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Tunnel-Session

Meine morgendliche Fahrt zur Arbeit mit dem Rad führt mich über eine umfunktionierte, alte Bahnstrecke, unter anderen eben auch durch einen schönen, alten Tunnel, der gerade eben erst für den Rad-Schnellweg Nordbahntrasse saniert wurde. Normalerweise ist um die Uhrzeit früh morgens dort wenig los, außer der eine oder andere Frühaufsteher, der mir entgegenkommt.

Anders heute morgen. Schon von weitem fällt mir ein Licht auf, das da nicht hingehört. Im Tunnel dann kurz hinter dem Portal bietet sich mir ein ausgesprochen schräges Bild: Ein Fahrrad lehnt an der Tunnelwand, ein anderes liegt umher und die dazu gehörenden beiden Freaks sitzen friedlich mitten auf dem Weg. Zwischen den beiden ein Ghettoblaster, aus dem in Zimmerlautstärke, also für die Lokalität passend ein uralter Song der Pink Floyd plärrt. Dazu passend ziehen Schwaden guten Grases ihre Bahn im Tunnel-Durchzug.

Wie geil, denke ich, während ich wortlos langsam vorüber fahre und das Bild auf mich wirken lasse. Und ich geh` jetzt knechten, selbst kiffen kommt nicht mehr in die Tüte, wegen dem ausgeprägten Unvermögen, damit angemessen zu haushalten. In der Tunnelmitte fallen mir die in den ehemaligen Fluchtnischen ansässigen Fledermäuse ein, um die es schon endlos dumme Diskussionen und jahrelange Bau-Verzögerungen gegeben hat. In dem Moment hätte es mich nicht gewundert, das die allmählich entschwindenden Floyd-Passagen von dem einen oder anderen sanften Klatschen unterbrochen worden wären. So ein Geräusch eben, das eine Fledermaus verursacht, die kopfüber bekifft und tiefenentspannt auf dem Boden landet.

Draußen dann in der frischen Luft freue ich mich für die Tierschützer, das das alles nur in meinem Kopf geschah und wünsche den beiden Nachwuchs-Bohème in Gedanken noch einen entspannten Tag.

 

Lose Bilder

Bilder vom Herbst, Bilder aus der Umgebung.

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Blicke über die Stadt…

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Der Ölberg früh morgens…

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Der dunkle Turm

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Bei Sonnenlicht wirkt selbst der freundlich…

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Auf der Hardt, im botanischen Garten und drum herum…

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Die lagen schon so da…

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Schrei`mich nicht so an…

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Meine Favoriten, aufgenommen früh am Morgen und spät am Nachmittag. Es sind immer nur einige wenige Minuten am Tag, die solche Bilder möglich machen. Da freue ich mich, wenn ich gerade dann am Ort bin, auf der Nordbahntrasse.

Tunnel Dorp…

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Tunnel Engelnberg…

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Ölbergfest 2014

Alle zwei Jahre findet es statt, unser Stadtteil-Fest hier auf dem Berg. So geschehen letzten Samstag. Am Mittag müssen alle Autos raus aus den betroffenen Straßen, an deren Stelle bauen Vereine, Ladenlokale und natürlich Nachbarn aller Art ihre Stände auf. Herum stehen, sitzen, miteinander klönen, essen, trinken.

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Zu Beginn war das als reines Nachbarschaft-Straßenfest gedacht, mittlerweile finde ich das nur noch Nachmittags schön. Abends ist die Szene geprägt von dichtem Gedränge, Musik-Bühnen, Lautes für die Kinder, die man dann so alle 5 Meter an Hauswände, Autos und in Vorgärten ihr Bier wegbringen sieht. Eine Menge auswärtiges Volk fällt hier mittlerweile solcher Art ein, um den Berg dann am frühen Morgen Stratze-voll und lautstark wieder zu verlassen.

