Der stille Monat

So nennt man ihn, den November, mit seiner zunehmenden Dunkelheit und dem allgegenwärtigen Rückzug in der Natur. Auch die Seele begehrt nach einem gewissen Rückzug, Zeit für Einkehr, Innenschau oder Inventur, je nachdem, welchem Vokabular man näher steht.

Auf dem Tisch neben meiner Schlafstelle liegt stets so einiges umher, neben gewissen digitalen Toren zur weiten Welt auch immer mehrere Bücher, in denen ich je nach Gemütslage mal mehr, mal weniger lese. Derzeit warten dort zwei angelesene Exemplare auf mich, einmal „Finde deinen inneren Mönch“ von Tim Schlenzig, dem Autor des erfolgreichen Blog`s mymonk.de . Zum anderen der gedruckte Antipol dazu, „Das Liebesleben der Hyäne“ von Charles Bukowski, der auf wundersamen Wegen zu mir zurück gefunden hat. Zu Beginn meiner Abstinenz habe ich meine Bukowski-Sammlung an einem interessierteren Leser weiter gegeben, von daher ist es schon erstaunlich, wie anhänglich gewisse Literatur ist, ohne käuflich erworben zu sein.

Zur Besinnung, also der Jahreszeit entsprechend, passt natürlich die Suche nach dem inneren Mönch um Längen besser. Es liegt auch schon eine Weile dort, der November ist ja noch jung und mein Bedarf an spirituellen Ratgebern eigentlich im Laufe der Jahre mehr als gedeckt. Irgendwann ist es genug davon, dann geht es an`s ausprobieren via Versuch und Irrtum – Leben live sozusagen. Das Drehbuch dazu ist leider nicht im Fachhandel erhältlich und wird sowieso täglich aktualisiert.

Der innere Mönch also – habe ich mich noch ein weiteres Mal, inspiriert vom gelungenen Blog, zu einem solchen Seelenleitfaden verführen lassen. Ein Taschenbuch mit großen Buchstaben, was ein guter Trick ist, altersgerecht, sieht gut aus und es bedarf auf Seiten des Autors nicht ganz so viel Weisheit, ein kleines Buch zu füllen. Leider bin ich noch nicht über die ersten Seiten hinaus gekommen. Der Autor schildert zu Beginn seine unbefriedigende, berufliche Laufbahn und den Akt der Befreiung als Schriftsteller dann, gefolgt von der Aufforderung, jetzt endlich mal seine Träume zu leben, weil jeder Tag der letzte sein könnte. Dann – eine Doppelseite zum selber-ausfüllen, welcher Art die Träume so sind, was man als 8-jähriger so gemacht hat und wie man das wieder aufleben lassen könnte.

An der Stelle klappt der innere Mönch erst einmal mit einem lauten Geräusch wieder zu. Dem Autor bin ich nicht gram, der kennt mich ja nicht und hat wohl eher so standardisierte Kindheitsbilder vor Augen. Mir jedenfalls graust es bei der Vorstellung, noch einmal, und dann noch freiwillig, so zu sein wie damals.

Träume – lebe deinen Traum, heißt es allerorten. Wenn ich ganz ehrlich zu mir bin, fällt mir nicht wirklich etwas dazu ein. Zu groß sind gewisse Sachzwänge, zumindest für einige Jahre noch so weiter zu machen wie bisher, also wie gehabt jagen und sammeln in meinem Dasein als Industrie-Schauspieler. Danach – für die Zeit nach dem Erwerbsleben gibt es bislang nur eine Ahnung … es soll von Herzen kommen und mit Menschen zu tun haben, nicht oder falls, dann nur untergeordnet, mit Technik. Kochen kann ich, und schreiben. Und nein, ich hasse Kochbücher …

Ein schöner Traum ist es, einfach mal alle Menschen einzuladen, die mir irgendwie am Herzen liegen, mit denen ich mich teils auch über große Entfernungen verbunden fühle, abseits von irgendwelchen gesellschaftlichen Zwängen und / oder eher destruktiven Gefühlen wie zum Beispiel Eifersucht. Was so gar nicht zu der Liebsten und meiner eher zurückgezogenen Lebensweise passt, aber dennoch eine schöne Vorstellung ist. Menschen wie A. zum Beispiel, mit der mich das Thema Genesung und Glaube verbindet. Oder M., mit der ich nächtelang philosophieren könnte. Oder die H. aus wärmeren Gefilden, sie weiß so viel über Kräuter, über Naturkunde, und wie man sich zu helfen weiß, nicht nur handwerklich. Oder R., vor dessen Art, die Welt über die Kinder zu einem etwas besseren Ort zu machen, ich großen Respekt habe. Der sich darum bestimmt gut mit der Liebsten verstehen würde. Oder, oder, Sorry, ich kann euch nicht alle hier aufzählen, die Liste würde sehr lang und für ein Treffen wäre ein Tag viel zu kurz.

