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Möwen

Lesen fällt mir unter der Woche schwer, derweil ich Abends oft auf der Stelle einschlafe, sobald ich liege. So kommt es, das ungelesene Bücher mittlerweile einen kleinen Stapel bilden und auf bessere Zeiten warten. Eine Ausnahme bildet ein Buch von Udo Schroeter,  Bin am Meer. Gefunden vor einiger Zeit beim adestis nebenan, dachte ich zuerst, och nee, noch so`n Selbsthilfebuch für Männer. Nach Sichtung des Inhaltes dann habe ich es mir gekauft. Zwar bin ich kein Angler, aber Gleichnisse mag ich sehr, gerade, wenn sie unser genetisches Erbe ansprechen bzw. die  Art, wie wir heute damit umgehen in unseren Alltag.

Das Buch ist voll mit kleinen und größeren Weisheiten, die sich allesamt mit dem Gleichgewicht unserer Ur-Bedürfnisse beschäftigen oder besser mit deren Ungleichgewicht in der Industrie- und Dienstleistungs-Gesellschaft. Treffend und ansprechend geschrieben findet sich wohl jeder interessierte Mann darin mehr oder weniger wieder. Ein Gleichnis ist mir im Gedächtnis hängen geblieben, weil es mich besonders berührt. Leider habe ich vergessen, wo genau es steht, aber frei zitieren wird auch gehen:

Auf meinem Lauf früh morgens am Strand sehe ich zwei Möwen vor mir, die emsig damit beschäftigt sind, den Strand nach etwas  Essbaren abzusuchen. Sie fühlen sich verständlicher Weise von mir gestört und schimpfend fliegen sie auf. Während die eine genau auf mich zufliegt und mir geradewegs in die Augen schaut, um dann irgendwo in sicheren Abstand hinter mir zu landen, fliegt die andere in meine Laufrichtung, um vermeintlich sicher vor mir zu landen. Durch meinen fortgesetzten Lauf verkürzt sich der Abstand leider immer wieder, so das sich die Unruhe für diese Möwe ständig wiederholt, während ihr Kollege weit hinter mir längst schon wieder ungestört nach Frühstück Ausschau hält.

Mit Sorgen und Ängsten verhält es sich ähnlich, denke ich. Schaue ich ihnen nicht in`s Gesicht, kommen sie mir immer wieder näher, als mir lieb ist. Auf diese Weise geht ein beträchtlicher Teil der Tages-Energie für Flucht und Abwehr verloren, die anderswo dann fehlt. Verschenkte Lebenskraft, die ich mir heute nicht mehr leisten möchte.

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Bild: Marlis Dülsen / pixelio.de

Eingeschränktes Sichtfeld

Heute Morgen stehe ich in der Warteschlange einer Bäckerei-Filiale beim Akzenta um die Ecke. Es dauert, ein dicker, bärtiger Kerl hat offensichtlich eine riesige Sippe zu versorgen, vor ihm auf der Theke liegen gut ein halbes Dutzend prall gefüllter Tüten.

Endlich bin ich an der Reihe. BITTESCHÖN! fragt ein etwas säuerlicher Mund und ich sage „6 Brötchen und zwar davon...“ Jetzt wird`s schwierig. Ich quetsche mich neben dem Dicken mit der Groß-Sippe und stehe so wenigsten unmittelbar vor den Auslagen. Was mich aber nicht wirklich weiter bringt, denn mindestens eine halbe Fußball-Mannschaft emsiger Kolleginnen von BITTESCHÖN flitzen hin und her, um die zahlreichen Wünsche der Wartenden zu erfüllen. So sehe ich anstelle der begehrten Backwaren genau in Blick-Höhe nur die Hinterteile der Kolleginnen, was zwar auch seinen Reiz hat, mich aber meinem Ziel einer vollständigen Bestellung nicht näher bringt.

BITTESCHÖN guckt ungeduldig und ich sage zu meiner Entschuldigung mit ein wenig hilfloser Mine „Kann leider nix sehen…“  Das stimmt zwar so nicht per Definition, aber weiter ausführen möchte ich das jetzt nicht. Dann kommt sie, diese Frage, mit zickigen Unterton:

„WAS können Sie denn nicht sehen?“ 

Jetzt wird mein dramaturgisches Talent geweckt, von dem ich eigentlich bis heute Morgen noch nichts wusste. Mit ausgebreiteten Armen und ratlosen Gesicht stehe ich da. „Wie kann ich Ihnen etwas beschreiben, was ich eben nicht sehe…“  Diese Logik treibt einigen der Emsigen einen Anflug von Lächeln in`s Gesicht und ich nutze derweil jede Lücke, um endlich zu Potte zu kommen. „Davon zwei…“ mit ausgestecktem Arm – „davon auch…“  Was weiß ich, welche Phantasie-Namen dem ganzen Zeug hier gegeben wurde, Schilder lesen ist mir aus gegebenen Anlass schon erst recht nicht möglich.

Endlich ist alles komplett und bezahlt, BITTESCHÖN und ich wünschen uns zuckersüß ein schönes Wochenende. Während ich erleichtert das Weite suche, wundere ich mich immer noch.