Aber, wie gesagt, Nachmittags gehe ich gern mal `ne Runde gucken…

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Müssen die Organisatoren auch haben…

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Soziale Medien

Seit einiger Zeit bekomme ich auf Facebook Werbung ausschließlich aus Schweden, so etwas wie unten zu sehen (vielleicht hätte ich mein Geburtsdatum doch etwas verfälschen sollen…), aber auch Unverfängliches wie Ikea-Werbung im Original-Ton, ohne Untertitel.

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Wie das kommt? Das liegt an meinen Wohnort, natürlich. Da wollte ich wahrheitsgemäß „Ölberg“ eingeben, so lautet die historische Bezeichnung unseres schönen Viertels hier. Leider kennt das dumme Facebook keinen Ölberg, macht mir aber einen Alternativ-Vorschlag, eben Olberga, leider in Schweden. In meiner Not nehme ich das Angebot an, was hätte ich sonst auch tun sollen.

Seitdem werde ich auf schwedisch bunt behelligt von allen möglichen Anbietern. Was mich aber nicht weiter stört, da ich im Allgemeinen weder deutscher noch sonst welcher Reklame erhöhte Aufmerksamkeit schenke. Schlussendlich bekomme ich nun eine Ahnung, warum der eine oder die andere mich gelegentlich mit „alter Schwede“ betitelt.

Obwohl – so alt bin ich eigentlich auch noch nicht…

 

Regen

Eigentlich hat er das nicht verdient, der mittlerweile lang ersehnte Regen. Steht er doch in der Natur für Fruchtbarkeit und Wachstum. Bei mir befeuert er eher meine grüblerischen, nur scheinbar dunklen Stimmungen und Erinnerungen. So geschehen gestern Abend, bei Erzählungen von Freunden über ihren Umgang mit dem Sterben, dem Tod, mit Grenzen, mit unserer Endlichkeit.

Mir ging spontan eine Geschichte durch den Kopf, die mir heute noch Gänsehaut verursacht. Sie liegt mittlerweile schon gut 10 Jahre zurück, damals wohnte ich in einem alten Weber-Haus unten an der Wupper.

Eine Wohnung, die ich mir damals mit Bedacht aussuchte. Drei kleine, bezahlbare Zimmer, es galt angesichts meiner damaligen Unterhalts-Verpflichtungen schon streng zu rechnen. Das Umfeld war dem niedrigen Mietpreis entsprechend, also alles andere als bürgerlich, was ich allerdings nie als Makel empfunden habe. Gepflegte Vorgärten in stillen Vorort-Straßen mit all ihren gut situierten Menschen samt deren Status-Symbolen waren mir immer schon suspekt und verdächtig, ebenso wie all zu aufgeräumte Mietshäuser mit peinlich auf Flur-Keller-Speicher-Ruhezeit-Ordnung bedachte Nachbarn. Nichts gegen eine gewisse Ordnung, aber eben alles in Maßen.

Solch eine gewisse, also erträgliche Ordnung gab es in diesem Haus, damals. Darauf achtete der Hausmeister, ich glaube, er hieß Rolf. Wir mochten uns irgendwie von Anfang an, beginnend damit, das ich von ihm unter einigen Mit-Bewerbern den Zuschlag für die Wohnung bekam. (Der Vermieter wohnte sonst wo und überließ vertrauensvoll alles seinem Mann vor Ort). Gemeinsame Berührungspunkte waren unser beider Hang zum basteln und zur Improvisation. Er half mir beim schreinern, gab mir gute Tipps und ich übernahm gelegentlich waghalsige Aktionen in dem riesigen Treppenhaus, Glühbirnen in luftiger Höhe tauschen, er traute sich nicht mehr so hoch auf die Leiter. Ich glaube, ihm beeindruckte mein aus seiner Sicht spannendes und bis dahin sehr wechselvolles Leben, mit Blick auf das andere Geschlecht. Eine Perspektive, die ich damals selbst allerdings  nicht unbedingt so erbaulich fand. Mich faszinierte die Ausstrahlung dieses kleinen, untersetzten Mannes. Der Respekt, den er sich in dem bunten Viertel, bestehend aus Bordellen, zwielichtigen Kneipen, Migranten-Klubs, Spielhallen, mediterranen Lebensmittel-Läden und preiswerten Auto-Werkstätten erworben hatte. Angst habe ich hier vor niemanden, verriet er mir mal, und das klang sehr glaubhaft.

