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Veränderung

Loslassen – klingt abgedroschen. Lerne loszulassen, klingt es allerorten, in Zeiten der Unverbindlichkeit. Zeiten der Umbrüche, des Wandels. Eigentlich habe ich mir in dieser Disziplin eine gewisse Routine erarbeitet, mit den Jahren. Angefangen mit dem klassischen Loslassen zeitweise lieb gewonnener Frauen, mal ging die Initiative dazu von mir aus, mal vom Gegenüber. Der damit verbundene Schmerz war derselbe, bis auf das letzte Mal und das war neu. Größer als der Schmerz, als das uralte Gefühl, allein gelassen zu werden, war ein bis dahin unbekannte, gewaltiges Gefühl der Befreiung von alten Mustern, von Kapitulation vor dem eigenen Beziehungsmuster – ein Gefühl von Freiheit.

Was zu mir gehört, findet mich und bleibt. Auch so eine Weisheit, die unzählige Male schon zu lesen war und ist, aber sie passt. Loslassen inbegriffen, nur verlagern sich jetzt die Themen. Fort von den Irrtümern und Verwirrungen, den alten Sehnsüchten und dem erlernten Schrott, der mir zwar lange eigen war, aber nie wirklich zu mir gehören sollte, hin zum letzten loslassen, der Kapitulation vor unserer Endlichkeit. In letzter Konsequenz hin zum sich-von-sich-selbst-verabschieden. Das schwingt derzeit immer mit, bei mir, aus gegebenen Anlass in der Familie. Andererseits spüre ich gerade, wie schwer mir das loslassen auf gesellschaftlicher Ebene fällt, fort von einer Gemeinschaft, die mich zwei Jahrzehnte getragen hat, die der ehemals anonymen Alkoholiker.  Gib`es weiter, sagten sie. Das werde ich nach Möglichkeit auch weiterhin tun, nur eben nicht in mehr oder weniger geschlossenen Zirkeln und schon gar nicht unter Preisgabe meiner vollständigen Daten bei jedem Treffen. Es findet sich …

Alles hat seine Zeit, persönliche wie auch gesellschaftliche Bindungen. Was davon bleibt, ist der spirituelle Boden, auf dem ich mich dank der vielen Jahre bewegen darf, sowie einige persönliche Kontakte, die die sich lösende Gruppenbindung zu überdauern scheinen. Der größte Gewinn aus dieser Zeit aber ist mein wiedergefundenes Vertrauen in meine höhere Macht, die über meinen letzten Atemzug hinaus bei mir sein wird. Sie lässt mich niemals los.

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Der Arsch

Genau so und nicht etwa mit seinem richtigen Namen steht er in ihrem Telefonbuch, seit vielen Jahren schon. Er hätte keine Ahnung davon, wenn ihm davon nicht berichtet worden wäre, von gut informierten Kreisen. Nicht etwa nur Arsch oder gar Arschloch, nein, schön mit  dem passenden Artikel dazu. Nicht überliefert hingegen ist, ob er nun unter „D“ oder eher unter „A“ dort verewigt wurde.

Sie pflegt ihren Groll, der irgendwann auch einmal seine Berechtigung hatte, wohl nicht ahnend, das solcher Art Beharrlichkeit auf Dauer sehr ungesund sein kann. Womit weiß Gott keine böse Nachrede gemeint ist, das ist nicht ihr Stil. Eher eisiges Schweigen über die Persona non grata an ihrem Hofe, sobald ein Gespräch die Richtung auf ihn zu nehmen droht. Und eben besagter Register-Eintrag im Telefonbuch, als Relikt einer Zeit, in der der tiefe Groll noch aktive, feurige Wut war.

Ihm kostet es ein Lächeln, heute. Die große Fassungslosigkeit ist schon sehr lange vorüber und wenn alle Jahre wieder einmal die Rede auf besagten Eintrag kommt (er könnte ja doch mal gelöscht werden), dann reicht es auf jeden Fall für allgemeine Heiterkeit. Mit so manchen Titel lässt es sich eben gut leben, heute. Zumal die Zeit schon sehr lange her ist, in der ihm so etwas nahe gegangen ist. Heute weiß er, er ist es nicht, er war es vielleicht einmal. Das macht nichts geschehenes besser, aber zumindest von seiner Seite kommt kein neues Leid hinzu, heute.

Wovon sie wahrscheinlich nicht die geringste Ahnung hat – er ist ihr in gewisser Weise sogar dankbar. Sie musste damals in sein Leben treten, nicht nur, um dem gemeinsamen Kind das Leben zu geben. Ihr großer Verdienst ihm gegenüber besteht darin, das sie ihm erstmalig die Verzauberung des anderen Geschlechtes genommen hat, sein Bild von der Weiblichkeit ganz allgemein heilsam korrigiert hat, Richtung Realität eben.

Ohne die Erfahrung dieser Zeit würde ihm heute ein Menge fehlen, soviel ist sicher.

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