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Kleider machen Leute?

So sagt man im allgemeinen. Schon wesentlich, wer sich welchen Fetzen und warum umhängt. Selbst bin ich da relativ unbedarft. Jeans, Shirts, Baumwollhemden kariert und die dicke M65 im Winter. Schieberkappe oder Dockermütze ganzjährig, Sommertags auch mal ein Kopftuch um die fast nackte Rübe. Fertig. Das fällt mir relativ leicht, weil ich keine Person „öffentlichen Interesses“ bin und keinen Verkehr habe, bei dem man gut gekleidet sein muss. Darüber hinaus bin ich der Meinung, dass, wer sich auf Äußerlichkeiten verlässt, schon das Potential zum sich-wundern in sich trägt. Das kann durchaus mal daneben gehen, kann ich aus eigener Erfahrung sagen.

Meinem bislang besten Lehrmeister zu dem Thema begegnete ich Anno 1986 oder so. Zu Zeiten der Abendschule, die ich damals berufsbegleitend besuchte. Eine etwas stressige Zeit, 8-Stunden-Job, drei mal die Woche am Abend Penne, von 6 bis 9. Dazwischen Hausaufgaben, Klausur-Vorbereitungen. kiffen, saufen, Rock N Roll, Beziehung führen. Die Reihenfolge ist nicht beliebig, leider, rückblickend, und stolz bin ich auch nicht darauf.

An so einem Abend in der Schule gab es etwas zu kopieren. PC und Scanner gab es noch nicht, geschweige Smartphon mit Texterkennung. Wer etwas kopieren wollte, musste also in so einem Laden, einem Kopierladen, mit inakzeptablen Öffnungszeiten und sonstwo abseits des Weges gelegen. Keine gute Idee für einen beschäftigten Abendschüler, also ab in der Pause in das mutmaßlich verwaiste Lehrerzimmer, welches über einen Kopierer verfügte. Der Deckel von dem Ding stand schon auf, da meint ein Typ neben mir, keine Ahnung, wo der auf einmal herkam, das ginge aber nicht, Lehrerzimmer und so und wenn das jeder täte. Als ich mich der Stimme zuwende, sehe ich einen alten Mann mit strubbeligen, grauen Locken und einem usseligen, offen stehenden grauen Arbeitskittel, Typ Hausmeister Krause.

Von den Äußerlichkeiten geblendet antwortete ich frech, ich hätte nur die eine Kopie und wer er denn wäre, dass er sich hier so ereifere. Worauf mir der Typ seinen Namen nannte und – er Direktor dieser Schule sei. Etwas geschockt zog ich von dannen, wohl wissend, dass der Direktor dem Vernehmen nach auch im Prüfungsausschuss des Technikums sitzt, ich also bei der staatlichen Abschlussprüfung durchaus noch einmal mit ihm zu tun haben könnte. Dumm gelaufen mit der großen Fresse, am folgenden Abend rief ich ihn daheim an und bat um Nachsicht für mein Auftreten …Canossa light … „Lassen Sie sich künftig nicht von Äußerlichkeiten täuschen …“ meinte er milde gestimmt, Glück gehabt. Das Leben ist eben doch der beste Lehrmeister.

Heute stehe ich gerne auf der anderen Seite, mit meinem Auftreten. Ich wirke meinem Äußeren nach irgendwie in den frühen 80ern stecken geblieben, mein Auftreten ist zunächst meist eher bescheiden und freundlich. Wer mich näher kennt, weiß um gewisse Steigerungen, die der erste Eindruck nicht unbedingt vermuten lässt, was mir immer wieder Freude bereitet. Meinem ehemaligen Direktor bin ich immer noch dankbar, für die Lektion in Sachen Klamotten und die 2.48, bestanden mit Zwei …

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