Seine Angst vor Höhe hatte allerdings einen guten Grund. Sein krankes Herz machte ihm Schwindel. Eines Tages, ich hatte ihn schon länger nicht gesehen, traf ich seine Frau, die mir eröffnete, das ihr Mann neulich des Nachts verstorben sei. Das Herz, einen Termin beim Kardiologen hätte es schon gegeben, aber zu spät. Seine Zeit war abgelaufen.

Irgendwann, einige Monate später, saß ich gemeinsam mit Freunden bei einem Abendessen . Eine Frau in dieser Runde hatte eine ganz besondere Begabung. Ein Medium mit Zugang zu der Welt der Geister. Eine Neigung, der ich damals zumindest eher skeptisch gegenüber stand. Irgend ein uraltes Wissen sagte mir, das ist so, war immer so, wir sind nicht allein, auch, wenn wir glauben, wir wären es. Selbst hatte ich mich ja auch schon in ganz dunklen Augenblicken beschützt und geborgen gefühlt. Der mit Schul-Wissen gefüllte und mit einem technischen Beruf gestärkte Intellekt hingegen neigte dazu, das alles als großen Blödsinn abzutun. Wie auch immer, wir sprachen über unsere vermeintlichen, unsichtbaren Begleiter, jene Wesen, die uns je nach Couleur hilfreich beraten, beistehen wollen oder uns eben in ihrem Sinne manipulieren, herunter auf ihre Ebene ziehen wollen.

Da – neben dir sehe ich einen, ganz deutlich. Er flüstert irgend etwas von Frauen. So sagt die Bekannte und ich frage ratlos, wen sie wohl meinen könnte. Sie lacht und meint, ich würde ihn doch recht gut kennen. Schau`dir doch bloß mal seine Hände an, diese Hände… Rolf`s Hände waren sehr markant, versehen mir großflächigen Pigment-Störungen.

Heute bin ich mir sicher, unsere Welt ist viel größer, als wir das aus unserer Beschränktheit und unserem Alltag heraus erahnen können. Dass wir, ähnlich der Struktur unserer Erde, nur auf eine dünnen Schicht Vertrautem leben und kaum eine Ahnung haben, was darunter alles verborgen ist. Dass die Gesetze der Physik ebenso existent sind wie andere Natur-Gesetze. Dass wir umgeben sind von denen, die vor uns da waren. Dass wir eines Tages erwartet werden, wenn wir dahin zurück gehen, von wo wir gekommen sind.

Dass wir uns nicht fürchten müssen.

 

 

Nahverkehrsmittel

Vor gut zwei Jahren bekam ich von meinem Vater ein schon betagtes Trecking-Rad überlassen, welches er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr fahren konnte. Das stand dann eine ganze Weile herum, neben einem noch viel betagteren Herkules-Halbrenner, Baujahr `81. Bis mir der Verkehr auf der Straße irgendwann reichte und ich mich an das für meine Verhältnisse (10-Gang, keine „Index-Schaltung“) komfortable Rad meines Vaters erinnerte.

Nun bin ich nicht der Mensch, der für Sport oder Bewegung allgemein viel Zeit investieren will und kann, andererseits erkenne ich die Notwendigkeit, meine Gesundheit auch aktiv zu erhalten. Das Rad kam mir da genau recht. „Komfortable“ 3 mal 7 Gänge für die Gegend hier, die Option, bis vor die Geschäfte in der Fußgängerzone fahren zu können und die Möglichkeit aufgrund eines überschaubaren Arbeitsweges, Bewegung in meinen Alltag zu einzubauen, anstelle irgendwelche Sport-Studios zu besuchen.

Letztes Jahr kam dann noch ein ebenfalls betagter, aber wenig gefahrener Crosser hinzu, mit dem deutlich sportlicheres fahren möglich wurde. Nachgerüstet mit einem entsprechenden Lastenträger und Packsäcken erledige ich damit alle möglichen nötigen Wege, komme in Bewegung und mache mich vom Auto unabhängiger.

