Macht & Pantomime

Freitag vor 8 Tagen. Die Liebste und ich fahren gen Köln, die armenische Gemeinde im Norden der Stadt  besuchen. Wir freuen uns auf den Abend, aus mehreren Gründen. Die Liebste, weil sie so Gelegenheit hat, sich wieder einmal in ihrer Muttersprache zu unterhalten und gemeinsam freuen wir uns auf den Gast-Auftritt von Vertretern des staatlichen armenischen Pantomime-Theaters.

Mich interessiert die Veranstaltung zum einen wegen der Art der Verständigung. Da ich nun kaum ein Wort armenisch verstehe oder spreche, bin ich auf Staaten-übergreifende Familientreffen stets stark auf Mimik und Gestik angewiesen, um halbwegs mitzubekommen, was in den Menschen vorgeht. Pantomime ist ja das Spiel mit der Überzeichnung von Mimik und Gestik, oft zusammen mit Maske und Verkleidung, es braucht dazu keine Sprache. Besser können sich Menschen verschiedener Sprachen nicht verstehen.

Faszinierend ist für mich auch das Thema der Aufführung sowie die Einfachheit unter den Voraussetzungen in dem kleinen Gemeindesaal. Es geht um die Macht, in ihren ganzen Facetten. Während der knapp halbstündigen Aufführung symbolisiert eine junge Frau die Verheißungen und Verlockungen der Macht. Ein simpler Stuhl verkörpert die Macht an sich und ein alter Mann steht für den Verführten, den Macht-Besessenen. Das Spiel folgt einer Regie, wie es im täglichen Leben so oft zu finden ist. Vielleicht bei irgendwelchen Vereins-Vorsitzenden, bei den Vorgesetzten mit ihren Weisungsbefugnissen am Arbeitsplatz bis hin zu den gewählten Vertretern der Macht und schlussendlich der praktizierenden Staatsmacht mit ihren Gewalten. Nicht zu vergessen ist auch die Machtverteilung im kleinsten Rahmen, in Beziehungen und Familien.

Es beginnt wie immer mit Verlockung, Verführung, Verheißung. Vorsichtige Annäherung an den ersehnten Zustand mit folgender Inbesitznahme der Macht-Position. Erkennen der Möglichkeiten von Macht-Ausübung und auch Macht-Missbrauch. Die Schwere der Verantwortung, die Macht mit sich bringen kann, ist zu spüren, gegen Ende wird sichtbar, das die gerufenen Geister nicht einfach wieder abzulegen sind.

Eine schöne Aufführung, hier einige Bilder, leider in minderer Qualität aufgrund der Licht-Verhältnisse, aber sie sprechen, denke ich, dennoch für sich.

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Am Ende…

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8 Gedanken zu „Macht & Pantomime

  1. QuerVerbindung

    …ein sehr großer Teil der Kommunikation läuft unabhängig von der Sprache ab…ich glaube sogar, mehr als 50%, bin mir aber nicht sicher…

    …Macht…das ewige Thema…auf vielen Wegen erreichbar, immer begehrt, da sie Sicherheit vorgibt…ist aber auch nur eine scheinbare Sicherheit…muss der erkennen, der vom Thron gestürzt wird…

    liebe Grüße und eine gute Woche wünscht
    Heide

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    1. Reiner

      Macht im Sinne von Rückgrad – gerne. Auch muss bei größeren Unternehmungen, an denen viele Menschen mitarbeiten, einer „den Hut aufhaben“. Staat und Politik zählen im weitesten Sinne dazu. Solange die „Mächtigen“ nicht vergessen, wer sie gewählt hat…

      Dir auch eine gute Woche!

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  2. Bisou

    Das ganze Leben ist eine einzige Pantomieme.

    So wie du erklärst wie es dir bei dem Armenischen Teil deiner Familie ergeht, genau so lernen wir alle das sprechen.

    Ich habe es immer wieder erlebt: bis die Kinder ca. zwei sind spielt es absolut keine Rolle in welcher Sprache man zu ihnen spricht.

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  3. Uschi H.

    Pantomime fasziert mich immer wieder und wie man an deinen Fotos sehen kann,
    wird es sehr ausdrucksstark vorgeführt.

    Wenn ich im Sommer in einem Strassencafe sitze,
    lese ich auch unheimlich gerne nur aus den Gesten von Menschen, die sich in der Ferne bewegen,
    was sie eigentlich zum Ausdruck bringen.

    In Ermanglung von Sprache, immer wieder ein interessantes Unterfangen ;-).

    Einen lieben Gruß in den Abend
    Uschi

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  4. gerlintpetrazamonesh

    Es wäre so einfach – im direkt folgenden Artikel ist ein janussitziges Beispiel abgebildet. Ein zweiter Stuhl… Aber der würde doch den Ehrgeiz mindern, dann würden die Leute doch nicht mehr arbeiten (buckeln, für wenig Geld schuften, an den Tellerwäschertraum glauben…) wollen!
    Ja, deswegen wird der zweite Stuhl nicht aufgestellt. Und das singuläre Sitzmöbel recht massiv besetzt. Denn der da sitzt hat meist einen seßhafteren, feisteren Hintern, sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne, als der Pantomime.
    Der zweite Stuhl? Wir können von seiner Existenz ausgehen. Obwohl er außer Sicht und unter Verschluß bleibt. Frage nach Geld für Pflege, für Schule und andere Dinge, die den Menschen unmittelbar dienen: es gibt keines! Frage nach wervolleren, ideelleren Gütern, stählernden Panzern etwa: wie viel brauchst du? Nimm!

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    1. Grinsekatz Beitragsautor

      Für mich steht dieser Stuhl für Macht- und Ressourcenteilung, im weitesten Sinne. Der so genannte Tellerwäschertraum ist eine Illusion, deren Verwirklichung nur sehr wenigen Menschen gelingt. In erster Linie ging und geht es immer um das Zurechtkommen und nach Möglichkeit ein kleines Bischen mehr. Was verloren gegangen ist – es braucht mehr als pures Fressen und Obdach.

      Ideelle Güter – stählerne Panzer gehören für mich definitiv nicht dazu, obgleich ich kein Pazifist bin.

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