Digitale Kupferstecher

Sie wurden stets misstrauisch beäugt, von der ehrenwerten Gesellschaft. Die Kupferstecher, galten sie doch bei allen Respekt vor ihren handwerklichen Fähigkeiten als verschlagene Nachmacher fremden geistigen Eigentums. Stets mit so einem halbseidenen Ruf behaftet, da man sich nie sicher sein konnte, ob sie ihr Geschick nicht beispielsweise zum Druck von Falschgeld missbrauchten. Mein Freund und Kupferstecher – diese halb scherzhafte Anrede ist uns bis heute erhalten geblieben, als Ausdruck der Wertschätzung eines ein wenig verschlagenen Bündnisses.

Die moderne Variante dieser historischen Künstler bedient sich an dem Stand der Technik von heute, dem 3D-Druck, der für viele erschwinglich geworden ist. Der Filmbericht aus dem fernen Kenia hier dreht sich um das Thema Ersatzteilbeschaffung für längst aus dem Handel verschwundene Haushaltsgeräte, bei denen der Zahn der Zeit zu irgendeinem Bruch geführt hat, Stichwort geplante Obsoleszenz. Ärgerlich gerade dann, wenn der „Rest“ der Technik an und für sich noch einen soliden Eindruck macht. In grauer Vorzeit gab es auch hierzulande Handwerker, die nicht nur Teile tauschen konnten, sondern sogar reparierten. Wenn allerdings der Geiz so geil ist, dass der Gesamtwert eines Gerätes gerade einmal einen halben Handwerksstundenlohn ausmacht, ist der Tod der heimischen Handwerkskunst vorprogrammiert.

In Afrika geht die Zeit anders. Beim dortigen Lohnniveau lohnt sich das reparieren noch, was zu echter Kreativität führen kann. Der 3D-Druck ist ja mittlerweile keine neuzeitliche Erfindung mehr, interessant ist vielmehr die Software, mit deren Hilfe Volumenmodelle oder ähnliche, verwertbare 3D-Geometrien erstellt werden können, ohne die kein Drucker weiß, was er tun soll. Überall dort, wo Festigkeit nicht die Hauptrolle spielt ( das „gedruckte“ Gebilde ist meist weniger fest als das Original), bietet sich der 3D-Druck an. Wären da nicht diese ganzen rechtlichen Aspekte, aber Afrika ist weit weg, selbst der lange Arm der deutschen Patentrechtsanwälte dürfte nicht bis zum schwarzen Kontinent reichen, zumal kein großer Reichtum lockt, vor Gericht.

Bei aller moderner Technik ist stets auch ein wenig kreatives basteln gefragt. Digitales basteln sozusagen. Mir ist das sehr vertraut, ist es doch seit langen schon fester Bestandteil meines Berufes als Werkzeugmacher. So wie damals, in der düsteren Solinger Hinterhofwerkstatt, als irgendwer Verzweifeltes aus einer benachbarten Klitsche gleicher Größe mit einer Handvoll Trümmer, die mal einen Schnittstempel oder den Teil einer Fertigungsanlage bildeten, vor mir stand. Der Fußboden glänzte von den vielen Tränen, derweil die Produktion stand.

Natürlich gab es von dem zerschossenen Teil weder eine Zeichnung oder gar Datensätze, die kamen erst ein wenig später in Mode. Damals wie heute dagegen ging es mit Messschieber, Radien- und Winkellehren und auch schon digitaler Tasttechnik auf den Werkzeugmaschinen zur Sache, um aus einer Handvoll Schrott mit der Hilfe geometrischer Grundkenntnisse verwertbare Geometrieketten aus Punkten, Linien und Kreisen zu machen. Skizzen waren dabei stets  hilfreich, sei es wie in grauer Vorzeit mit einem Stück Kreide auf einem Öl-verschmierten Werkstattboden oder auf der Rückseite von ausgedienten Kalenderblättern.

Heute wird natürlich hauptsächlich digital gezeichnet, gewerblich auf leistungsfähigen CADCAM-Systemen und privat eher auf den wesentlich kostengünstigeren Versionen für daheim. Das Prinzip ist seit je her gleich geblieben, nur die Handwerkskunst hat sich mit den Jahren gewandelt. Mir hat diese Art zu arbeiten stets Freude gemacht, regt sie doch den Geist an, auch mit Blick auf mögliche konstruktive Verbesserungen, um den nächsten Bruch möglicherweise vorzubeugen.

Handwerk eben, damals wie heute.

PS:

Das hier ist übrigens das digitale Abbild meines rechten Innenohres, entstanden für die Fertigung eines angepassten Gehörschutzes, einer so genannten Otoplastik. Vorlage war ein Wachsabdruck meiner Gehörgänge – bis vor nicht all zu langer Zeit wurden auf Grundlage dieser Abdrücke kleine Gießformen erstellt, heute geschieht die Herstellung nicht mehr mit Gießformen, sondern mit Hilfe von Scannern, STL-Dateien und schlussendlich eben 3D-Druckern.

ohr

Hat etwas, oder ?