Manchmal staune ich, was so alles geht, mit guten Willen. Hier z.B. bei der Pack-Station.

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 Oder auf dem Weg zum Fahrradmann

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Oder Papier und Glas entsorgen…

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Einkaufen…

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Zusammen mit dem Rucksack und den Packsäcken kommen stolze 75 Liter Stauraum für grenzwertige Einkäufe zusammen, zuzüglich der Möglichkeit, auch mal unförmigeres Zeug einigermaßen sicher zu fahren. Toll finde ich in dem Zusammenhang die holländischen Lastenräder (Katzenstreu, Mineralwasser…), aber damit käme ich wohl kaum die Berge hier hoch und auch für die Kellertreppe ist so ein Gefährt zu schwer.

Schade eigentlich.

Warum ich auf meinen Freund Farhad stolz bin

Ein Blick in den Kühlschrank sagt mir, das der Ingwer zur Neige geht. Das ist im Winter gar nicht gut, also radle ich bei meiner samstäglichen Einkaufs-Runde am Neumarkt vorbei, meinen Freund Farhad  besuchen, der dort einen vortrefflichen Verkaufsstand führt. Oft tragen wir die gleiche Kopfbedeckung, aber das ist es natürlich nicht allein, was ich an Farhad schätze. Auch unterhalb des französischen Deckels gibt es gewisse Parallelen, und so freue ich mich, ihn bei bester Gesundheit in seinem Wagen anzutreffen.

Wir begrüßen uns freundlich und neben dem exzellenten jamaikanischen Ingwer findet sich Zeit zum plaudern. Ein wenig Zeit nehmen wir uns immer, wenn nicht gerade eine lange Schlange Kunden wartet, aber gestern war ich glücklicherweise etwas später dran, so das der große Run schon vorüber war. Zu erzählen gibt es immer etwas, was macht zu Hause, alles gesund, die Frau, Kinder, das Leben, die Kommunal-Politik, die große Politik, Zeitgenossen, nette und weniger nette. Von der letzten Kategorie hatte Farhad  an diesem Samstag morgen leider schon Besuch, und so höre ich erst staunend, dann zunehmend empört und am Ende laut lachend, was sich so zugetragen hat, an seinem Verkaufsstand.

Ein elegant gekleideter Herr erscheint in Begleitung seiner Familie und schaut sich wortlos die Auslagen an. Mein Freund Farhad begrüßt ihn höflich und freundlich, wie er das mit allen Menschen zu tun pflegt, die ihn besuchen. Der Herr reagiert nicht, hat womöglich nichts gehört und so wiederholt Farhad seine Anrede. Wieder kommt keine angemessene Reaktion, dafür ein ausgestreckter Arm auf ein Objekt der Begierde in den Auslagen mit dem kalten Vermerk: „Davon„. Farhad denkt sich seinen Teil und fragt einfach mal nach. Warum der Herr nicht grüße, so einfachen Formen der Konversation wahre, er hätte ihn ja schließlich bereits zweimal angesprochen. Dafür hätte er keine Zeit, entgegnet der Herr, und wieder zückt der Arm mit dem gestreckten Zeigefinger vor: „Davon„. Selbst das Wort Bitte ist ihm fremd.

Farhad bedauert, ihm mitteilen zu müssen, das gewünschter Artikel leider ausverkauft sei und erklärt im gleichen Satz seine gesamte, prall gefüllte und weithin mit der Nase wahrnehmbare Auslage für ausverkauft. Der vornehme Herr wechselt die Farbe, tönt irgend etwas von Unverschämtheit und will Namen und Rufnummer Farhad`s Arbeitgebers, er würde noch von ihm hören. Farhad reicht ihm freundlich lächelnd eine Broschüre, mit dem Vermerk, dort könne er jederzeit anrufen. Sein Gegenüber steckt das Papier weg, ohne genau hinzuschauen. Hätte er das getan, währe ihm wahrscheinlich Farhad`s Bild auf der Rückseite aufgefallen und hätte ihm weitere Peinlichkeiten vielleicht erspart. So allerdings geht das Theater weiter und das Ordnungsamt wird angedroht. Farhad bietet ihm an, einen Moment zu warten, selbige kämen um diese Stunde regelmäßig hier vorbei schauen, da könne er sich dann gern beschweren. Im übrigen lebe er in einen freien, demokratischen Land und könne sich, Gott sei Dank, aussuchen, an wen er verkaufe und an wen eben nicht. Woraufhin der unangenehme Geselle mit seiner Mischpoke endlich wutschnaubend verschwindet.

