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In der Küche

Wenn ich nichts mit mir anzufangen weiß, gehe ich in die Küche. Der Kühlschrank ist meistens gut gefüllt und irgendetwas gibt es immer zu tun, Vorräte machen Sinn und ich koche gerne. Dabei läuft Musik, oft Radio, gerne WDR5, Funkhaus Europa, DLF und vergleichbares. Meine erste Wahl, mich über das Zeitgeschehen zu informieren. Ab und zu allerdings gibt es nur Uninteressantes und auf die Mainstreamsender möchte ich nicht ausweichen. Dann kommt ein CD zum Einsatz, was nicht ganz ohne ist, derweil Musik doch oft mit Stimmung verbunden ist. Sie ist ein super Katalysator, das hervorzuholen, was gerade darauf wartet, an`s Licht kommen zu dürfen. Dem entsprechend fällt die Vorauswahl nicht gerade zufällig aus.

Meine letzte Anschaffung ist von Seasick Steve, YOU CAN´T TEACH AN OLD DOG NEW TRICKS, gebraucht, da neu nicht mehr für einen akzeptablen Preis zu erwerben. Der Titel impliziert altersbedingte Unbelehrbarkeit, aber so ganz trifft es das nicht. In dem Titelsong ist eher die Rede von Kapitulation vor dem, was ist, vor allem vor dem, was nicht zu ändern war oder ist. Auch ich gebe nicht (mehr) gerne den Don Quijote ab, das wirkt auch zunehmend lächerlich mit den Jahren.

Allein. Alle haben gut zu tun und ich kann sie alle gut verstehen. Mir geht es ja im Grunde ähnlich. der Beruf, das Leben kostet Energie, Energie, mit der gehaushaltet werden möchte, mit den Jahren. Die wenige Zeit, die bleibt, bekommen die, die mir am nächsten sind. Die Liebste. die Kinder, die Rest-Familie und sehr wenige sehr beharrliche Freunde, auch, wenn man sich nur alle Monate wieder mal sieht.

Allein ist nicht einsam, darum ist allein sein ganz in Ordnung. Es gibt kein Bedürfnis mehr, die Nähe von Menschen zu suchen, die bestenfalls hofiert werden möchten und sich ansonsten wenig um ihre Nächsten scheren. Allein sein, allein gelassen werden hatte früher für mich etwas furchtbares. Der Tod eines vertrauten Menschen ist in seiner Unwiderruflichkeit sozusagen die Königsklasse des allein-gelassen-werden. Er fragt niemanden, ob es ihm recht wäre, erst recht nicht diejenigen, die noch ein Weilchen bleiben müssen oder dürfen, je nach Sichtweise. In der Liga darunter sind die zahllosen Menschen, deren Wege sich irgendwann mit meinem kreuzten und die dann teilweise spurlos verschwanden.

Heute ist allein sein eine gute Gelegenheit, in mir Frieden zu finden. Und – wenn ich die Gesellschaft von Menschen suche, weiß ich, wo meine Jacke ist und wie die Tür aufgeht. Ein geschenktes Lächeln ist meistens drin, für mich und natürlich auch für die anderen.

In dem Sinne –
Have mercy with the lonely.

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Besuch

Da kommt ein Mensch zu uns. Wir reden und essen ein wenig, eigentlich kenne ich ihn nicht. Die Liebste kennt ihn schon näher. Ich mag ihn, obgleich sein Vater nur ein paar Jahre älter ist als wir. Dieser Mensch spricht nicht viel, strahlt aber aus. Er hat etwas, was ich kenne. Antennen. Früher nannte man das eher medial veranlagt, heute hat die moderne Psychologie sicher passende Fachbegriffe.

Wie auch immer. Antennen eben. Gespür, Einen sechsten Sinn. Gefühl für Signale, etwas, was leider viel zu oft mit dem Unvermögen verbunden ist, zu differenzieren und / oder sich zu schützen. Was die Nerven strapaziert und Folgen hat. In meinem Fall eine fette Sucht-Struktur, mit der ich mir meinen künstlichen Kokon geschaffen habe.

Gemeinsames Interesse mit diesem besagten Menschen ist die Musik. Wir waren auch schon einmal bei ihm und ich bin in seinem CD- und Plattenschrank versunken. Gestern also ließ er ein Gastgeschenk hier, sozusagen. Eine CD, die ich mir kopieren durfte. Blues-Rock, wie ich ihn schon lange nicht gehört habe.

Vom feinsten, eine knappe Viertelstunde, die sich lohnt.
Wer sich die Zeit nehmen möchte – wünsche Gänsehaut beim hören.

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