Eingeschränktes Sichtfeld

Heute Morgen stehe ich in der Warteschlange einer Bäckerei-Filiale beim Akzenta um die Ecke. Es dauert, ein dicker, bärtiger Kerl hat offensichtlich eine riesige Sippe zu versorgen, vor ihm auf der Theke liegen gut ein halbes Dutzend prall gefüllter Tüten.

Endlich bin ich an der Reihe. BITTESCHÖN! fragt ein etwas säuerlicher Mund und ich sage „6 Brötchen und zwar davon...“ Jetzt wird`s schwierig. Ich quetsche mich neben dem Dicken mit der Groß-Sippe und stehe so wenigsten unmittelbar vor den Auslagen. Was mich aber nicht wirklich weiter bringt, denn mindestens eine halbe Fußball-Mannschaft emsiger Kolleginnen von BITTESCHÖN flitzen hin und her, um die zahlreichen Wünsche der Wartenden zu erfüllen. So sehe ich anstelle der begehrten Backwaren genau in Blick-Höhe nur die Hinterteile der Kolleginnen, was zwar auch seinen Reiz hat, mich aber meinem Ziel einer vollständigen Bestellung nicht näher bringt.

BITTESCHÖN guckt ungeduldig und ich sage zu meiner Entschuldigung mit ein wenig hilfloser Mine „Kann leider nix sehen…“  Das stimmt zwar so nicht per Definition, aber weiter ausführen möchte ich das jetzt nicht. Dann kommt sie, diese Frage, mit zickigen Unterton:

„WAS können Sie denn nicht sehen?“ 

Jetzt wird mein dramaturgisches Talent geweckt, von dem ich eigentlich bis heute Morgen noch nichts wusste. Mit ausgebreiteten Armen und ratlosen Gesicht stehe ich da. „Wie kann ich Ihnen etwas beschreiben, was ich eben nicht sehe…“  Diese Logik treibt einigen der Emsigen einen Anflug von Lächeln in`s Gesicht und ich nutze derweil jede Lücke, um endlich zu Potte zu kommen. „Davon zwei…“ mit ausgestecktem Arm – „davon auch…“  Was weiß ich, welche Phantasie-Namen dem ganzen Zeug hier gegeben wurde, Schilder lesen ist mir aus gegebenen Anlass schon erst recht nicht möglich.

Endlich ist alles komplett und bezahlt, BITTESCHÖN und ich wünschen uns zuckersüß ein schönes Wochenende. Während ich erleichtert das Weite suche, wundere ich mich immer noch.

Fragen gibt es!

10 Gedanken zu „Eingeschränktes Sichtfeld

  1. Uwä

    Ein schönes Possenstück der dahinhetzenden Gesellschaft. 🙂
    Ich hätte wohl spontan geantwortet: „Wenn ihre Kolleginn mal für einen kleinen Moment ihr eigenes wohlgeformtes Brötchen auf Seite bewegen würde, könnte ich Ihnen die Brötchen meiner momentan vorrangigeren Begierde zeigen.“ …. oder so ähnlich

    Liebe Grüße von weiter oben am Berch

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    1. Reiner

      Ja genau, Brötchen ist noch lange nicht Brötchen 😉
      Für einen Augenblick wusste ich wieder, wie kleine Kinder sich in der Fußgänger-Zone fühlen…

      Gruß zurück nach weiter oben!

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  2. Uschi

    Ein eingeschränktes Sichtfeld ist wirklich nicht gut,
    aber mich hast du grad zum Schmunzeln gebracht Reiner.

    Über die ganzen Namen, die man der immer größeren Auswahl an Brötchen gibt, schüttel ich oft nur noch mit dem Kopf…
    und ich zeige auch nur drauf 😉

    Was man doch schon am frühen Morgen alles für Studien machen kann *lächel

    Schöne neue Woche

    Uschi

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  3. bisou

    Im Aldiland, wo Zeit, Beratung, Hilfe und Geduld als überflüssiger, kostspieliger Luxus angesehen werden darfst du dich noch glücklich schätzen, dass Frölein Bitteschön nicht patzig geworden ist.

    Dem Frölein gilt mein Dank für das Schmunzeln, das sie mir über den Umweg deiner Worte schenkte.

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  4. Silberperlen/bmh

    Guten Morgen, lieber Reiner,
    amüsant geschrieben. Ich lächle vor mich hin. Ob er irgendwann ein Buch schreibt, bei seinem Talent, geht es mir durch den Kopf ?

    Ich kann mir die Namen der Brötchen auch nicht merken … zu oft umgezogen und es irgendwann aufgegeben zu lernen, wie die Dinger in den verschiedenen Landesteilen heißen. *lächel*

    Herzliche Grüße
    Barbara

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    1. Reiner Beitragsautor

      Guten Morgen, liebe Barbara,

      Danke für die Blumen 🙂
      Zu mehr als gelegentliche Kurzgeschichten wird es sehr wahrscheinlich nicht reichen. Dazu braucht es Zeit, fundamentale schriftstellerische Kenntnisse und vor allem einen freien Geist, der nicht vom Tagesgeschäft geknechtet ist. Last, not lest – einen Menschen, der ein wenig umher kommt und sich nicht täglich in einem Hamsterrad dreht 😉

      Es freut mich, wenn Dir solche Geschichten gefallen, lieben Gruß auch Dir !

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