Im Anschluss an diese Geschichte kommt Farhad aus seinem Wagen hervor und wir umarmen uns zur Verabschiedung Schulter-klopfend. Er ist für mich einer der größten kleinen Männer, die ich kenne, was erst auffällt, wenn er vor mir steht. Respekt vor soviel Contenance, solch ein Arschloch wie den vornehmen Herrn nicht als selbiges zu titulieren, wie es mir möglicherweise geschehen wäre.

Alle Achtung, Farhad, bleibe, wie Du bist!

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Der Fahrradmann

Es gibt sie noch, richtige Unikate, solche Typen, die auf ihre Weise unverwechselbar sind. Menschen, die in keine Schublade passen, Menschen, die sich ihre Nische gesucht und gefunden haben. Einer von ihnen ist der Fahrradmann, hier in der Nähe. Er lebt hauptsächlich von Mundpropaganda, keine Website oder dergleichen, nur ein dürftiger Eintrag im Branchenregister, keine Telefonnummer, keine Öffnungszeiten, nur Name und Anschrift. Wer etwas von ihm möchte, muss also dort hin. Vor einigen Wochen war mein Trecking-Rad Reparatur-bedürftig, die Ständer-Halterung war durchgerostet und zudem war ich auf der Suche nach einem günstigen, gebrauchten Rad für den Winter. Ein Kumpel von nebenan hat mir mal von dem Fahrradmann erzählt, das klang recht gut, die beste Werbung sozusagen.

Sein kleiner Werkstatt-Laden liegt ein wenig versteckt unten im Luisenviertel. Von der Straße aus geht es durch ein kleines Tor über den Hinterhof zum Eingang. Ein kleiner, muffiger Raum mit einem Mini-Schaufenster, voll gestellt mit Rädern, neue sowie gebrauchte. Ein funzeliges Licht beleuchtet das Ganze spärlich und man könnte meinen, das der Laden verlassen ist. Aber ihm entgeht nichts, wenn draußen jemand steht, schaut er plötzlich um`s Eck, der Fahrradmann. Schon sehr gut jenseits der 50, groß gewachsen, hager, dunkle Klamotten,  meist eine Weste, die Arme stecken in seltsamen Stulpen, die Hände dünn behandschuht. Manchmal ziert auch ein schwarzer Schmierfleck sein Gesicht, wie das so geht, wenn man sich mit öligen Fingern mal kratzen muss.

Der Laden ist Verkaufsraum und Werkstatt in einem. Alles mögliche liegt auf dem Boden, zwei alte 80er-Jahre Telefone, Hörer daneben liegend, Schrauben, Ventil-Kappen, eine Sprühöl-Dose mitten drin. Hinten an der Wand hängt ein Brett, voll gestellt mit Werkzeug und Ersatzteilen. In einer Ecke sind vielleicht 2, 3 Quadratmeter mit einem Tuch notdürftig zu gehangen, dahinter geht es richtig zur Sache, Haufenweise gebrauchte Fahrrad-Teile. Ein auf dem Boden stehender Ventilator bläst unermüdlich und von irgendwo plärrt leise ein Radio.

