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Findelkind

Gestern Abend, als ich das Haus verließ, da stand sie schon da. Klein und schon ziemlich lädiert in ihrem engen Verkaufskleid aus Plastik, das sie zwar handlich machte, ihr aber auch die Luft abschnürte. Irgend jemand hatte sie auf dem Strom-Verteilerkasten gleich neben dem Hauseingang abgestellt.

Spät am Abend kam ich heim und sie stand immer noch dort, wie bestellt und nicht abgeholt. Spätestens jetzt war mir klar, dass sich niemand wirklich für sie interessierte und ihr ein elendes Schicksal drohen würde, wenn ich mich nun nicht ihrer erbarmen würde. Also nahm ich sie mit nach oben in unsere Wohnung.

Bei der Liebsten renne ich mit meinem Straßenkind offene Türen ein. Geht überhaupt mal gar nicht, so ein armes Ding seinem Schicksal zu überlassen. Also wird die Kleine erst einmal von ihrem furchtbaren Plastik-Kleid befreit und gründlich gewässert. Anschließend werden einige wenige bereits hängende Köpfchen sauber abgeschnitten, um in einem kleinen Glas mit Wasser Erholung zu finden. Es findet sich bald eine bis dahin Sinn-freie, Pink-farbene Blechkanne, die nur auf einen neuen Gast gewartet hat.

Seitdem steht sie hier bei uns und es geht ihr schon sichtbar besser.

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Was mag sich wohl zugetragen haben, das sie sich so verloren am Straßenrand wiederfand? Die einfachste Erklärung hieße, sie ist irgendwem schlicht beim Auto-ausladen unbemerkt heruntergefallen und anschließend von irgendwem anders zumindest schon mal aus der Gosse gerettet worden. Möglicherweise war sie aber auch das unschuldige Opfer eines Beziehung-Dramas. Von einem gerade abgewiesenen, frustrierten Kerl mit harter Hand ihrem Schicksal überlassen worden. Oder sie traf womöglich nicht den Geschmack der Beschenkten, die ihrerseits zu herzloser Maßnahme griff.

Wie auch immer, jetzt geht es ihr gut und auch die immer schon leicht schwuchtelige Blechkanne freut sich über wiedergewonnene Ehre.

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Nachtrag:
Heute, eine Woche,
viel Sonne und Wasser
sowie zahlreiche liebevolle Worte und Berührungen später:

Es geht mir prächtig 🙂

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