Wahrheit ?

Sie ist in aller Munde, und ein jeder beansprucht sie für sich. Oder günstigstenfalls für seine Glaubensgemeinschaft, die nicht unbedingt religiösen Charakter haben muss. Sie wird gerne in Teile ihrer Selbst zerlegt und Portionsweise in eines anderen Wahrheit eingebunden, aus dem Kontext gerissen, wie man das nennt. Oft wird sie geschickt umgangen, um interessierten Kreisen dienlich zu sein. Diese schaffen gerne so genannte alternative Wahrheiten, verkünden ihre solcher Art frisch kreierte Wahrheit für die Absolute, die der anderen für systemische Lüge. Jeder auf seine Weise. Das „System“ bedankt sich seinerseits mit irreführenden Wortgeklingel. Verschwörungs-Theoretiker werden die Schöpfer der jeweils anderen Wahrheit genannt. Oder auch Alu-Hut-Träger. Irreführend deshalb, weil so mancher Verschwörungs-Theoretiker in Wahrheit (also meine…) ein Verschwörungs-Praktiker ist, dessen Agitation ganz konkrete Auswirkungen auf die Politik, auf das gesellschaftliche Klima hat. Die Alu-Hüte? Klingt karnevalistisch und würdigt die wirkliche Gefühlslage ihrer Träger herab, die mit lustig-sein oder mit Abenteuer a la Raumschiff Orion nicht wirklich viel zu tun hat. In den oft geschlossenen Räumen, in denen sie sich gerne bewegen, sind sie unter sich, schauen gefüllt mit Unsicherheit , Angst sowie mit daraus resultierenden Hass auf die Welt da draußen, von der sie glauben, sie wolle ihre Hirne manipulieren, kontrollieren, knechten. Ihnen ist in ihrer Welt mit Argumenten nicht beizukommen, jeder Versuch gleicht dem Schachspiel mit einer Taube: Ganz gleich, wie gut du spielst, das Tier latscht quer über das Brett, wirft dabei alle Figuren um, kackt mitten hinein und stolziert von dannen, als hätte es die Partie gewonnen.

Nun denn. Wenn ich von meiner „Wahrheit“ schreibe oder rede, dann bin ich mir bewusst, immer nur einen Teil dessen für mich präsent zu haben, der oft genug auch sehr subjektiv eingefärbt ist, also eher meine Meinung darstellt, nicht die Wahrheit, schon gar nicht die absolute, die eh `nur unser Schöpfer kennt. Sicher bin ich mir meiner Meinung, meiner Wahrheit also nicht, und eines möchte ich schon überhaupt nicht: Irgend jemanden von dem überzeugen, missionieren oder sonst wie manipulieren, der die Welt mit anderen Augen sieht, sehen möchte.

Beispiele gibt es zur Genüge, ein kurzer Blick auf das Tagesgeschehen reicht völlig. Der Bau einer fast fertigen Gasleitung soll gestoppt werden, weil der Handelspartner auf der anderen Seite seinen Oppositionellen nach dem Leben trachtet oder zumindest weg schaut, wenn einflussreiche Kräfte dies anstreben. Die Wahrheit ist in diesen Ländern denen vorbehalten, die ein schnelles Pferd haben. Moralisch verwerflich? Ja sicher. Du sollst nicht töten. Punkt. Was diejenigen (außerhalb der Politik), die sich darüber verständlicher Weise empören, außer Acht lassen, ist , wir sind eine Export-orientierte Handelsnation, die sich auch sonst moralische Empörung nicht wirklich leisten kann, mit aller Herren Länder gute Geschäfte macht, in denen Menschenrechte nicht unbedingt gesetzlich verankert sind, geschweigen denn respektiert werden. Wo es politisch opportun erscheint, wird sich dagegen laut öffentlich empört, das nenne ich Pharisäertum. Wäre es ernst gemeint, dürfte mit dem Rest der Welt keinen Handel mehr betrieben werden, mal nicht davon zu reden, das auch hierzulande mit Sicherheit Verbesserungsbedarf in Sachen Menschenrechte besteht, wenn auch auf vergleichsweise hohem Niveau. Und – mal so ganz pragmatisch in Richtung derer, die meinen, fossile Brennstoffe hätten sowieso ausgedient – auch ich heize im Winter wie viele Millionen anderer Haushalte mit Gas, zu dem es derzeit keine wirkliche Alternative gibt. Es wird eine geben müssen, das ist sicher, so wie es früher oder später zu allen fossilen Brennstoffen eine Alternative geben muss, wegen dem unseligen Einfluss auf unser Wetter, auf unsere Umwelt, unsere Natur und aus Gründen der Verfügbarkeit. Nur sehr wenige haben derzeit die Mittel und die Möglichkeiten, in Energie-Bilanz-technischen Null-Summen-Häusern zu leben.