Tja, lieber innerer Mönch, allen Anschein nach musst Du noch ein wenig warten. Bis dahin sorgt Buko zwar nicht unbedingt für mein Seelenheil, aber doch für eine gewisse Zerstreuung, das eine oder andere schmutzige Grinsen – und für Dankbarkeit, so nicht leben zu müssen.

Was auch seinen Wert hat.

*

 

19 Gedanken zu „Der stille Monat

  1. Bisou

    „mein Bedarf an spirituellen Ratgebern eigentlich im Laufe der Jahre mehr als gedeckt. Irgendwann ist es genug davon, dann geht es an`s ausprobieren via Versuch und Irrtum – Leben live sozusagen“

    Scheinst gerade bei „Irgendwann“ angekommen 🙂

    Auch kein Buch für mich, die mal feststellte, dass sie nicht träumen kann und heute weiss, dass sie es gar nicht will. Zu Bücher allgemein: seit ich begonnen habe mit lernen, habe ich so gut wie aufgehört Bücher zu lesen. Meine Themen begegnen mir auch so, genau wie die Lektionen dazu.

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  2. TeggyTiggs

    …stimmt, schreiben kannst Du, so eine Grundruhe finde ich in Deinen Betrachtungen, die gut tut…ja und dann, was hilft es, Pläne zu machen und Wünsche für später zu haben, es kommt vielleicht anders, als man denkt, andere Herausforderungen, andere Wünsche tauchen auf…

    …als ich viel jünger noch war, beschloss ich, Klavier zu lernen, wenn ich alt bin, dann kam Spanisch später dazu…und genau das mache ich jetzt und ich fühle mich dadurch bereichert, sehr, sehr…aber noch etwas anderes kam, nämlich weitere Heilprozesse, jetzt ist Zeit dafür und Raum…wichtig scheint mir, offen zu bleiben und variabel für das was auftaucht, und das wird Dir sicherlich gelingen…

    liebe Grüße!

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    1. Reiner Beitragsautor

      Heilprozesse, @ sich selbst helfen.
      Das ist es, was ich meinte 🙂

      Und ja, Wünsche und / oder Träume ändern sich. Darum lege ich mich auch nicht fest, jetzt. Erst einmal besteht die Herausforderung der Zeit darin, meinen Alltag zu bewältigen plus dem Drumherum in Sachen Familie und dabei gesund zu bleiben, zu werden.

      Danke & auch Dir liebe Grüße !

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  3. Anhora

    Oh, ich verstehe dich! Bei mir sind auch stets irgendwelche spirituellen Ratgeber auf der „Liste“, aber dann les ich sie doch nicht. Du hast es auf den Punkt gebracht: Das eigene Leben kann man nicht in einem Buch nachlesen. Man muss es selbst entdecken, steuern, leben. Und das gelingt doch hin und wieder auch ganz gut. 🙂
    Hab einen lebendigen Tag!

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  4. Aloisia Eibel

    Ich will Euch von meinem Traum erzählen: Ich wollte schon als Kind Lehrerin werde. Aber meine Eltern hatten Anderes mit mir vor, Bäuerin auf unserem Hof das war es, was mit mir vorgesehen war. Ich hab nicht einmal gebettelt, so klar war was den Vorzug hatte. Also arbeitete ich bis ich zweiundzwanzig wurde daheim, ging auch in die Fachschule aber Bäuerin wollte ich nicht sein. Dann kam die Stunde X und ich konnte trotz aller Widerstände Lehrerin werden und bleib es bis ich fünfundfünfzig Jahre alt wurde.
    Und jetzt? Jetzt träume ich davon, in den verlassenen Hof meiner Eltern zu ziehen und neues Leben in ihm zu initieren. Ich bin sechsundsechzig.

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    1. Reiner Beitragsautor

      Das ist Vorsehung – freut mich sehr für dich, liebe Aloisia. Man schaut später im Leben ganz anders auf das eigene “ Erbgut“ … Dir wünsche ich gutes Gelingen bei deinen Plänen!

