der eine die Wahrheit im anderen und wären sie beide nicht Freunde einer kräftigen und blumenreichen Sprache, könnten sie sich möglicherweise etwas besser verstehen …