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Warum ich auf meinen Freund Farhad stolz bin

Ein Blick in den Kühlschrank sagt mir, das der Ingwer zur Neige geht. Das ist im Winter gar nicht gut, also radle ich bei meiner samstäglichen Einkaufs-Runde am Neumarkt vorbei, meinen Freund Farhad  besuchen, der dort einen vortrefflichen Verkaufsstand führt. Oft tragen wir die gleiche Kopfbedeckung, aber das ist es natürlich nicht allein, was ich an Farhad schätze. Auch unterhalb des französischen Deckels gibt es gewisse Parallelen, und so freue ich mich, ihn bei bester Gesundheit in seinem Wagen anzutreffen.

Wir begrüßen uns freundlich und neben dem exzellenten jamaikanischen Ingwer findet sich Zeit zum plaudern. Ein wenig Zeit nehmen wir uns immer, wenn nicht gerade eine lange Schlange Kunden wartet, aber gestern war ich glücklicherweise etwas später dran, so das der große Run schon vorüber war. Zu erzählen gibt es immer etwas, was macht zu Hause, alles gesund, die Frau, Kinder, das Leben, die Kommunal-Politik, die große Politik, Zeitgenossen, nette und weniger nette. Von der letzten Kategorie hatte Farhad  an diesem Samstag morgen leider schon Besuch, und so höre ich erst staunend, dann zunehmend empört und am Ende laut lachend, was sich so zugetragen hat, an seinem Verkaufsstand.

Ein elegant gekleideter Herr erscheint in Begleitung seiner Familie und schaut sich wortlos die Auslagen an. Mein Freund Farhad begrüßt ihn höflich und freundlich, wie er das mit allen Menschen zu tun pflegt, die ihn besuchen. Der Herr reagiert nicht, hat womöglich nichts gehört und so wiederholt Farhad seine Anrede. Wieder kommt keine angemessene Reaktion, dafür ein ausgestreckter Arm auf ein Objekt der Begierde in den Auslagen mit dem kalten Vermerk: „Davon„. Farhad denkt sich seinen Teil und fragt einfach mal nach. Warum der Herr nicht grüße, so einfachen Formen der Konversation wahre, er hätte ihn ja schließlich bereits zweimal angesprochen. Dafür hätte er keine Zeit, entgegnet der Herr, und wieder zückt der Arm mit dem gestreckten Zeigefinger vor: „Davon„. Selbst das Wort Bitte ist ihm fremd.

Farhad bedauert, ihm mitteilen zu müssen, das gewünschter Artikel leider ausverkauft sei und erklärt im gleichen Satz seine gesamte, prall gefüllte und weithin mit der Nase wahrnehmbare Auslage für ausverkauft. Der vornehme Herr wechselt die Farbe, tönt irgend etwas von Unverschämtheit und will Namen und Rufnummer Farhad`s Arbeitgebers, er würde noch von ihm hören. Farhad reicht ihm freundlich lächelnd eine Broschüre, mit dem Vermerk, dort könne er jederzeit anrufen. Sein Gegenüber steckt das Papier weg, ohne genau hinzuschauen. Hätte er das getan, währe ihm wahrscheinlich Farhad`s Bild auf der Rückseite aufgefallen und hätte ihm weitere Peinlichkeiten vielleicht erspart. So allerdings geht das Theater weiter und das Ordnungsamt wird angedroht. Farhad bietet ihm an, einen Moment zu warten, selbige kämen um diese Stunde regelmäßig hier vorbei schauen, da könne er sich dann gern beschweren. Im übrigen lebe er in einen freien, demokratischen Land und könne sich, Gott sei Dank, aussuchen, an wen er verkaufe und an wen eben nicht. Woraufhin der unangenehme Geselle mit seiner Mischpoke endlich wutschnaubend verschwindet.

Im Anschluss an diese Geschichte kommt Farhad aus seinem Wagen hervor und wir umarmen uns zur Verabschiedung Schulter-klopfend. Er ist für mich einer der größten kleinen Männer, die ich kenne, was erst auffällt, wenn er vor mir steht. Respekt vor soviel Contenance, solch ein Arschloch wie den vornehmen Herrn nicht als selbiges zu titulieren, wie es mir möglicherweise geschehen wäre.

Alle Achtung, Farhad, bleibe, wie Du bist!

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