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Babyflüsterer

Sonntag Abend, auf dem Heimweg von einer ausgedehnten Radtour finde ich mit Müh und Not einen Platz mit meinem Rad im Mehrzweckabteil der RE4, Düsseldorf-Wuppertal. Es ist sehr voll und es ist schlechte Luft mangels Klimatisierung. Neben mir sitzt eine sehr junge Familie, Vater und Mutter vielleicht Anfang 20, gleich neben mir ein kleiner Junge, höchstens ein oder eineinhalb Jahre alt. Drum herum drapiert das übliche Accessoire, bestehend aus Mini-Reisebett, Kinder-Buggy und diversen Taschen.

Dem Kleinen läuft die Nase, er ist recht ungehalten und schreit. Liebevolle Ablenkungsversuche seitens seiner Mutter laufen irgendwie allesamt in`s Leere, er ist sozusagen untröstlich. Auch mir läuft angesichts der miesen Luft die Nase und das Geschrei nervt so langsam. Also drehe ich mich zur Seite und schaue den Kleinen eine Weile an, wie ich Kinder in dem Alter im Allgemeinen so anschaue, also nicht sonderlich unfreundlich, aber auch nicht unbedingt freundlich und schon gar nicht mit diesen blöden Grinsen im Gesicht, zu dem sich einige so genannte Erwachsene gern hinreißen lassen. Einfach offen und interessiert.

Irgendetwas scheint ihn wiederum an meinem Gesicht zu interessieren, was genau bleibt unklar, jedenfalls wird sein Geschrei etwas leiser. Was mir Gelegenheit zu einer kleinen, leisen, aber bestimmten Ansprache gibt.

Du hast es richtig gut, weißt Du das? Du glaubst ja gar nicht, wie oft ich gern noch mal so schreien möchte wie Du, bestimmt jeden Tag ein paar Mal. Allerdings sieht man mir das wahrscheinlich nicht so einfach nach wie dir, möglicherweise kommen dann komische Leute, um mich mitzunehmen. Das ist ein echtes Privileg, finde ich Klasse, nutze die Zeit!

Der Kleine ist mittlerweile still, hört mir aufmerksam und freundlich lächelnd zu. Geht doch, denke ich, während ich zu seiner Belustigung mal meine Fahrradklingel scheppern lasse. Seine Mama holt derweil einen hölzernen, bunten Abakus aus einem Seitenfach des Reisebettes und der Rest der Fahrt ist entspannt.