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  5. Barbara/bmh

    Ich lese und erfreue mich an Deinem Stil und die Ausstrahlung dahinter.
    Deine heitere Ernsthaftigkeit mag ich sehr.
    Die Gedanken, die Du Dir machst sind zeitgerecht und träumen, träumen kann man nie genug, lieber Reiner.
    Auf Dich kommt noch viel Neues zu.

    Ich bin jetzt 17 Jahre in Rente – Bücher habe ich in dieser Zeit geschrieben, Lesungen gehalten, jetzt male ich wieder, was mich selbst überrascht. Ach ja und Spanisch habe ich mit meinem Mann gemeinsam gelernt in Spanien und Vorträge habe ich gehalten über das Träumen …

    Immer schien alles mit einer Idee zu beginnen und wie zufällig (ein schönes Wort) zu wachsen
    und doch geschah alles mit großen Einsatz.
    Ohne ihn läuft nichts und die Träume bleiben immer nur Träume.

    Ich grüße Dich herzlich und wünsche Dir
    noch viele viele Jahre ein Leben in dieser Bewusstheit, die Du ausstrahlst
    Barbara

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    1. Reiner Beitragsautor

      Heitere Ernsthaftigkeit
      Das kommt hin 🙂

      Ich werde sehen – Leben bleibt spannend.

      Dir lieben Dank, Barbara und sei auch Du herzlich gegrüßt !

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  6. Regine

    Ein Leben und Lernen ohne Bücher kann ich mir nicht vorstellen. Jedes Buch, welches ich lese, passt immer gut zu mir und meiner jeweiligen Lebenssituation , in der ich mich gerade befinde. Wenn nicht, komme ich über die ersten Seiten nicht hinaus. Spirituelle Ratgeber passen definitiv nicht mehr zu mir und mit Kalendersprüchen, die mir vorschreiben wollen, wie ich meine Lebenszeit zu gestalten habe, kann ich immer weniger anfangen. Täglich meine Träume so zu leben, als wäre es mein letzter Tag, das wäre mir viel zu anstrengend. Wünsche erkennen und sie hin und wieder „einlösen“, finde ich gut. Deinen Traum, liebe Menschen einzuladen, kannst Du Dir ja immer mal wieder in kleinen Portionen erfüllen. Das ist die gute Nachricht, die mir zu Deinem erbaulichen Text gerade einfällt! Liebe Grüße und einen schönen Abend! Regine

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    1. Reiner Beitragsautor

      Genau, in kleinen Portionen 🙂

      Bücher mag ich immer noch sehr. So ganz ohne Strom und künstliche Lichtquellen. Und meist passen sie in irgend einer Weise, ja. Oder sie bleiben liegen 😉

      Danke, Regine, und liebe Grüße Dir !

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  7. Warum bin ich so fett?

    Oh ja, dieses ganze Geblubber, wieder Kind sein, lebe deine Träume und so’n Quatsch. Ham die ’ne Ahnung.
    Wieder Kind sein?
    Bloß nicht. Bin froh, den Scheiß rumzuhaben. Sehe das wie du. Weiß gar nicht, warum immer alle so von ihrer Kindheit schwärmen. Aber freut mich für jeden, der das von sich sagen kann. (Hoffe natürlich, dass meine Kinder das auch irgendwann von ihrer Kindheit sagen werden.)
    Träume leben?
    Hey, erst mal wollen diese Träume bezahlt sein. Es ist mein Traum, genug Geld zu verdienen. Diesen Traum lebe ich werktags.
    Chinaski war wirklich großartig: Einer der wenigen Autoren, von denen ich mehrere Bücher am Stück lesen musste. Die Hyäne steht auch bei mir im Regal rum. Hab grad extra nachgesehen. Auch wenn ich ausm Kopf grad nicht mehr weiß, welches genau das jetzt war. Bukoswki hat ja immer nur – ohne Rücksicht auf Verluste – aus seinem Leben geschrieben – mehr oder weniger. Als Mensch war der manchmal ’n ziemliches Arschloch: So wie der seine Frau behandelt hat.

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    1. Reiner Beitragsautor

      Genau, back to Reality 😉

      Wobei ich spirituelle Literatur per se nicht in Abrede stellen will. Es hat eine Zeit gegeben, da war in meinem Herzen, meiner Seele und in meinem Kopf ein riesiges Loch – das ich mit allem füllte, was ich bekommen konnte, außer eben Stoff.

      Buko – unser schwarzer Schatten. Der Säufer, Hurenbock, Kernassi. Ich mag immer noch seine derbe Sprache, seinen feinen Humor, seine Selbstironie. Nur „Kult“ ist er eben nicht mehr …

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