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Auf gute Zusammenarbeit

Inspiriert vom und zu Ehren von dem 1988 verstorbenen evangelischen Jugendpfarrer, Quäker, religiösen Sozialisten, Übersetzer und adoptiertes Ehrenmitglied der anonymen Alkoholiker –
Heinz Kappes

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Du weißt wahrscheinlich sehr wenig von mir, darum möchte ich mich dir kurz vorstellen: Gestatten, ich bin deine Seele. Und ja, ich höre dich schon stöhnen, nicht schon wieder so ein esoterisches Erklärungsmodell. Keine Angst, ich fasse mich kurz.

Ich bin der Teil in dir, der unsterblich und unzerstörbar ist. Dein göttliches ICH BIN, das durch die Existenzen wandert, um zu lernen, um einst im Licht bleiben zu dürfen. Mein Name führt oft zu Verwechselungen und Irrtümern; so sprechen die Menschen von seelischen Erkrankungen, aber das stimmt nicht. Ich kann nicht krank werden, das können nur dein Körper, deine Gefühle, dein Geist und vor allem dein Ego. Im Gegenteil, wenn du den Zugang zu mir findest, kann ich dir helfen, wieder umfassend zu genesen.

Wie das, fragst du? Und wo ich mich denn versteckt halte? Gute Frage, man hat mich schon oft gesucht, mal wurde behauptet ich wöge genau 21 Gramm, andere vermuten mich in deinem Unterbauch, wieder andere in deinem Gehirn und die Lyriker behaupten gar, ich wohne in deinem Herzen. Das schmeichelt, trifft es aber nicht.

ICH BIN – um in deiner Sprache zu bleiben – am ehesten Energie. Eine Art Energie, die dein ganzes Wesen durchwirkt und doch oft regelrecht belagert wird. Kein Teil deines Mensch-seins ist von der Natur her mein Feind, alles hat seinen Platz in meinen Inkarnationen. Leider wird gerne einzelnen Bereichen unmäßig viel Raum zugestanden oder genau das Gegenteil, viel zu wenig davon. Vernachlässigst du deinen Körper durch zuwenig Bewegung und falsche Kost oder betreibst du Körperkult mit Betonung auf dein Äußeres? Zwingst du deinen Geist (wird auch gern mit mir verwechselt) täglich zu Höchstleistungen und wunderst dich dann über körperliche Spannungserscheinungen?

Das größte Hemmnis auf dem Weg zu mir ist jedoch gerade der Teil, den du zum überleben am vermeintlich nötigsten brauchst – dein irdischens „ich bin“, dein Ego. Dein so hoch geschätzter „freier Wille“, ohne den du vor einem offenen Kühlschrank verhungern würdest. Das war einst der eigentliche evolutionäre Sinn deines Egos, dein Überleben zu sichern. Von anmaßenden Aufblähen war nie die Rede.

Der Weg zu mir – du findest mich in der Stille, im Alleinsein, in der Ruhe, wenn dein Körper, dein Geist, deine Emotionen und dein Ego ein wenig zurücktreten. Wenn du mit dem Rest deiner frei drehenden Gedanken allein bist, wenn du durch deine körperlichen Beschwerden hindurch gegangen bist, wenn du mit deiner ruhigen Atmung allein bist. Dann kannst du mich fühlen und ich kann meine eigentliche Arbeit machen, dich führen, auf deinem Weg. Dir helfen, deine Verletzungen anzunehmen, dich stärker machen, im göttlichen Sinne.

Ich kann dir helfen, der Mensch zu werden, zu dem du gedacht bist. Ich kann dir helfen, zum Vertrauen zu finden, auch und gerade in unruhigen Zeiten. Da mein Wesen nicht irdisch ist, kann ich dir Zugang zu göttlicher Führung verschaffen.

Ich bin bei dir – immer – auf gute Zusammenarbeit!

(c) Grinsekatz Ölberg

Ursprünglich erschienen hier auf der Wupperpostille

Brücken und Zugehörigkeit

Eine Brücke ist ein Konstrukt, das zwei Orte miteinander verbindet, die ansonsten zueinander nicht oder nur mit großen Umwegen und Hindernissen erreichbar wären. Der Verstand kann eine solche Brücke sein, wenn er nicht zu sehr andersweitig in seiner Rolle als Werkzeug im Alltag beschäftigt ist. Oder – was noch hinderlicher ist, wenn er seinem Träger einzureden versucht, er sei sein Verstand. Kommt so selten nicht vor, vor allem bei übermäßigen Gebrauch macht er sich gerne wichtiger, als er ist und wirkt so wie eine Windmaschine für das Ego, welches sich in der Folge künstlich aufbläht.

