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So Typen

Mit den rebloggen, also dem wieder aufwärmen eigener oder fremder Inhalte habe ich es nicht so, aber manche Geschichten gefallen mir persönlich zu gut, um sie sang- und klanglos verschwinden zu lassen. Hier also eine kleine Zusammenfassung, zum Teil gerettet aus dem untergehenden blog.de, der Ende des Jahres schließt und meinen alten Blog inmediasres.blog.de in`s große Nichts mitnimmt.

Schreib`doch mal über die Firma…so hörte ich öfter von gelegentlich hier mitlesenden Kollegen. Das ist erst einmal ein hübscher Gedanke und mit ein wenig Erinnerung kämen bestimmt etliche Geschichten zustande, bei gründlicher Durchleuchtung dieses Mikro-Kosmos würde es durchaus an Roman-Stärke heranreichen.  Allerdings sind solcher Art Geschichten nicht ohne und eh`ich mich versehe, ist meine Stelle womöglich vakant. Darum beschränke ich mich aus diesen verständlichen Grund bei solchen Stories auf Personen, die schon lange die Firma verlassen haben, und/oder nicht die geringsten administrativen Aufgaben haben/hatten.

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Benno

Für uns war er ein Held der Werkstatt, um den sich zahlreiche Legenden rankten, die alle ihren wahren Kern hatten. Er war eine stattliche Mischung aus Pflichtbewusstsein, Bohemien und verarmten niederländischen Provinzadel. Von weitem schon sah man ihn. Groß und hager gewachsen in seinem grauen Kittel, der einer Zeit entsprang, als es noch keinen Uniformzwang gab, als unsereins noch in traditioneller Berufsbekleidung umherlaufen durfte. Eine echte Erscheinung war der Benno, die dicke, rote, blau geäderte Trinkernase leuchtete schon von weitem.

Er konnte improvisieren wie kaum ein zweiter, nichts war für einen uneingeweihten nachvollziehbar, aber alles funktionierte zumindest eine Weile. Hoch angesehen war er beim Alten, der ihn auch schon mal mit einem Taxi Abends aus der Kneipe holen ließ, wenn die Luft mal wieder brannte, Anlagen standen, der Kunde tobte. Die Kehrseite der Medaille war sein Hang zu ausgedehnten Feierlichkeiten. Gründlich versumpfte Abende, die am nächsten Tag sein Zeitgefühl manipulierten.

„Wo war`n `se denn gestern, Herr Graaf“
„Da hat` ìch kein` Zeit“

So lautete dann die knappe, wenig informative Antwort. Was natürlich Maßnahmen provozierte. Abmahnungen flogen ihm nur so zu, er sammelte sie wie Schätze in einer Werkbankschublade und wenn ein Neuer anfing, präsentierte er den ganzen Stapel mit stolzgeschwellter Brust:

„Hier, alles meine, weiss `se Bescheid!“

Lange ist das alles her, das, was wir heute Globalisierung nennen, hatte gerade erst begonnen. Benno hatte sogar noch die Größe, selbst zu kündigen, was kaum einer gedacht hätte. Zuletzt habe ich ihn vor 14 Jahren gesehen, irgendwo an einer Bushaltestelle. Keine Ahnung, ob er noch lebt, aber die Geschichten um ihn herum, die leben in jedem Fall weiter.

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Klaus

Vor vielen Jahren ging ein Kollege in den verdienten Ruhestand. Namen sind ja Schall und Rauch, ich nenne ihn einfach mal Klaus. Selbst heute sorgt er gelegentlich noch für Gesprächsstoff, vielleicht liegt es daran, das er für uns eine gewaltige Mischung aus Original und tragischer Figur verkörperte. Facharbeiter war er, vom alten Schlage, sogar einen Meisterbrief hatte er. Das war auch Teil seines beruflichen Dilemmas, er kam erst mit Anfang 50 in die Firma und fand alle interessanten Positionen besetzt, so das er sich mit dem Job an der Werkbank begnügen musste. Ich sehe ihn noch vor mir, mit dicker Hornbrille, Kittel, Kippe im Mundwinkel. Höre noch sein heiseres Lachen, wenn er „von früher“ erzählte.

Die Stories bestanden in der Hauptsache aus wüsten Sauftouren, hatten aber ihren Unterhaltungswert. So wie der einzige Tag, an dem er zu spät kam. Was nicht an dem Abend zuvor lag, sondern an plötzlichen Stuhldrang genau auf halben Weg zwischen Zuhause und Arbeit, der ihn am Wupperufer in die Büsche trieb.

Zuhause – das muss für ihn der Horror gewesen sein, auch wenn das eine oder andere bei uns für Gelächter sorgte. Eines Morgens kam er noch zerfahrener und zerknitterter als sonst in die Werkstatt. Was war geschehen? Ein Riesenlärm, mitten in der Nacht, aus der Küche. Keiner stand auf, seine beiden Söhne nicht, und seine Olle, wie er sie nannte, erst recht nicht. Bis er sich selber ein Herz fasste und schlaftrunken in die Küche schlurfte. Ein Hängeschrank hatte sich empfohlen, um zwei Uhr früh, voll mit schwerem Zeug. „Hätt` sonst wer sein können, die hätten mich klauen können, Einbrecher oder wat.“ Ist ja noch einmal gut gegangen.

