Nachgerufen (2)

An deinem vorletztem Tag vor einem Jahr hatte ich Gelegenheit, mich von Dir zu verabschieden. Danke zu sagen. Du konntest kaum mehr sprechen und mein Herz war unendlich schwer, dich so zu sehen. Worte haben in solchen Augenblicken keine Bedeutung mehr. Darum jetzt und hier ein zweiter Versuch.

Mal davon abgesehen, dass wir uns in Sachen Neptun`sche Traumwelten sehr verbunden waren und einen ähnlichen Musik-Geschmack hatten – weißt Du, was darüber hinaus dauerhaft in meiner Erinnerung geblieben ist?

Dein bedingungsloses JA ohne Aber.

Das habe ich bis dahin nur selten erlebt. Ich, das übergewichtige Unkind mit den langen, fettigen Haaren und der unmöglichen Hornbrille. Schüchtern, total gehemmt, umgeben von einer von Angst beherrschten, inneren Welt, die nur im Suff erträglich wurde, damals. Mit 16. Heute würde man mich Nerd rufen, damals nannte man mich Psycho, was auch irgendwie passend war. Ein Psycho-Nerd also, der gerade das kalte Wasser der Schulzeit mit dem noch kälteren Wasser des beginnenden Berufslebens gewechselt hatte. Der nah am Wasser gebaute, der stets als letzter bei der Zusammenstellung der Völkerball-Mannschaft gerufen wurde.

Komm`mit, hast Du gesagt, und mich so genommen, wie ich war. Klingt für die meisten Menschen selbstverständlich, ich kann Dir versichern, das war es nicht und ist es nicht.

Danke nochmal.

6 Gedanken zu „Nachgerufen (2)

  1. Tina

    Danke Rainer,
    So war er und so wird er in unserer Erinnerung bleiben. Tom war kein einfacher Mensch, aber für seine Familie und seine Freunde hätte er sein letztes Hemd gegeben.
    Er fehlt mir, aber so nach und nach bekomme ich mein Leben in den Griff.
    LG Tina

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  2. Holda Stern

    Dein „Nachruf“ hat mich sehr berührt … du kannst deine Gefühlswelt so gut in Worte fassen … an dir ist wirklich ein Schriftsteller verloren gegangen …

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