Wenn der Verstand also von seinem Alltagsaufgaben temporär befreit ist, dann darf er manchmal eine Brücke sein. Eine direkte Verbindung zwischen der Seele seines Trägers und der Außenwelt, im Idealfall. Oft genug drängeln sich andere vor, jede Art von Emotionen und natürlich das Ego. Geht auch in Ordnung, solange der Verstandesträger verinnerlicht hat, er ist nicht seine Emotionen und schon gar nicht sein Ego.

Worte gehen beim schreiben über diese Brücke, formen Sätze, Geschichten und können das Innere des Schreibers wohldosiert in die Welt tragen.

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Manchmal staune ich, was mir für kleine Episoden im Gedächtnis haften geblieben sind. Momente, die sich kurz nach der magischen Erinnerungsgrenze von drei Jahren zugetragen haben müssen. So dieser Moment damals, an der Hand meiner Mutter. Ich hatte mitbekommen, dass die Menschen einander grüßen, wenn sie sich begegnen. Was ich noch nicht verstanden hatte, die meisten jedenfalls kennen sich irgendwie, irgendwoher. Und so dachte ich, es müsse so sein und grüßte fröhlich jeden, der des Weges kam, wurde tatsächlich von den meisten auch zurück gegrüßt. Bis eines Tages meine Mutter ihrem vermeintlich verhaltensauffälligen Kind zu verstehen gab, es sei nun genug, mit der Grüßerei. Fremde Leute und so, die grüßt man nicht, zumindest nicht in der Stadt. Im Wald schien das anders zu sein, hier grüßte jeder freundlich jeden. Sehr seltsam jedenfalls für einen Dreijährigen, der ab nun nicht mehr drauflos grüßte, aber die Welt nicht so recht verstand. Es schien Unterschiede zwischen den Menschen zu geben…

Mittlerweile sind ein paar Jahre mehr ins Land gezogen und das mit dem grüßen ist eine Sache der Tagesform, des Bekanntheitsgrades und der Begegnungshäufigkeit. Sieht man weniger seinesgleichen, wird eher schon mal gegrüßt. Soweit, so gut. Die Zeit der großen Entfremdung von der Welt ist auch schon lange her, auch wenn sich dieses alte Gefühl ab und zu noch breitmachen möchte. So ist der Schreiber zwar viel und oft mit sich allein oder auf seine arg fragmentierte Rest- Kern- Rumpf-Familie reduziert, was nicht ungewöhnlich ist, gerade beim älter-werden. Geblieben ist ein starkes Interesse an Gemeinschaften aller Art, vorzugsweise menschlicher Natur, aber auch religiös oder politisch, die natürlich das menschliche nicht ausschließen dürfen. Ich lese öfter von anderen Lebensformen, gerne auch aus der so genannten queeren Kommunity, die auch ein Regel-basiertes Miteinander pflegt, nur eben anders. Vereinsmeiereien dagegen erwecken erst mal Argwohn, scheinen sie doch oft vom eigentlichen Zweck abweichend schiere Ego-Pflegewerke zu sein. Magie dagegen scheinen Gemeinschaften zu besitzen, die ein gutes Maß Selbstlosigkeit pflegen und in denen ein jeder nach Kräften für seinen Nächsten einsteht.

Tja. Was macht Mensch nun mit der uralten Sehnsucht nach Zugehörigkeit? Er fühlt sich als Kosmopolit, einerseits, und andererseits als Teil des Großen und Ganzen, heute, verbunden mit der Hoffnung auf näheren Anschluss im nunmehr fortgeschrittenen Lebensalter. Das wiederum bedingt ein gutes Maß Teilnahme an der Welt, was dem Höhlenbewohner nicht immer leicht fällt. Zeit ist auch so ein Ding – und – entschieden werden sollte sich auch beizeiten, das macht der Verstand so schwer, mit seiner ewigen Abwägerei. Und hier schließt sich der Kreis in diesem Eintrag, weil – Chef ist er nicht, der Verstand.

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