Exkurs

Die Arbeit staut sich, mancherlei Alltags-Verrichtungen und Pflichten kleben wie zäher Brei und lähmen die Seele, der es gefühlt zuviel des Ganzen ist, zumindest zeitweise. Gruppen-Aktivitäten haben sich zum PC hin verlagert, was an sich gut ist, aber kein wirklicher Ersatz für die physische Nähe von Menschen. Dort, wo ich es gerne leben täte, beruflich, da geht es leider nicht, weil ich einen altmodischen, technischen Beruf habe und tatsächlich noch des Morgens in die Werkstatt gehe, hin zu den ausgetretenen Pfaden zwischen Schreibtisch und den mit mir gealterten Maschinen. Wenn ich in einigen Jahren, so Gott und der Konzern es wollen, dort meinen letzten Tag haben werde, sind die Chancen groß, das meine treuen stählernen Gefährten zu schnöden Kernschrott degradiert werden, wer weiß. Mit in den so genannten, derzeit mehr oder weniger beliebten Home-Office nehmen kann ich sie leider nicht, wegen ausgeprägter Schwergewichtigkeit, extremen Hang zum lärmen und altersbedingten Schwächen wie permanentes kleckern und tropfen.

Anderes drängt an die Oberfläche, versucht sich Platz zu schaffen, zwischen der Arbeit und den Pflichten. Mal darf ich inne halten und dann wird ein einzelnes Stichwort im digitalen Notizbuch festgehalten. Der Versuch, das Gefühl eines Augenblicks zu beschreiben und bei solchen Gelegenheiten wie eben jetzt hervorzuholen und zu vertiefen. Was nicht so einfach ist, wie ich gerade merke. Stehen doch dort im Memo unter anderen so getragene Begriffe wie Auflösung, Transzendenz, Pelzgefühl, letzte Wahrheit, Urgrund. Zeugnisse eines Lebensgefühls unterhalb des Alltags, Zeugnisse mancher teils erschreckender, teils überraschender Erkenntnisse, die sich durch Risse und Spalten in der Geschäftigkeit ihren Weg nach „oben“ suchen. Oder durch bewusste Ruhepausen, ohne die bewährten Ablenkungen, an`s Licht gelockt werden. Die astrologischen Entsprechungen, deren Interpretationen  in den einschlägigen, allgemein eher mit Vorsicht zu genießenden Foren und Büchern nachzulesen sind, beziehen sich auf Mond und Venus nicht nur im zwölften Haus, auch im Sternbild Krebs, was zu guten Teilen passt. Als Teile der mir mitgegebenen Optionen, nicht mehr und nicht weniger. Die äußere Entsprechung in der Gegenwart ist das begleiten meiner Eltern auf ihren letzten Wegen. Ungewohnte Nähe, der ich jahrzehntelang ausgewichen bin und nun mangels gangbarer Alternativen leben darf. Macht Sinn, denke ich und kann es annehmen, wie es ist, fernab der alten Muster, weder verängstigtes Kind noch überheblicher Oberlehrer, altes Leben zwischen den Polen, hinter mir gelassen. Auf der anderen Seite darf ich zu meiner Freude erleben, wie mein großes, leibliches Kind erwachsen wird, Stück für Stück. Werden und vergehen eben.

Und so tauche ich wieder auf, schaue das Flauschknäuel namens Lilit, unsere dunkle Seite des Mondes, das es sich dicht bei mir hinter dem Monitor leise schnarchend gemütlich gemacht hat, höre die Stimme der mittlerweile eingetroffenen Liebsten, die mich an so profanes wie Abendbrot erinnert. Mit Recht – und eben mit Hunger. So sei es dann…

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Gestreckt sieht man mehr…

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8 Gedanken zu „Exkurs

  1. Peter Rak

    Gut umschrieben 🙂 das Pendeln zwischen sehen und wahrnehmen, zwischen Substanz und Rahmen. Dieses gute Gefühl immer und überall in der gleichbleibenden Substanz ruhen zu können und friedlich sein, dieser Raum ohne Konflikte.

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  2. Holda Stern

    Manchmal ist es gut, dass das „Profane“ einen wieder erdet … ich glaube, ich hätte so jemanden auch mal brauchen können, denn meine Gedanken waren früher oft von Trauer oder Wut geprägt, nur musste ich mich auch um das „Profane“ kümmern … keiner da, um mich aufzubauen … musste ich alles ganz allein hinbekommen. Hab ich dann auch, immer wieder! Mit dem Endresultat, dass ich eine fast unverwüstliche innere Kraft besitze ☺ die mir so bald keiner mehr nehmen wird. Hab einen guten Sonntag!

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    1. Reiner Beitragsautor

      Trauer und Wut … vertraute Begleiter.
      Wir wachsen daran, mit Hilfe unserer höheren Macht.
      In der Selbsthilfe, die mir derzeit fehlt, sagen wir:
      „Du schaffst es nicht allein, aber nur du allein schaffst es.“
      Teilen ist wichtig …

      Danke & auch dir einen guten Sonntag !

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    1. Maria

      Hallo Geno, bin gerührt von den „11 minutes“. Ostern musste unsere unglaublich tolle Katze, aus dem Tierheim, eingeschläfert werden. Sie hatte 10 Jahre glückliches Katzenleben mit unserem Hund genossen. Wir kennen das Gefühl, gerettete Tiere glücklich zu sehen. Schön, was Du machst. Liebe Grüße aus Deutschland. Maria

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