Sendersuchlauf

Unser Kabel-Anbieter schüttelt in letzter Zeit alle paar Wochen seine Sender durcheinander, was zur Folge hat, dass hier und da ein neuer Sendersuchlauf gestartet werden muss. Mich stört`s nicht wirklich, weil ich nicht so ein Fernseh-Mensch bin. Hauptsache, ich bekomme Abends meine halbe Stunde Regionalnachrichten mit, der Rest interessiert mich weniger.

Wir bekommen sowieso nicht das volle Programm, weil uns so ein modernes Teil fehlt, mit dem man auch die tollsten Bilder noch sehen können soll. An die wechselnden Programmnummern gewöhne ich mich auch schnell, das hält wach. Manchmal staune ich, wer sich da alles tummelt, im Angebot. Neben Phoenix und Arte, die auch manchmal gut zu schauen sind, landete ich neulich später am Abend bei Bibel-TV, mitten in einem historischem Spielfilm über Moses, seine weite Reise mit dem Stamm Israel und dem Zustandekommen der 10 Gebote, aus biblischer Sicht.

Verwundert schaue ich den alten Schinken eine Weile. Passt zum Sender-Namen, denke ich und frage mich nach dem potentiellen Nachtprogramm – wohl kaum das Übliche, also irgend ein Soft-Porno oder abgehalfterte B-Serien. Meine Neugier reicht nicht so weit, mir via Bildschirmtext darüber Klarheit zu verschaffen, dafür finde ich zumindest den Rest des alten Filmes recht spannend.

Die 10 Gebote und deren Zustandekommen … wohl kaum werden sie Moses von Gott persönlich auf dem großen Berg als frisch gebackene Steinplatten überreicht worden sein, auch, wenn das in dem dicken alten Buch (und natürlich auch in dem Film) gut aussieht. Vielmehr glaube ich, das sie, wie die meisten Fortschritte im Leben, nicht durch Aufhebung der physikalischen Gesetze oder gar durch menschliche Einsicht entstanden sind, sondern eher durch tiefes Leid, vielfach schlechtem Gewissen, innerem Zwiespalt und Ströme von Blut.

Für mich haben sie in ihrer Einfachheit und Klarheit große Kraft, wie immer sie auch entstanden sein mögen. Mit ihnen ist im Grunde alles gesagt, alle weiteren Vertiefungen haben ihre Ursache wahrscheinlich nur in dem Hang der Menschen, sich von einander zu unterscheiden. Mir reichen sie als Orientierung für mein Leben völlig aus und haben für mich größere Strahlkraft als das gerade gültige geltende Recht, welches ja enormen Schwankungen unterliegen kann. Sie sind zeitlos und für mich ein gute Hilfe in unübersichtlichen Zeiten einerseits sowie in einer Konsum-orientierten, mich in ihrer Gier zunehmend abstoßenden Welt andererseits.

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17 Gedanken zu „Sendersuchlauf

  1. Anhora

    Ich kann die 10 Gebote sogar noch weiter einstampfen auf ein einziges: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“. Wer sich daran hält, lügt nicht, stiehlt nicht, betrügt nicht, tötet nicht. Und wenn man sich mal selbst nicht so richtig mag, darf man auch andere mal nicht mögen.
    Einzig das Gebot „Du sollst keine fremden Götter neben mir haben“ fehlt hier, und das halte ich für eins der wichtigsten Gebote überhaupt. Es spricht gegen Aberglaube, Sucht, Konsum, alles was wir halt sonst noch so gerne anbeten. 😉
    Hab einen schönen Sonntag!

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    1. Reiner

      Das habe ich auch schon so gehört, im Grunde ist es so. Wenn man davon absieht, das viele Menschen nicht gut mit sich selbst umgehen. Aber im Prinzip stimmt das, ebenso wie die „fremden Götter“, die unseren Planeten langsam, aber sicher ruinieren. Mir bleibt da nur zum Trost, dass die Erde schon andere Naturkatastrophen als uns Menschen überstanden hat…

      Danke & auch Dir einen guten Sonntag-Abend!

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  2. Babs

    Wie wahr, wie wahr! Der olle Kant hat daraus augenscheinlich wohl auch seinen berühmten Imperativ destilliert. Besonders beeindruckend finde ich, dass sich diese Regeln, diese Moralvorstellungen, über so viele Jahrtausende hinweg gehalten haben.

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  3. Aloisia Eibel

    Lieber Reiner!
    Ich bin tief beeindruckt von Deinem Text! Wie du das Wesentliche mit klaren Worten formulierst.
    Ich durfte in meiner Ausbildung ein Theologiestudium absolvieren welches erfüllt war von Freiheit und Offenheit für die ganze Schöpfung. Besonders die Liebe zu den Menschen in all ihren Facetten hat mich für mein Leben reich beschenkt. Ein Glaube mit menschlichem Antlitz. Deine Worte gehen mit dieser Sichtweise konform. Danke und gratuliere! Brauchst nicht abzuwiegeln!

