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Nikolaustag 2020

Der Wassertiger führt in letzter Zeit ein Schatten-Dasein, wird also Zeit, ihn wieder mal zu füttern. Die Wupperpostille, nebenan bei WordPress.com, nimmt viel Zeit in Anspruch, was einerseits viel Freude macht, aber diese eher private Nische hier ein wenig zu kurz kommen lässt. Sei`s drum. Heute bin ich wieder mal hier.

Was bewegt mich? Klar, das, was die meisten so umtreibt, in diesen Tagen. Ein kleiner Virus, der sich im doppelten Wortsinne atemberaubend schnell unter uns Menschen verbreitet. Selbst in meinem beruflichen Umfeld ist er mittlerweile angekommen, was mich ausgesprochen vorsichtig macht, im Umgang mit meinen Eltern. Um mich sorge ich mich dabei weniger, zähle zwar altersmäßig auch schon zur so genannten Risikogruppe, aber ich vertraue auf mein Immunsystem und den Willen meines Schöpfers, in Verbindung mit den üblichen Vorsichtsmaßnahmen.

Ich las es in der letzten Zeit schon öfter – auch anderen scheint es ähnlich wie mir zu gehen. Das Virus und seine Eigenschaften ist eines, der Umgang von uns Menschen damit gleicht nicht nur für mich einer spannenden Studie. So eine erdumspannende Seuche bringt aus den Einen das Beste hervor, während sich bei den Anderen nur dürftig verdeckte Abgründe auftun. Die Phase der ersten Erschütterung habe ich mittlerweile hinter mir gelassen, es trennt sich nun eben die Spreu vom Weizen. Die Einen sammeln sich, um dieser Herausforderung gemeinsam Herr zu werden und die anderen scharen sich um ihresgleichen, um möglichst alles wie immer schon so weiterlaufen zu lassen – keine Theorie und Demagogie ist ihnen zu kraus, die dabei helfen könnte. Alles nichts Neues, wie ein Blick in die Geschichte zeigt.

Und ich? Isolation ist für mich zunächst einmal nichts Neues. Als Kind war es freilich schlimm, eine ewige Außenseiter-Rolle zu haben. Später habe ich das zelebriert und gepflegt, mein vermeintliches anders-sein. Psycho nannten sie mich, mir war es recht. Hatte ich sie eben nicht alle, ab einem bestimmten Grad adelt selbst das, dachte ich. Das ging damals mit meiner Suchterkrankung einher, mit den dazu passenden Begleitumständen, Auftritten und „Nebenkosten“.

Lange her, das alles. Heute bin ich recht gerne allein, kann mich meistens selbst gut ausstehen. Seit einiger Zeit darf ich sogar allein arbeiten, nachdem mein berufliches Umfeld Anfang des Jahres arg reduziert wurde und ich das Glück hatte, bleiben zu dürfen. Jeder Tag ist heute gefüllt von Dankbarkeit, nunmehr befreit von Neid, Missgunst, Boshaftigkeit und Intrigen arbeiten zu dürfen. Keine Selbstverständlichkeit, wie sich gezeigt hat. Für mich wäre das so genannte Home-Office eine Auszeichnung, allein bin ich am kreativsten, muss ich dann doch auf keinerlei Befindlichkeiten meiner Mitmenschen Rücksicht nehmen. Das schließt Teamfähigkeit nicht aus, so nutze ich alle mir zur Verfügung stehenden Kanäle der neuen Zeit, um mit den anderen zusammenzuarbeiten. Leider ist das daheim-arbeiten in meinem Fall unrealistisch, da mein tägliches Werkzeug dank nicht unerheblicher Masse ein wenig immobil ist. Was den heute schon anachronistischen Luxus mit sich bringt, am Ende des Tages (hier mal ausnahmsweise nicht als Phrase gemeint) noch etwas in den Händen halten zu dürfen, was bis dahin nur als virtueller Datensatz sicht- und begreifbar war.

Geblieben ist weiter eine nur schwer zu beschreibende Sehnsucht nach Gemeinschaft, getragen von einem Gefühl der Zugehörigkeit. Im engeren Sinne bin ich reich beschenkt worden, was mein direktes familiäres Umfeld angeht. So bin ich heute tief dankbar für den Menschen an meiner Seite, mit dem ich meine tägliche Fristverlängerung teile, so gut ich kann. Dankbar auch für ein anderes Geschenk in Form meines großen Kindes, der seinen Weg als nunmehr junger Erwachsener recht zielstrebig geht. Dankbar auch für den mir möglichen Umgang mit meinen Eltern … alles keine Selbstverständlichkeiten, für mich.

Ziehe ich die Kreise weiter, sehe ich meine geistige Verwandtschaft. Menschen, die sich wie ich selbst auch als Erdenbürger, meinetwegen Kosmopoliten, begreifen. Menschen, deren Horizont über das Taschen-füllen um jeden Preis hinaus geht. Menschen, mit denen mich neben Humanität auch Glaube verbindet, dessen offizielle Titel mir übrigens sehr wurscht sind. Ich fühle mich mit jeden Menschen verbunden, der erkannt hat, dass es mehr gibt als sein eigenes Ego, in welcher Form auch immer. Solange es  dem gemeinsamen Auskommen und Wachstum dient. Was die Sehnsucht angeht, sie gehört offensichtlich zu mir. Und weil ich sie umarmen kann, hat sie ihren Schrecken verloren. Passend dazu habe ich das Liedchen weiter untern gefunden oder es mich, wie auch immer. Beschreibt es doch in seiner Übersetzung gut das alte „Fass ohne Boden“, das ich einst war, verbunden mit dem, was mich heute ausmacht. Viel Freude beim hören – und schön laut machen.

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