Wo ich gerade dabei bin – Emissions-freie Fortbewegungsmittel finde ich hervorragend. Gibt es leider nicht, sie sind eine Illusion, die sich daraus nährt, weil eben nichts sicht- und riechbares „hinten heraus“ kommt. Alles hat seinen Preis, den unser Planet bezahlen muss, die Umweltbilanzen der Herstellungsprozesse lassen grüßen. In dem Kontext kann ich nicht verstehen, mit welcher Vehemenz elektrische Antriebe auch politisch forciert werden. Ganz so, als hätte ein jeder neben dem Mitteln für einen „Stromer“ auch noch gleich einen Carport samt Ladestation neben dem mit Erd- oder Solarenergie beheiztem Eigenheim. Und jetzt bitte nicht missverstehen, ich finde es absolut begrüßens- und förderwert, auf diese Weise leben zu wollen. Leider ist dies nur einer kleinen, gut verdienenden Avantgarde möglich, nicht der breiten Masse, die irgendwo zur Miete wohnt, eine schnöde Gastherme nutzen muss und ihr Auto irgendwo, wo gerade Platz ist, abstellen muss. In 99 % aller Fälle gerade nicht in Reichweite einer Ladestation. Und weil ich nicht nur meckern möchte – es gibt auch gute Ansätze, die zwar noch wie der Wasserstoff mit großen technischen Herausforderungen versehen sind,aber mit Blick auf ihre schnöde Praxis-Tauglichkeit um Längen besser abschneiden als die derzeit so gelobten Stromer, die sowieso im halbwegs bezahlbaren Segment nur für den Stadtverkehr taugen. Ja sicher, verreisen kann man auch mit den Öffentlichen, so sie denn günstig erreichbar und auch mal pünktlich sind. Will ich aber nicht, in Zeiten von komischen Viren und reichlich Menschen, die eben diese beharrlich ignorieren (Achtung, da leiste auch ich mir meine persönliche Wahrheit/Meinung…). So wie andere wiederum den Rest der Menschheit am liebsten an die Kette von umfänglichsten Regelwerken legen möchte, als würde sich dadurch ihre Einsichtsfähigkeit verbessern. Vom meinem ganz persönlichen Hang als Höhlenbewohner, meinen gefühlten halben Hausrat mitschleppen zu müssen, will ich erst gar nicht anfangen.

Bevor ich jetzt restlos vom Thema abweiche – Hybride finde ich Klasse, also jene Fahrzeuge, die sowohl über einen Strom- als auch einen Verbrennungsantrieb verfügen. Es gibt durchaus schon bezahlbare Varianten, die sich bei umsichtiger Fahrweise für gerade mal 4 Liter Treibstoff-Verbrauch bewegen lassen. Entweder als klassische Selbstlader, oder auch mit Steckdose, zum Strom „tanken“. Meine Sympathie haben in dem Zusammenhang auch günstige Kleinstwagen, die sich mit kaum mehr Energie betreiben lassen. Der verfügbare Platz hat sicher seine Grenzen, aber wer jemals erfolgreich Tetris gespielt hat, weiß sich auch hier zu helfen.

Zum Ende hin noch einmal – jeder hat das Recht auf seine Meinung, seine „Wahrheit“, so wie das, was dafür gehalten wird. Ich auch. Wer mit mir darüber meinetwegen emotionsgeladen, – aber immer höflich – diskutieren möchte, nur zu 😉

*

 

17 Gedanken zu „Wahrheit ?

  1. Aloisia Eibel

    Danke lieber Wassertiger für die differenzierte Darstellung der Wahrheit. Ich finde es immer sehr befreiend, wenn ich mit Menschen zusammen bin, die meine Meinung anhören, auch wenn sie nicht ihrer entspricht. Wenn sie zuhören und Antworten finden, die ich verstehe. Gott sei Dank kenne ich solche Menschen auch.
    Emissionsfreie Fortbewegungsmittel gibt es nicht? Mit Verlaub, hier irrt der vielbelesene Wassertiger. Benutzt er doch selbst häufig ein solches: das Fahrrad.
    Mit guten Wünschen nach Wuppertal, die Gärtnerin mit dem gruenen Daumen

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    1. Grinsekatz Beitragsautor

      Danke für die Korrektur, liebe Aloisia. Das Fahrrad habe ich total unterschlagen, hat es doch im Nahverkehr mehr und mehr Bedeutung.

      Liebe Grüße auch dir!

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  2. bonanzamargot

    da ich heute schon eine menge über darüber diskutiert habe, bin ich nun etwas „wahrheitsmüde“. aber wenn ich wieder etwas frischer dem thema gegenüberstehe, sage ich gern das ein oder andere zu deinem beitrag.

