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Es war einmal …

…vor langer, langer Zeit:
Der junge König und das Loch des Grauens.

Einem jungen König, genannt Christophorus, war von seinem Vater, Alfonso dem Gerechten, ein kleines Königreich angetragen worden. Der Jüngling, der sich eigentlich lieber auf Schnee vergnügte, als sich mit den Niederungen eines wie auch immer gearteten Regierungsgeschäftes zu beschäftigen, sah leider keine andere Möglichkeit, in den Besitz der Kronjuwelen zu kommen, und so saß er nun auf seinem Throne, zu Übellaunigkeit und in Kenntnis seiner Defizite zu großen Misstrauen neigend. Zu allem Überfluss hatte ihm sein Vater, des Sohnes Neigungen und Unerfahrenheit im Blick, einen erfahrenen Truchsess zur Seite gestellt, der heilsam auf die Erträge des kleinen Reiches wirken sollte. Einen Beinamen wie sein zwar gefürchteter, aber hoch geschätzter Vater hatte Christophorus keinen, nicht, weil es ihm an entsprechenden Charaktereigenschaften mangelte, sondern eher, weil diese so vielfältig und vor allem unberechenbar waren, dass das Volk sich nicht wirklich auf einen passenden Beinamen einigen konnte, und ach, auch das scharfe Schwert war gefürchtet. Im Köpfe-rollen-lassen war Christophorus in der Tat routiniert und nahezu begeistert bei der Sache.

Eines Tages nun kamen Kaufleute ins Land und machten dem jungen König die Investition in eine moderne Apparatur gewaltigen Ausmaßes schmackhaft, die den Ertrag seiner Hofschmiede um ein Vielfaches steigern sollte. Sein Hofstaat sprach ihm gut zu und begeistert schlug der junge Herrscher ein. Schon am nächsten Tage saßen alle Sachkundigen mit ihm zu Rate, wie zu tun sei, mit solch einer Apparatur ungekannten Ausmaßes. Das Dach der Schmiede musste geöffnet werden, um das segensreiche Ding an seinem Platz zu bekommen und – eine große Grube sollte gegraben werden, viele Klafter lang, breit und tief, um einen sicheren Stand des Gewerkes zu gewährleisten. Ab nun wurde eifrig auf teurem Pergament ein Grundriss gezeichnet, ein umstrittenes Werk, waren die Räumlichkeiten doch ein wenig begrenzt. Ein treuer Knappe mahnte mehrfach zur Korrektur, vorausahnend, wie das Ganze ausgehen könnte, aber leider war des Königs Auffassungsgabe ebenso begrenzt wie die Ausmaße der Liegenschaften und so wurde der treue Knappe mit einem scharfen Verweis auf das nicht minder scharfe Schwert endgültig zum Schweigen gebracht.

Gesagt, geplant und frischauf begonnen – die Zwerge, ihres Zeichens Fachleute in allen Arten des Grabens, wurden bestellt, mit dem so sorgfältig wie unrichtig gemalten Pergament vertraut gemacht und nun machten sie sich ans Werk, dass es ein reine Freude war, ihnen zuzuschauen. Nach einigen Tagen schweißtreibender Arbeit war nun der große Tag gekommen. Das Dach der Hofschmiede wurde geöffnet, ein riesiger Kran ließ ganz langsam die teure Apparatur hinab, und ach – war die tiefe Grube doch tatsächlich einige Klafter versetzt zum Gemäuer, so dass die teure Apparatur erst einmal wieder außenbords geschafft werden musste.

Nun gab es ein großes und vor allem lautes Gezeter, der junge König war außer sich und beschuldigte die seiner Meinung nach dümmlichen Zwerge, das Pergament nicht richtig gedeutet und nach Gutdünken die heiligen Hallen aufgerissen zu haben. Der Vormann der Zwerge, ein gewisser Paul, war verständlicherweise zutiefst in seiner Ehre gekränkt, empört, ja geradezu völlig außer sich. Es war gar furchteinflößend anzuschauen, wie nun besagter Paul mit geschwollenem Kamm, hervortretenden Schlagadern und hochrotem Kopf in seinem rotweiß kariertem Gewande auf den jungen König los stürmte, bereit, seine Berufsehre mit einigen ebenso gezielten wie wohlverdienten Ordnungsschellen zu verteidigen. Im buchstäblich allerletzten Augenblicke ergriff ihn der König der Zwerge, ob des zu erwartenden Zwistes schon mal vorsorglich mit angereist, am Kragen des karierten Rockes, der geräuschvoll riss, aber Gott sei Dank Stand hielt und so den tapferen Paul, tobend an des Zwergenkönigs Hand zappelnd, vor großen Ungemach bewahrte.

Der Rest der Geschichte ist schnell berichtet. Irgendwie einigte man sich gütlich, und das alte Gemäuer bekam so eine Art Alkoven, an einen Wintergarten erinnernd, damit das Hinterteil der gewaltigen Apparatur ausreichend Platz finden sollte. Paul trug fortan sein ramponiertes Gewand mit hoch erhobenen Haupte und die niederen Zwerge nannten ihn ab nun stolz Paul, den Beinahe-Königsmörder.

All dies ist lange, lange her, der alte König ist längst tot, der junge König veräußerte nach dem Ableben seines Vater flugs das ganze Reich gewinnbringend an fremde, anonyme Herren, um sich endlich wieder dem Schnee und den schönen Künsten zu widmen, sich verdientermaßen des Lebens zu erfreuen. Selbst die teure Apparatur fand einen neuen Besitzer, die Grube wurde dem Erdboden gleich gemacht – einzig der Wintergarten und sicher auch Pauls Gewand erinnern noch einige langjährige Schergen zu deren gelegentlicher Belustigung an die alten Zeiten.

Und wenn sie nicht gestorben sind, erzählen sie noch von früher …

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