Bei ihm gab ich also nicht nur mein Rad zur Reparatur, ich erstand ich auch ein uraltes, aber gut erhaltenes Cross-Rad, für meine Zwecke genau richtig, sogar mit einem Jahr Garantie. Ein paar Dinge waren nicht so, wie sie sollten, und darum bin ich noch ein paar mal zu ihm hin. Wortkarg ist er, der Fahrradmann, aber er versteht sein Handwerk. Vor sich hin brummelnd sucht er scheppernd in den Ecken nach Werkzeug und Teilen, er kennt sich aus in seinem nur scheinbaren Chaos. Montage-Ständer oder ähnliches sucht man bei ihm vergebens, das wichtigste Utensil ist eine große Gummimatte auf dem Boden. Mal eben wechselt er das Tretlager, zerlegt die Hinterrad-Nabe, tauscht verschlissene Teile. Es ist eine Lust, ihm beim werkeln zu zuschauen. Fest sitzende Muttern, kein Problem, in den Tiefen des Ladens findet sich ein mächtiges Rohr, das auf dem Schlüssel passt. Keine Werkbank, alles geschieht auf dem Boden, gebückt steht er da in dem trüben Licht, die Taschenlampe im Mund beleuchtet das Zielobjekt. Fragen werden auch unter solch erschwerten Bedingungen nuschelnd beantwortet, wobei ab und zu ein wenig Speichel herunter tropft. Echtes Handwerk eben. Kein Vergleich zu den großen Läden mit den vielen Angestellten und schicken Verkaufsräumen.

Geschickt ist er, zuvorkommend, verbindlich und fair.  Seine Erscheinung wirkt irgendwie aus der Welt gefallen, ein wenig seltsam oder schrullig, wie man sagt. Solche Charakterköpfe sind selten geworden, in unserer auf Äußerlichkeiten getrimmten Welt.

Ich mag ihn, den Fahrradmann.

Cross-Rad

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Mirker Bahnhof

Nach dem Unterricht gingen wir gern zum nahe gelegenen Bahnhof, damals, in den 70ern. Dort war noch Betrieb, auf der so genannten Nordbahntrasse, heute ist dort ein in guten Teilen schon fertiger Radweg, der irgendwann einmal das gesamte Stadtgebiet verbinden soll, halbwegs eben und autofrei, was für Wuppertaler Verhältnisse ausgesprochen selten ist.

Bilder zum vergrößern anklicken…

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Die Bausubstanz ist heruntergekommen, viele Jahre geschah dort nichts und dann immer wieder Streit mit Eigentümern und Mietern. Heute nutzt ein Künstlernetzwerk sowie eine Tanzschule den Bahnhof, gegärtnert wird dort und angesichts des zunehmenden Verkehrs auf der Trasse gibt es seit neuestem ein Cafe. Wenn schon kein Geld, so gibt es doch wenigstens Hoffnung. Persönlich interessiert mich das so genannte Reparatur-Cafe, dort kann man gemeinschaftlich alle möglichen Haushaltsgeräte wieder instant setzen, deren gewerbliche Reparatur nicht mehr lohnend wäre oder wo es von Seiten etablierter Handwerker schlicht an Engagement und guten Willen mangelt.

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 Die Räumlichkeiten der Tanzschule, ehemals wohl Wartesaal der ersten Klasse (von dreien!)

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IMG_3747 IMG_3746Hier noch ein paar Bilder vom Quartier drumherum:

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Auf dem Heimweg…

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Auf dem Schiff

Seit längeren gibt es eine Einladung zu einem doppelten Geburtstag. Der Liebsten Arbeitskollegin samt ihrer Schwester wollen gemeinsam feiern, die eine nach- und die andere hinein in den heutigen Sonntag. Wir sind gemeinsam eingeladen, zum Canoo am Düsseldorfer Rheinufer. Die Liebste ist dicke mit ihrer Kollegin und weil es meist so ist, das ich ihre Freunde auch gut leiden kann, freuen wir uns gemeinsam auf den Abend.

Nach ein paar Ehrenrunden durch die Stadt, der Navi bleibt natürlich daheim – Düsseldorf ist ja sozusagen Nachbargemeinde, erreichen wir den Parkplatz direkt neben dem Schiff am Rhein. Es ist eine Motto-Party, „Bad Hair“ , aha. Die Liebste hat es leicht, dem mit ihrer Mähne gerecht zu werden und mein kaum mehr vorhandenes Hair ist so bad, das ich mir ein schönes schwarzes Tuch kunstvoll um die Rübe binde.

