Oh, die Ehre!

Wenn ich mit dem Rad unterwegs bin, habe ich es recht komfortabel, was die Unterbringung des Rades angeht. Da gibt es ein altes Ladenlokal, welches ich mit nutzen darf, zu ebener Erde. Wobei eben hier im Tal der Wupper relativ ist, aber eine schiefe Ebene ist eben auch eine Ebene. Da der Berg hier vor der Türe in etwa 15% Steigung hat, muss das Rad, steht es einmal draußen, gesichert werden, damit es sich nicht selbstständig machen kann. Der bordeigene Seitenständer ist da wenig hilfreich, also nutze ich dafür ein Fallrohr der Dachrinne nebenan, was bei einer gewissen Schrägstellung des Rades recht gute Dienste leistet. Leider steht das Rad dann ein wenig quer zum sowieso schmalen Fußweg, was gelegentlich für Unmut bei den Passanten sorgt, die natürlich gerade in den paar Sekunden da lang müssen.

Manchmal sorgt dieser kleine Moment aber auch für interessante Begegnungen mit den Nachbarn. So geschehen dieser Tage in besonderer Weise. Wieder steht mein Rad dort leicht versetzt zur Häuserwand, kommt eine kleine, bunte Frau des Weges, auf dem Arm einen Karton mit frischen Einkäufen. So`ne typische Bergbewohnerin hier eben. Ich nicke ihr freundlich zu und wundere mich, dass sie grinsend stehen bleibt.

Dachte erst, du wärst der Frank, meint sie. Aber dann denke ich, der Frank würde niemals so lahm den Berg hoch fahren. Da habe ich mir gedacht, ich schaue mal, wie alt der Fahrer ist, der hier so hoch kriecht.. So tönt es, fein gewürzt mit einem frechen Grinsen im Gesicht.

Was für eine freche Pute, denkt es in mir leicht empört, während ich meinen Schlauchschal vom Gesicht pelle und mich zu erkennen gebe. Wie spricht die eigentlich mit mir, dem Bruder von Eddy Merckx. Der leider momentan ein wenig aus der Form ist, derweil der neulich erworbene Bobby-Car des Morgens sehr verlockend scheint, gerade um diese Jahreszeit bei Schneeregen und ähnlichen Unbillen. So grinse ich frech zurück und meine, dass es vor, sagen wir mal 20 Jahren durchaus ein wenig schneller gegangen wäre und dass ich jedenfalls noch hier hoch fahre und mein Zeug nicht tragen muss, mit einem süffisanten Blick auf das Gelumpe in ihrem Pappkarton.

Jaja, meint sie,immer noch grinsend, sie würde ja nun auch bald 50 und wäre schon lange nicht mehr hier hoch gefahren. Dann schweig doch lieber still, Weib, oder bedenke wenigstens deiner Worte, grollt das immer noch leicht angepisste Ego weiter hinten im Kopf, während wir uns lachend einen guten Tag wünschen.

Wird so langsam Zeit für das kommende Frühjahr, glaube ich. Um wieder in Form zu kommen, nicht für alle freche Puten dieser Welt, mehr so für mich…und für mein Ego.

2015-10-03 08.45.14aaa

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15 Gedanken zu „Oh, die Ehre!

  1. Bisou

    Ach du Landsmann im Geiste, ist dir denn wirklich entgangen, dass „unsere“ Tour Siege schon 46 Jahre zurückliegen?
    … und auch für einen kleinen Bruder ist es da noch super Leistung überhaupt auf dem Rad zu sitzen.

    Die kleine, fröhliche Bunte, sie wollte nicht an dein Ego kratzen, ganz im Gegenteil, hatte sie doch jetzt den halben Berg darüber nachgedacht wie sie mit dem Merckx Junior ins Gespräch kommen könnte… ok, anflirten gelingt nicht immer 🙂

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    1. Reiner

      Stimmt, is`schon `ne Weile her, aber die Regale stehen voller Zeugen vergangener Heldentaten 😉 Die kleine Bunte – war ja nicht böse, eben nur frech. Was durchaus Eindruck schafft, bei mir 🙂

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  2. Anhora

    Eine herrlich süffisant erzählte Geschichte! 🙂
    Ich fahre übrigens täglich mit dem Fahrrad zur Arbeit, ca. 20 Minuten pro Weg, nur leichte Anstiege. Und das … reicht völlig. Mir jedenfalls. 😉

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    1. Reiner

      Danke 🙂

      Selbst habe ich auch nur 7 Km, das geht dito flott.
      Je nach Arbeitszeit fahre ich mit dem Rad, im Sommerhalbjahr mehr, nun eher weniger 😉

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      1. Aloisia Eibel

        Gefällt mir. Ich fahre oft mit dem Rad in die Stadt, ca. 10 km. Neulich fragte mich eine Bekannte:“Aber heute bist Du nicht mit dem Rad gefahren,“ „doch“ sage ich, sie:“nein das kann ich mir nicht vorstellen“, ich:“Du hast völlig recht, die wahren Grenzen sind im Kopf und wenn man sich etwas nicht vorstellen kann, tut man es auch nicht“. Tja so ists.
        Frechsein und anflirten ist jedenfalls lustig!

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