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Von Gestern und von dieser Zeit

Dieser Tage sah ich dich in den lokalen Nachrichten. Du gabst einen großen Teil des Erlöses aus dem Verkauf eines alten Kunstwerkes an ein Projekt in Südamerika. Dort, im Fernsehen, sah ich dich schon öfter, auch im Kontext mit der Hilfe an Kriegsflüchtlinge.

Das ist schon bewegend, dich nun, 2017, so lebendig vor mir zu sehen. Und – keine Sorge, ich komme jetzt nicht mit weißt-Du-noch und so. Das letzte Mal sahen wir uns vor gut 25 Jahren und miteinander zu tun hatten wir bis vor über 30 Jahren mittlerweile. Waren wir Freunde ? Irgendwie schon, wenn auch nicht auf Augenhöhe, damals. Zwei verletzte Seelen, die sich einig waren in ihrer Gier auf Rausch. Damals habe ich dich bewundert, für deine Erfolge, und auch beneidet, für deine Möglichkeiten.

Gescheitert sind wir beide, so scheint es, grandios. Die Frau an deiner Seite auf dem Schirm ist wohl ebenso wenig die Mutter deiner Kinder wie die Meine. Die Website des ehemaligen väterlichen Betriebes deinerseits ist schon lange nicht mehr zu erreichen. Vor Monaten kam ich bei Dir lang, an der Mauer der ehemaligen Fabrik kündeten neue Schilder von anderer Nutzung. Vielleicht lebst Du nun als Privatier, ich gönne es Dir von Herzen, weil ich heute eine Ahnung davon habe, wie sehr Du unter deiner Geschichte gelitten haben musst.

Mit den Jahren habe ich echte Arschlöcher kennengelernt. Millionenschwere Arschlöcher, die sich nicht zu schade waren, um den Preis in einer Eisdiele noch zu feilschen. Um so wohltuender empfinde ich es, zu sehen, dass jemand wie Du teilen kann. Neben deinem fetten Ego damals hattest Du immer schon ein gutes Herz und viel Mitgefühl für Menschen, denen es schlechter ging als Dir.

Wir leben nicht weit von einander entfernt, und doch weit weg vom anderen. Alles hat seine Zeit, wir hatten unsere. Für mich war sie wichtig, aus mehreren Gründen. Wenn ich dich heute überraschend wiedersehe, auf dem Schirm abends, dann freue ich mich für dich. Respekt !

So ganz verkneifen kann ich es mir allerdings doch nicht, mich schlussendlich an unseren damaligen, gemeinsamen derben Humor zu erinnern, auch, wenn bei einem solchen Musikgeschmack das scheitern, zumindest im privaten Bereich, vorprogrammiert ist.

Du wirst es mir nachsehen, bestimmt 🙂

*

 

Sein erstes Mal

Vom Beifahrersitz aus betrachte ich das Geschehen und höre nach einer kurzen Einweisung meinerseits erstmal zu. Geht der Sitz nicht weiter zurück…tönt es fragend an mein Ohr. Der Sitz ist am hinteren Ende, 1.92m sind halt Grenz-wertig. Spiegel werden eingestellt und weiter geht die Fragerei. Das Lenkrad sollte ein wenig höher und der Sitz auch, wie geht das…

Was glaubst du, wo Du hier bist? antworte ich dem großen Kind, das gerade einen technischen Kulturschock erleidet. Sein frischer Führerschein wurde auf einem Golf 7 erworben und nun das. Eine Karpaten-Schleuder auf dem Stand der 80er Jahre. Ohne elektrisches Gedöns wie gerade eben angefragten Komfort. Ohne Zentralverriegelung, ohne Servolenkung, ohne sommerlichen Kühlschrank. Ohne überhaupt so einigen, was eh`nur irgendwann das Zeitliche segnet und dann nach Werkstatt schreit. Eben das Nötigste, fahren geht gut, wenn man Freundschaft mit dem puristischen Gefährt geschlossen hat.

Los geht die Fahrt und meine Bauchschmerzen lasse ich mir so gut es geht nicht anmerken. Einmal will ich mit dabei sein und den Schwall erster Fragen beantworten, dann soll und wird er allein mit dem Auto klar kommen. Gewisse fahrtechnische Disharmonien führen mir hautnah die Folgen meines Entschlusses vor Augen, das mir nicht mehr ganz so heilige Blech zu teilen. Zumal ich, Gott sei Dank, beruflich nicht drauf angewiesen bin, die paar Kilometer fahre ich gern mit dem Fahrrad und so steht der Wagen sowieso zuviel umher. Ganz abgeben mag ich ihn aber auch nicht, also wird dem Ding wieder einen Sinn gegeben und das Kind lernt Auto fahren.

Auch ich lerne etwas. Teilen und Vertrauen haben, das alles gut ist, wie es ist. Zu leben mit dem Risiko, das so einiges daneben gehen kann. Kann, nicht muss. Mich überwinden, Vertrauen zu schenken, so wie ich mir das auch einmal gewünscht habe, es geschenkt zu bekommen.

Fühlt sich alles in allem gut an, auch mit Bauchschmerzen.