So ungefähr 60 Gäste sind geladen, der größte Teil Freunde und Bekannte der Schwester, die dem Vernehmen nach ein öffentliches und gut dotiertes Amt bekleidet. Fast alle sind so um die Dreißig, wir beide sind tatsächlich die ältesten in der Runde. Flüchtig bekannt ist mir nur die Kollegin, ansonsten sitzen wir erst einmal gemeinsam mit der Hand voll Menschen, die zu ihr gehören. Nettigkeiten werden ausgetauscht, ein wenig Smalltalk, und so bleibt mir reichlich Zeit, mich umzuschauen, Eindrücke zu sammeln und meine Gedanken treiben zu lassen.

Die Gesellschaft ist etwas Frauen-lastig, vielleicht zu zwei Dritteln. Einige Perücken werden zur Schau getragen und kunstvoll bearbeitetes Eigenhaar präsentiert. Eine hat ihre Haarpracht bretthart a la Leningrad Cowboys  steil nach oben toupiert, wahrscheinlich mit Hilfe von Mengen an Chemie, aber mit imposanten Ergebnis, satte 20 Zentimeter mehr Körpergröße. Meine Kamera ist zwar dabei, bleibt aber in der Tasche, ich will hier nicht nerven und es gibt auf dem engen Schiff auch keine Gelegenheit, diskret zu fotografieren. Zwischenzeitlich gehe ich ein wenig umher, suche Toilette und Buffet auf. Bei jedem Gang werde ich witziger Weise von skeptischen Bordpersonal gefragt, ob ich auch ein geladener Gast bin, was ich angesichts meines etwas aus der Art geschlagenen Outfits und Jahrgangs freundlich grinsend bestätige.

Beim Betrachten der Gesellschaft werden Erinnerungen geweckt. Mit dreißig versuchte ich mich erstmals in Familie, chaotisch, aber jedenfalls nicht Sinn-frei. Wichtige Erfahrungen blieben und mein Sohn verdankt dieser Zeit sein Dasein. Hier in der Runde ist von solcher Art Gedanken wenig zu spüren, denen gehört ganz offensichtlich nicht nur an dem heutigen Abend schlicht die Welt. In bester Düsseldorfer Manier sehen und gesehen werden, Oberfläche pur zum hämmernden Pop aus den Lautsprechern. Nur wenige fallen uns auf. Junge Eltern mit ihren kleine Kindern sowie ein, zwei eher still da sitzende Gäste.

Die Liebste stellt Vergleiche an mit gewissen Berliner Vierteln und mir wird einmal mehr bewusst, wie verschieden hier doch die Menschen sind, in Nordrhein-Westfalen, diesem Kunstgebilde der Alliierten. Düsseldorf liegt nur gut 40 Kilometer entfernt von hier und doch ist die Atmosphäre eine ganz andere. Der Schein zählt hier mehr als das Sein, verbunden mit rheinischer Offenheit. Schnelle Kontakte sind möglich, aber ebenso schnell dreht man sich um und geht weiter. Handel, wandel, und gewinne, easy come, easy go.

Was für ein Unterschied doch zu den Menschen hier im bergischen Land, das in der Namensfindung damals allenfalls als  Bindestrich zwischen Rheinland und Westfalen auftaucht. Ein eher zurückhaltender Menschenschlag mit mehr Bodenhaftung. Es dauert, bis man sich einander öffnet, einmal gewonnene Sympathien erweisen sich dann aber auch oft als dauerhaft. Beständigkeit ist die positive Seite der Bodenhaftung, eher düster der verbreitete Hang zur Grübelei hier in den Bergen.

Zeitig, jedenfalls für lokale Verhältnisse, brechen wir am frühen Morgen auf. Ein unterhaltsamer Abend war es jedenfalls und müde, wie wir sind, freuen wir uns wieder daheim zu sein, im stillen Tal der Wupper. Zum Schluss fallen mir noch ein paar berühmte Söhne Düsseldorfs ein…