Fragen gibt es!

Nahverkehrsmittel

Vor gut zwei Jahren bekam ich von meinem Vater ein schon betagtes Trecking-Rad überlassen, welches er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr fahren konnte. Das stand dann eine ganze Weile herum, neben einem noch viel betagteren Herkules-Halbrenner, Baujahr `81. Bis mir der Verkehr auf der Straße irgendwann reichte und ich mich an das für meine Verhältnisse (10-Gang, keine „Index-Schaltung“) komfortable Rad meines Vaters erinnerte.

Nun bin ich nicht der Mensch, der für Sport oder Bewegung allgemein viel Zeit investieren will und kann, andererseits erkenne ich die Notwendigkeit, meine Gesundheit auch aktiv zu erhalten. Das Rad kam mir da genau recht. „Komfortable“ 3 mal 7 Gänge für die Gegend hier, die Option, bis vor die Geschäfte in der Fußgängerzone fahren zu können und die Möglichkeit aufgrund eines überschaubaren Arbeitsweges, Bewegung in meinen Alltag zu einzubauen, anstelle irgendwelche Sport-Studios zu besuchen.

Letztes Jahr kam dann noch ein ebenfalls betagter, aber wenig gefahrener Crosser hinzu, mit dem deutlich sportlicheres fahren möglich wurde. Nachgerüstet mit einem entsprechenden Lastenträger und Packsäcken erledige ich damit alle möglichen nötigen Wege, komme in Bewegung und mache mich vom Auto unabhängiger.

Manchmal staune ich, was so alles geht, mit guten Willen. Hier z.B. bei der Pack-Station.

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 Oder auf dem Weg zum Fahrradmann

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Oder Papier und Glas entsorgen…

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Einkaufen…

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Zusammen mit dem Rucksack und den Packsäcken kommen stolze 75 Liter Stauraum für grenzwertige Einkäufe zusammen, zuzüglich der Möglichkeit, auch mal unförmigeres Zeug einigermaßen sicher zu fahren. Toll finde ich in dem Zusammenhang die holländischen Lastenräder (Katzenstreu, Mineralwasser…), aber damit käme ich wohl kaum die Berge hier hoch und auch für die Kellertreppe ist so ein Gefährt zu schwer.

Schade eigentlich.

November

Den Monat, den keiner braucht. So hörte ich dieser Tage einen Kollegen. Und doch hat er seinen Platz im Übergang der Jahreszeiten, auch, wenn mir diese Stimmung manchmal auf die Nerven geht. Verbunden mit der Aussicht, das diese triste Dunkelheit nun wieder einige Monate anhält.

Einerseits ist Rückzug angebracht, in die vier Wände. Mich daheim fühlen, warm sowie mit allem ausgestattet, was man so zum überwintern braucht. Ab und zu Freunde treffen, sofern die Zeit reicht. Wenig öffentliche Gesellschaft, die freie Zeit wird eher genutzt, sich vom mitunter kräftezehrenden Alltag zu regenerieren.

Mit der zunehmenden Stille da draußen gibt es auch andere Tage. So Tage, an denen die Luft dünner zu sein scheint. An denen ich in mir selbst ruhe, wenig nach außen gebe, scheinbar im inneren Rückzug lebe. Dennoch, oder vielleicht gerade darum erreichen mich die Stimmungen und Zustände anderer Menschen um so klarer und intensiver. Deutlich spürbare Schwingungen, die mich bewegen. Obwohl ich oft so unterwegs bin, staune ich über die Intensität mancher Wahrnehmung in diesen Tagen.

Unterwegs – ein Mittel gegen dunkle Stimmungen ist Bewegung. Der Zerstreuung wegen, aus reinem Zeitvertreib allerdings eher selten, da viel zu tun ist. Aktivitäten körperlicher Art sollten also eher zum Alltag passen und sich da gut unterbringen lassen. Ein Besuch in der Fahrrad-Werkstatt meiner Wahl und ich war stolzer Besitzer eines 20 Jahre alten, gut erhaltenen Cross-Rades für kleines Geld. Ein Zweit-Rad sozusagen, so eine echte Winter-Schlampe, der all den Dreck auf den Wegen nichts ausmacht. Minimalistisch ausgestattet, aber sportlich zu fahren, da bretthart. Nix für längere Touren, aber genau richtig für die täglichen Wege zur Arbeit und zum einkaufen.

Cross-Rad

 Vielleicht rüste ich das Ding noch mit Winter-Reifen auf, mal sehen, wie sich das im Schnee anlässt. Solange es geht, spüre ich so trotz Schweiß und Regen täglich meinen Körper, das Wetter, die Luft, die Veränderungen. Freue mich, wenn ich auf meinem Heimweg Abends die Autobahn unterquere, auf der sich die Autos im Schritt-Tempo fort bewegen. Freue mich, so dem täglichen Stau und den zahllosen Rotznasen in den öffentlichen Verkehrsmitteln zu entrinnen.

Ein Geschenk, gesund sein zu dürfen.

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