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    1. Grinsekatz Beitragsautor

      „Wahrheitsmüde“ – sehr schön 😉 Das sind viele Menschen, glaube ich. Anders als du, die sind so müde, die differenzieren schon gar nicht mehr. gar nicht erst. Wenne wieder wach bist, freue ich mich 🙂

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  3. bonanzamargot

    auch wenn man bei vielen themen (weil sie unseren verstand übersteigen) nicht sagen kann, was wahr oder was nicht wahr ist, so heißt das nicht, dass man auf die wahrheit getrost scheißen kann.
    das mit der wahrheit fängt schon im kleinen an: also im alltag, in gesprächen, in der werbung, in der liebe, ganz allgemein im zwischenmenschlichen…
    ich halte die wahrheitsliebe für sehr wichtig im leben der menschen. es geht dabei nicht um glauben. es geht um die wahrheit, die in einem jeden ist. ich weiß in jedem moment, ob ich die wahrheit sage oder lüge. und ich fühle mich allgemein besser, wenn ich die wahrheit sage. ich mag mein gewissen nicht mit zu viel lügen belasten. und ich will auch nicht angelogen werden. auch gefälligkeitslügen haben ihre grenzen…
    wenn ich nun in unser gesellschaftswesen blicke, muss ich leider feststellen, dass unwahrheiten, betrug und lüge seit vielen jahren hochsaison haben: in der wirtschaft, in der politik haben wir uns gar so sehr dran gewöhnt, dass wir uns seeeeeehr wunderten, falls da mal nicht gelogen würde: huch! das kann doch nicht sein! wie hinterhältig ist denn das, dass politiker und wirtschaftsbosse plötzlich mit der wahrheit herausrücken?! ganz unmöglich! die verarschen uns!
    ich halte unsere welt für zutiefst verlogen, und ich will mich von diesem lügen-virus nicht anstecken lassen…, denn eine grundlegende wahrheit will ich nicht aus den augen verlieren: ehrlich zu mir und meinem gedanken stehen, meinem gewissen vertrauen, meine mitmenschen nicht hinters licht führen… das ist die wahrheit, um die es mir geht für eine friedlichere, gerechtere und menschlichere welt.

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  4. YDu

    …die Übereinstimmung einer Aussage mit der Sache, über die sie gemacht wird; Richtigkeit…
    Die Sache mit der Wahrheit ist nicht einfach,
    hängt sie doch ab von unserer Wahrnehmung,
    dem Geist, der sie verarbeitet und „ausspuckt“ dann!
    Was für mich ist moderat, ist für andere ein kaltes Bad,
    ich es erfrischend und anregend es empfind‘,
    der Andere schüttelt sich, die Angst gewinnt!
    Was sieht er, was ich nicht seh‘
    ähnlich ist es mit dem kalten Kaffee!
    Die Wahrheit hängt auch noch davon ab, wie weit ich seh,
    wie weit mein Auge reicht, wie weit ich tatsächlich geh‘,
    auf der Suche nach der Wahrheit, die wir vermutlich niemals finden,
    daher verwenden wir Teile davon,
    um sie passende in das Geschehen einzubinden!

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  5. Vertrauensbasis

    Lieber Wassertiger,
    es ist schon lange Zeit her.

    Die Wahrheit, das ist ein schwieriges Thema. Gibt es überhaupt eine objektive Wahrheit? Wie viel Aufwand muss jemand betreiben, um zu einem speziellen Thema (besonders politischer Natur) die „ganze“ Wahrheit zu erfahren? Ich glaube, heutzutage irgendwie zuviel. Oder es wurde „uns“ früher leichter gemacht, weil es keine Vernetzung gab? Kein Internet?

    Aber wie auch immer. 🙂

    Dieser Kommentar soll eigentlich nur ein lieber Gruß sein! 🙂
    (PS: Tut mir leid, dass ich dafür die Kommentar-Funktion deines Blogs „missbrauche“. 😉 )

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    1. Grinsekatz Beitragsautor

      Liebe Vertrauensbasis, ich freue mich, von dir zu lesen!

      Du hast wahrscheinlich recht, uns wurde es damals leicht gemacht, mit der sehr überschaubaren Zahl an Informationsquellen, die uns zur Verfügung stand. Es ist komplexer geworden und sehr viele Menschen sind verführbar, leider. Selbst beobachte ich die Welt und halte mich, sofern es mich nicht selbst berührt, von ihr fern. Nicht jedes Stöckchen will übersprungen werden. Wen ich in steter Ablehnung und Hass versinken sehe, den lasse ich früher oder später ziehen, abhängig davon, wie nahe mir der/die Betreffende steht. Ferne hüte ich mich vor steter Empörung und vertraue auf meinem Schöpfer, so gut ich kann.

      Sei herzlich gegrüßt, hat mich gefreut!

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