Seine Olle. Die bestimmte, wo es lang ging. Klarschiff machte Klaus höchsten, wenn er voll war. So an dem Freitag, in dessen Folge er Samstags die Küche renovieren musste. Einmal der Ollen gezeigt, wo der Hammer hängt und publikumswirksam einen vollen Mülleimer durch die Bude getreten. Die Malerei hätte sonst bestimmt noch Zeit gehabt, unter anderen Umständen.

Mit den Jahren wechselte bei ihm Aufregung und Empörung in einem Zustand bodenloser Gleichgültigkeit. Zuhause hatte ihn mürbe gemacht. Jedes mal, wenn er seinen beiden Söhnen die Vorzüge eines mehr oder weniger geregelten Gelderwerbes nahe bringen wollte, fuhr ihm seine Olle gluckenhaft in die Parade. Seine Gleichgültigkeit ging so weit, das er eines Tages hier hereinkam, obwohl er Urlaub hatte. Darauf hingewiesen, drehte er auf dem Hacken um und verschwand. „Geh`ich eben wieder.“ Richtung Garten wahrscheinlich, der einzige, ihm verbliebene Rückzugsort.

Irgendwann war dann sein letzter Tag hier. Unspektakulär und bezeichnend gratulierte unser aller Chef prompt dem Falschen zum Ruhestand, während unser Klaus schon längst weg war. Niemand hat ihn seither wiedergesehen, selbst für Kollegen aus seinem Viertel blieb er wie vom Erdboden verschluckt.

Bis eines Tages ein Gerücht seine Bahnen zog, in der Werkstatt. Der Klaus wäre nun in der Südsee, DomRep oder so. Einfach abgehauen, seine Olle samt Brut und einen Haufen Schulden verdienterweise zurückgelassen. Einfach alles stehen gelassen! Wir waren begeistert, toll! Der Klaus. Hat es endlich geschafft. Wir sahen ihn mit vollen, weißen Bart, einer langstieligen Meerschaumpfeife plus Longdrink relaxed im Liegestuhl, am Strand, drapiert von leichtbekleideten, einheimischen Mädchen, die ihm jeden Wunsch von den Lippen lesen.

Natürlich war die Story nur erstunken und erlogen, von einem humorigen Kollegen. Aber wir haben sie geglaubt, weil wir sie glauben wollten. Weil wir es ihm so sehr gewünscht haben, dem Klaus. Wer weiß, ob er noch lebt, und wenn wo….

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Jason

Er war ein ehemaliger Kollege vermutlich afro-amerikanischer Abstammung, der vor vielen Jahren mal für kurze Zeit in der Logistik gearbeitet hat. In Erinnerung geblieben ist er mir hauptsächlich durch seinen sehr speziellen Humor. Er bediente ganz bewusst so ziemlich jedes Klischee über Schwarze hierzulande, aus Spaß an der Freude.

Trat er morgens seine Schicht an, ging der kurze Weg von der Umkleide zu seinem Arbeitsplatz mitten durch unsere heiligen Hallen. Eine echte Erscheinung. Eher untersetzt und mit einem stattlichen Bauch versehen schritt er daher, den blauen Arbeitskittel offen, schwarzes Shirt darunter und auf der Brust baumelte ein riesiges goldenes Kreuz. Ein Bild, das alle Jahre überdauert hat, bei mir. Grinsend zog er manchmal eine Banane aus der Kitteltasche, warf sie spielerisch hoch in die Luft, um sie geschickt  aufzufangen und würdevoll wieder im Kittel zu versenken.

Jason gehörte zu den Menschen, die uns ein geflügeltes Wort hinterließen, was nicht so oft vorkommt. Unvergessen ist eine überlieferte Episode von seinen direkten Kollegen, so geschehen an einem eher stressigen Arbeitstag. Draußen stehen die Lastwagen Schlange und Jason sieht sich der zunehmenden Ungeduld seines Abteilungs-Meisters ausgeliefert, dem das alles nicht schnell genug geht. Ob er dieses oder jenes denn nicht sehe und er möge doch jetzt endlich mal Gummi geben, heißt es laut im schönsten Kutscher-Slang. Worauf Jason ein sehr erstauntes Gesicht macht und scheinbar ehrlich interessiert nachfragt: Welches Gummi, Meister?Seitdem steht die Frage nach dem Gummi stellvertretend für die totale Ahnungslosigkeit.

Irgendwann im Umkleide-Raum. Jason und ich begegnen uns und über ein paar Umwege entwickelt sich so ein typischer, kurzer Erfahrungsaustausch unter geschiedenen Männern. Ein Satz von ihm klingt mir noch im Ohr: Oh, ja, meine Frau zieht aus und ich muss zwei Wochen weinen. Dann, endlich geht es besser, kommt Post von ihrem Anwalt, was zu zahlen, weißt Du, und sofort noch einmal zwei Wochen weinen..

