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Pari

Gleichstand. Heute vor 22 Jahren trank ich zum letzten Mal Alkohol. Das entspricht annähernd der Zeitspanne, in der ich konsumiert habe, wenn ich den Beginn auf dem 16ten Lebensjahr lege, von einigen vorherigen einzelnen Gelagen mal abgesehen.

Wir unterscheiden bei den anonymen Alkoholikern zwischen Trinkpausen, Trockenheit und Nüchternheit. Trinkpause ist selbsterklärend, Trockenheit bezeichnet dauerhafte Abstinenz, Nüchternheit meint Trockenheit plus tiefgreifenden inneren Wandel, Friede mit der Vergangenheit, Vertrauen auf Gott, Skepsis dem eigenen Ego, den eigenen Emotionen gegenüber, beides Bereiche, die laut Pfarrer Kappes krank sein können und bei süchtigen Menschen auch sind – im Gegensatz zu unserer unsterblichen Seele, unser Selbst, wie Kappes sagt.

Wo stehe ich? Ich bin auf dem Weg, der zu werden, der ich Gottes Willen nach gedacht bin. Was den eigenen Willen nicht ausschließt, wer möchte schon „willenlos“ sein? Für mich ist es existenziell wichtig, Gottes Willen als den eben größeren anzusehen. Immer wieder um tägliche Führung bitten, mich führen zu lassen. Das gleicht einer abenteuerlichen Reise, mal Angst-besetzt, da wo das Vertrauen (noch) nicht reicht, mal zuversichtlich, meist aber als spannend empfunden. Langweilig wurde mir in den vergangenen 22 Jahren jedenfalls noch nie 😉 Wie wichtig Vertrauen ist, zeigen gerade diese Zeiten immer wieder neu. Richtung und Weg stimmen, wofür ich dankbar bin.

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Von Gestern und von dieser Zeit

Dieser Tage sah ich dich in den lokalen Nachrichten. Du gabst einen großen Teil des Erlöses aus dem Verkauf eines alten Kunstwerkes an ein Projekt in Südamerika. Dort, im Fernsehen, sah ich dich schon öfter, auch im Kontext mit der Hilfe an Kriegsflüchtlinge.

Das ist schon bewegend, dich nun, 2017, so lebendig vor mir zu sehen. Und – keine Sorge, ich komme jetzt nicht mit weißt-Du-noch und so. Das letzte Mal sahen wir uns vor gut 25 Jahren und miteinander zu tun hatten wir bis vor über 30 Jahren mittlerweile. Waren wir Freunde ? Irgendwie schon, wenn auch nicht auf Augenhöhe, damals. Zwei verletzte Seelen, die sich einig waren in ihrer Gier auf Rausch. Damals habe ich dich bewundert, für deine Erfolge, und auch beneidet, für deine Möglichkeiten.

Gescheitert sind wir beide, so scheint es, grandios. Die Frau an deiner Seite auf dem Schirm ist wohl ebenso wenig die Mutter deiner Kinder wie die Meine. Die Website des ehemaligen väterlichen Betriebes deinerseits ist schon lange nicht mehr zu erreichen. Vor Monaten kam ich bei Dir lang, an der Mauer der ehemaligen Fabrik kündeten neue Schilder von anderer Nutzung. Vielleicht lebst Du nun als Privatier, ich gönne es Dir von Herzen, weil ich heute eine Ahnung davon habe, wie sehr Du unter deiner Geschichte gelitten haben musst.

Mit den Jahren habe ich echte Arschlöcher kennengelernt. Millionenschwere Arschlöcher, die sich nicht zu schade waren, um den Preis in einer Eisdiele noch zu feilschen. Um so wohltuender empfinde ich es, zu sehen, dass jemand wie Du teilen kann. Neben deinem fetten Ego damals hattest Du immer schon ein gutes Herz und viel Mitgefühl für Menschen, denen es schlechter ging als Dir.

Wir leben nicht weit von einander entfernt, und doch weit weg vom anderen. Alles hat seine Zeit, wir hatten unsere. Für mich war sie wichtig, aus mehreren Gründen. Wenn ich dich heute überraschend wiedersehe, auf dem Schirm abends, dann freue ich mich für dich. Respekt !

So ganz verkneifen kann ich es mir allerdings doch nicht, mich schlussendlich an unseren damaligen, gemeinsamen derben Humor zu erinnern, auch, wenn bei einem solchen Musikgeschmack das scheitern, zumindest im privaten Bereich, vorprogrammiert ist.

Du wirst es mir nachsehen, bestimmt 🙂

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