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  4. Holda Stern - Sabina

    Tja … mich haben die zehn Gebote eher frustriert zurückgelassen … denn – es ist kaum zu glauben – sie wurden ausschließlich für die Männer verfasst! Und, wenn man die damaligen Zustände bedenkt, sind sie, was den Umgang mit Frauen (Kinder, Sklaven, Tiere … ) betrifft, nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber okay … immerhin. Dann gibt es in der Bibel auch noch einen zweiten Gebote-Text, dieser zeigt etwas deutlicher, dass es nicht darum geht, zum Beispiel Frauen oder Sklaven besser zu respektieren. Die zehn Gebote waren natürlich ein Fortschritt für die Zeit damals, vielleicht sollte mal wieder ein neuer Moses aktualisierte Gebote vom „Berg“ runterbringen … im alten Testament steht zum Beispiel nichts davon, dass du deine Ehefrau nicht vergewaltigen darfst. Warum? Weil die Frau als „Besitz“ galt, der zwar nicht abgeluchst werden durfte, jedoch ansonsten durfte man fast alles mit ihr machen, was man wollte. In den zehn Geboten steht nichts davon, dass du eine Frau oder ein Kind oder einen Sklaven nicht schlagen darfst usw.
    Ja, du siehst das auch richtig, dass die zehn Gebote durch leidvolle Erfahrungen entstanden sind. Sie sind im Grunde eine Art Zusammenfassung von moralischen Einsichten, die die Menschen bzw. Priester damals auf irgendeine Weise gewonnen haben. Jedoch sind sie nicht das letzte Wort, das „Gott“ gesprochen hat. Das hat auch dieser kluge Weise namens Jesus damals deutlich gemacht. Schade, dass die Kirche im Laufe der Zeit diese moralische Entwicklung in der Zusammenlebung so stark blockiert hat und immer „nur“ Jesus als Vorbild genommen hat. Es gab und gibt noch immer Menschen, die unsere Welt weiterbringen. Gott sei Dank, im wahrsten Sinne des Wortes!
    Lieber Reiner, ich wünsche dir und deiner Familie eine gute Woche

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    1. Reiner

      Sie sind Kinder ihrer Zeit und sicherlich unvollständig mit Blick auf den von Dir angesprochenen Gewalttaten, Wie weiter oben schon von Anhora gesagt, fehlt der eine Satz, aus dem sich alles weitere herleiten ließe: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Sofern die eigene Lieblosigkeit gegen sich selbst erkannt werden kann. Ansonsten haben die 10 Gebote für mich nichts von ihrer Aktualität verloren, eben auch für Frauen, was Gewalt, Gier, Ehebruch, falsches Zeugnis und dergleichen angeht. Zwar mögen Gewalttaten in ihrer großen Mehrzahl von Männern begangen werden, was für mich nicht gleich aus jeder Frau eine Heilige macht 😉

      Liebe Gruß und auch Dir und den Deinen eine gute Woche!

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      1. Reiner

        Gerade habe ich sie mir im Wortlaut noch einmal durchgelesen – ich bin da zwiegespalten. Einerseits spricht er dort von Selbstlosigkeit, andererseits klingen seine Worte sehr rigide. Worte ihrer Zeit halt – aber eine Ergänzung zu den 10 Geboten, ja.

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  5. Bisou

    Jetzt in die Tiefen der Nacht verbannt, kann ich mich erinnern den Film als Kind im Sonntagsnachmittag Programm gesehen zu haben. Wollte die inneren Bilder dazu auffrischen und klicke „10 Gebote“ an weil ich glaubte der Link führt zum Film.

    Mich lässt nicht los was ich da (vorgestern) gelesen habe. Nicht die Gebote sondern deren Auslegung. Alle beginnen sie mit „Wir sollen Gott fürchten“ – damit kann ich gar nicht umgehen. Kann mich auch nicht erinnern es auch nur annähernd so gelernt zu haben.

    Kannst du es mir erklären? Wozu soll das gut sein? Wer mir Angst aufzwingt möchte mich beherrschen, manipulieren… es passt so gar nicht zum lieben…

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    1. Reiner

      Ich muss gestehen, die Interpretationen unter den 10 Geboten auf der verlinkten Seite habe ich nur überflogen – ein grober Schnitzer. Da stimme ich Dir völlig zu, es passt nicht und erinnert an die Jahrhunderte der Unterdrückung durch die Kirchen sowie an damit verbundener Manipulation und Einschüchterung.

      Ich werde eine andere Seite suchen – Danke für deine Aufmerksamkeit !

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  6. gerlintpetrazamonesh

    Stimmt, da war doch mal einer (ist schon länger her), der das sagte. Liebe deinen Nächten wie dich selbst. Eigenanamnese: liebe ich mich? Und schon wied es kompliziert.
    Und auch mein Vater sagte schon, dass es doch genügen würde, hielten sich die Menschen an diese 10. Das ist zum einen so schön wahr, dass es einen Pferdefuß geben muß. Und da wäre schon der erste: kaum wandte sich Moses ab (und Jesus hätte sich mal besser daran erinnert) beteten sie das goldene Kalb an. Kann uns heute nicht mehr passieren, denn ein Kalb ist fast nichts mehr wert, billig und keineswegs wert, gut behandelt zu werden, wir nehmen lieber nur das Gold.
    Aber da war noch ein zwetier Pferdefuß: recht gelesen sind es die Gebote, die sich ein paar umherziehende Nomaden mit einem strikt patriarchalischen System gaben. Begehre nicht deines Nächsten… Na? Klingelts? Kälber und Esel waren noch was wert, sogar ohne golden zu sein. Wie viele gibst du für eine junge Frau? Denn sie ist auf genau der selben Wertstufe, eine Ware, ein Besitz.
    Tut mir leid für die ach so bemühten jungen Pfarrer, die uns erklären wollen, dass das, wenn man die Worte lange genug verdreht, anders zu lesen sei, aber das ist Quatsch, das waren halt solche Halbwüstenbewohner, die in diesem Gesellschaftssystem lebten und es sich gar nicht anders vorstellen konnten (können?).

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    1. Grinsekatz Beitragsautor

      Frauenfeindlichkeit aller Orten, man kann in allem das jeweils passende hineininterpretieren. Wenn dir der Schuh passt, zieh in dir an 😉

      Was die Eigenliebe angeht – in der Tat kann Selbsthass demzufolge eine Legitimation für jedes Arschloch sein. Wären da nicht noch ergänzend die anderen Gebote.

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