Schließlich kam dann, was kommen sollte. Jasons Bedächtigkeit wurde fälschlicher Weise zur Arbeits-Unlust missgedeutet und seine Kündigung stand an. Des Chefs übereifrige, rechte Hand beeilt sich, dem Guten die vermeintlich traurige Nachricht schriftlich in einem neutralen Umschlag verpackt zu überreichen. Jason jedoch gönnt der Hofschranze weder ein trauriges, enttäuschtes Gesicht noch einen billigen Triumph und nimmt den Umschlag an sich. Ohne sein Gegenüber zu Wort kommen zu lassen, entfernt er sich stilecht leicht gebeugt rückwärts gehend unter überschwänglichen Dankes-Worten über die vermeintliche Gratulation zu seinem erst kürzlich begangenen Geburtstag.

Wie ich hörte, fährt Jason nun bei der Stadt Bus. Kann ich mir für ihn gut vorstellen, dafür braucht man ebenso Humor hier in der Stadt.

*

Jason

Schreib`doch mal über die Firma…so höre ich öfter von gelegentlich hier mitlesenden Kollegen. Das ist erst einmal ein hübscher Gedanke und mit ein wenig Erinnerung kämen bestimmt etliche Geschichten zustande, bei gründlicher Durchleuchtung dieses Mikro-Kosmos würde es durchaus an Romanstärke heranreichen.  Allerdings sind solcher Art Geschichten nicht ohne und eh`ich mich versehe, ist meine Stelle womöglich vakant. Darum beschränke ich mich aus diesen verständlichen Grund bei solchen Stories auf Personen, die schon lange die Firma verlassen haben, und/oder nicht die geringsten administrativen Aufgaben haben/hatten.

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Jason war so einer. Ein ehemaliger Kollege vermutlich afro-amerikanischer Abstammung, der vor vielen Jahren mal für kurze Zeit in der Logistik gearbeitet hat. In Erinnerung geblieben ist er mir hauptsächlich durch seinen sehr speziellen Humor. Er bediente ganz bewusst so ziemlich jedes Klischee über Schwarze hierzulande, aus Spaß an der Freude.

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Trat er morgens seine Schicht an, ging der kurze Weg von der Umkleide zu seinem Arbeitsplatz mitten durch unsere heiligen Hallen. Eine echte Erscheinung. Eher untersetzt und mit einem stattlichen Bauch versehen schritt er daher, den blauen Arbeitskittel offen, schwarzes Shirt darunter und auf der Brust baumelte ein riesiges goldenes Kreuz. Ein Bild, das alle Jahre überdauert hat, bei mir. Grinsend zog er manchmal eine Banane aus der Kitteltasche, warf sie spielerisch hoch in die Luft, um sie geschickt  aufzufangen und würdevoll wieder im Kittel zu versenken.

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 Jason gehörte zu den Menschen, die uns ein geflügeltes Wort hinterließen, was nicht so oft vorkommt. Unvergessen ist eine überlieferte Episode von seinen direkten Kollegen, so geschehen an einem eher stressigen Arbeitstag. Draußen stehen die Lastwagen Schlange und Jason sieht sich der zunehmenden Ungeduld seines Abteilungs-Meisters ausgeliefert, dem das alles nicht schnell genug geht. Ob er dieses oder jenes denn nicht sehe und er möge doch jetzt endlich mal Gummi geben, heißt es laut im schönsten Kutscher-Slang. Worauf Jason ein sehr erstauntes Gesicht macht und scheinbar ehrlich interessiert nachfragt: Welches Gummi, Meister? Seitdem steht die Frage nach dem Gummi stellvertretend für die totale Ahnungslosigkeit.

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 Irgendwann im Umkleide-Raum. Jason und ich begegnen uns und über ein paar Umwege entwickelt sich so ein typischer, kurzer Erfahrungsaustausch unter geschiedenen Männern. Ein Satz von ihm klingt mir noch im Ohr: Oh, ja, meine Frau zieht aus und ich muss zwei Wochen weinen. Dann, endlich geht es besser, kommt Post von ihrem Anwalt, was zu zahlen, weißt Du, und sofort noch einmal zwei Wochen weinen..

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Schließlich kam dann, was kommen sollte. Jasons Bedächtigkeit wurde fälschlicher Weise zur Arbeits-Unlust missgedeutet und seine Kündigung stand an. Des Chefs übereifrige, rechte Hand beeilt sich, dem Guten die vermeintlich traurige Nachricht schriftlich in einem neutralen Umschlag verpackt zu überreichen. Jason jedoch gönnt der Hofschranze weder ein trauriges, enttäuschtes Gesicht noch einen billigen Triumph und nimmt den Umschlag an sich. Ohne sein Gegenüber zu Wort kommen zu lassen, entfernt er sich stilecht leicht gebeugt rückwärts gehend unter überschwänglichen Dankes-Worten über die vermeintliche Gratulation zu seinem erst kürzlich begangenen Geburtstag.

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Wie ich hörte, fährt Jason nun bei der Stadt Bus. Kann ich mir für ihn gut vorstellen, dafür braucht man ebenso Humor hier in der Stadt.

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