Theoretisch könnte ich jetzt meine Innenohren oder besser gesagt, das Nichts namens Gehörgang mit dem Ohr drum herum – unbegrenzt vervielfältigen – wodurch ich aber leider auch nicht besser hören täte …

*

 

 

 

6 Gedanken zu „Digitale Kupferstecher

  1. Silberperlen/bmh

    Ein interessanter Artikel, der mich sehr interessiert, weil die Kreativität hier auf mannigfaltige Weise zum Ausdruck kommt.
    Wem die Umsetzung von Gesehenem, Gedachtem und Erfahrenem nicht gegeben ist, kann sich nicht vorstellen mit wieviel Glück und Zufriedenheit der „Künstler“ beschenkt wird.
    Ich grüße Dich herzlich, lieber Reiner

    Barbara

    Antworten
    1. Reiner

      Ja, liebe Barbara, das ist eine der schönen Seiten meines Berufes, abseits des Arbeitens nach strikten Vorgaben. Dinge konzeptionieren, visualisieren, konstruieren (digitalisieren) und in meinem Fall nicht über 3D-Druck, sondern immer noch ganz klassisch mit Hilfe von Werkzeugmaschinen umzusetzen.

      Glück & Zufriedenheit ?
      Na ja. Das sehe ich mehr geschäftlich.
      Was Zufriedenheit nicht ausschließt 🙂

      Herzliche Grüße auch Dir !

      Antworten
    1. Reiner

      Aber sicher, lieber Andi. Es wurde jedem geholfen, dem einen mehr, dem anderen ebenso, wenn auch nicht so zuvorkommend.

      Das Maß der Dinge war die Zahlungsmoral, es gab damals die so genannte Solinger Seuche, also die Unart, Rechnungen, wenn überhaupt, erst nach der dritten Mahnung zu bezahlen. Solchen Kandidaten wurde dann ein wenig weniger zuvorkommend geholfen. Da kam es schon mal vor, dass telefonisch nachgefragt wurde, ob das betreffende Teil denn fertig sei … der Scheff stand neben mir und war nicht im Hause, während ich mit dem Kunden sprach und ihm versicherte, der Wagen sei gerade eben vom Hof, er möge in Kürze eintreffen.

      Wir haben dann mal Material besorgt …

      Anderen erging es wiederum vergleichsweise besser. Osman zum Beispiel, der war unser liebster Kunde. Wenn der die Einfahrt hoch schlappte, hing der Scheff schon im Fenster und begrüßte ihn freudig und lautstark mit großem HALLO. Die Tür ging auf und Scheffe persönlich umarmte ihn, Schulter-klopfend, mit frischem Kaffee, schön mit Milch und ordentlich Zucker. Wir mussten für Osman alles stehen und liegen lassen – das Geheimnis dieses liebenswürdigen, stets unrasierten Mannes mit dem usseligen grauen Kittel war seine Geldbörse.

      Ein Gummiband, um die Rolle loser Scheine, lässig in der Kitteltasche.
      Der Kaffee war immer frisch …

      Grüße aus dem Tal der Wupper Dir !

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  2. Gerhard

    Hast Du die Teile damals in Solingen zusammengeklebt? Ich kann mir das Procedere dazu nicht vorstellen 🙂

    Ob das dazu passt? Vor einem Jahr schickte ich meine Panasonic-Kamera ein. Es befanden sich irgendwelche Plastikfusel im Objektiv.
    Der Reparaturpreis machte etwa ein Drittel des Kaufpreises aus – wegwerfen wollte ich das Ding nun mal nicht, trotz „Protestes“ meiner Frau.
    Kurze Zeit nach der Rückkehr der Kamera der alte Zustand.
    Jetzt benutze ich die kleine Kamera nachwievor und akzeptiere gelegentliche Dots und Flecken im Foto. So geht es auch!
    Meine bessere Digitalkamera für Makros und die kleine zu Dokuzwecken oder gelegentlich auch für Makros.

    Gemäß den Konsumrichtlinien heutzutage anachronistsich, aber zufriedenstellend.

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    1. Reiner

      Hallo Gerhard, nein, geklebt wird in meinem Gewerbe eher selten 🙂
      Die „Reste“ werden, so gut es geht, vermessen und dann wird auf Basis der beim vermessen erstellten Skizze ein neues, identisches oder modifiziertes Teil hergestellt.

      Deine Kamera – das klingt nach feinen Kunststoff-Abrieb, irgendwo im Gehäuse scheint etwas zu schleifen. Manchmal sind es auch Textil-Fasern, die durch schlecht gedichtete Gehäuse ihren Weg in`s Innere finden. Muss man anschauen … am besten selbst versuchen … im Netz gibt es viele sachliche Hinweise für Reparaturen. Ein Fall für die Suchmaschinen.

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