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Lose Tage

Der letzte Freitag hat seinem Namen mal alle Ehre gemacht, er war für mich arbeitsfrei. Das passt gut mit dem gegenwärtigen Wetter zusammen, kann ich doch einiges mit dem Rad erledigen. Nachdem die Liebste gestern am Bahnhof verabschiedet wurde, widmete ich mich den Dingen, die sonst eher Samstags dran sind. Einkäufe, Haushalt, sowie einige Erledigungen, die schon länger auf mich warteten.

So weit, so gut. Habe ich auf diese Weise ein entspanntes Wochenende hier daheim, mit zwei sehr schläfrigen Katern, mit denen lässt sich gut leben. Männerwirtschaft sozusagen. Der Laserpointer hat neue Batterien, Punkte jagen geht also wieder. Das muss sein, damit die beiden nicht in ihrer Traurigkeit versinken, in Abwesenheit ihres Lieblings-Menschen.

So ganz nebenbei habe auch ich einiges zu lachen, wenn die beiden durch die Bude schranzen. Das lenkt  mich von manchen trüben Gedanken ab, die nichts mit meinem derzeitigen Strohwitwer-Dasein zu tun haben. Das geht in Ordnung, weiß ich doch um ihre Beweggründe und auch dafür liebe ich sie. Früher – ja früher, da gab es immer irgendwelche äußeren Dramen, die manche Zustände  rechtfertigten. Die üblichen Leiden eines frisch Geschiedenen – Beziehungsdramen, Unterhaltskrimis, und so weiter. Nichts davon ist geblieben, mein Leben verläuft zumindest privat in geordneten Bahnen, so sagt man. Beruflich ist es nicht ganz so entspannt, aber mir wäre vermutlich recht fad, wenn alles rund laufen würde.

Geblieben ist neben manchen unruhigen, arg bebilderten Nächten dieses Gefühl von Traurigkeit und Verlassenheit, das schon immer zu mir gehörte, das mal mehr, mal weniger deutlich zu spüren ist. Der schwarze Vogel auf meiner Schulter, wir sind mittlerweile nicht gerade Freunde geworden, aber man arrangiert sich. Ich lasse ihm seinen Raum, aber Futter bekommt er nicht mehr.

Aktivitäten aller Art mag er nicht, der schwarze Vogel. Dann ist er still und lässt mich machen. Empörung schätzt er ebenso nicht, mit Adrenalin hat er es nicht so. Fatal wäre es aber, mich darum ständig empören zu wollen, das liegt mir fern, weil ungesund, lässt sich nur leider nicht immer vermeiden. Das hat in letzter Zeit viel mit der Kälte da draußen zu tun, und damit meine ich nicht die augenblicklichen frostigen Temperaturen. Sondern eher die Kälte mancher Zeitgenossen, die, selbst nicht gerade vom Schicksal gesegnet, den Menschen, denen es noch schlechter geht, nicht das schwarze unter dem Nagel gönnen. Dann wird es Zeit, den Fokus zu ändern. Nicht, dass ich mir die Welt dann schön denke, sondern ich schaue auf die Hoffnung in der Gestalt eben anderer Mitmenschen, auf manche Schönheit, die überall zu finden ist.

Dem förderlich ist das sonnige, wenn auch eiskalte Winterwetter derzeit. Angezogen wie eine Zwiebel setze ich mich auf`s Rad. Licht, Luft und Sonne sind die besten Mittel der Wahl, den schwarzen Vogel zu lüften. So geschehen auch gerade eben wieder, nach einem kurzen Abstecher in die Stadt mache ich mich auf dem Weg in Richtung Nordbahntrasse, die letzten Sonnenstrahlen einfangen. Als langjähriger Nutzer dieser unserer innerstädtischen Piste kenne ich die Ecken, wo es sich besonders lohnt zu verweilen, am frühen Morgen ebenso wie am späteren Abend.

So stehe ich auf der ehemaligen Deponie im Westen der Stadt, lasse mich vom eisigen Wind streicheln und staune. Ein Aufstieg, der sich lohnt …

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Käufliche Weisheit

Das erlebe ich häufiger – Menschen, die ich aus den sozialen Netzwerken wie Facebook oder WordPress.com her kenne, fangen an, sich zu vermarkten. So weit, so gut, jedem das seine, denke ich. Mal kann jemand richtig gut zeichnen oder malen, mal schreibt wer sein erstes Buch und hat Erfolg damit. Da freue ich mich für die Betreffenden, die ich teils schon langjährig begleiten durfte, deren Geschichte ich ein wenig kenne.

Dagegen bin ich skeptisch, wenn aus mir persönlich unbekannten Menschen, mit denen ein oberflächlicher und eigentlich unverdächtiger Austausch bestand, plötzlich Coaches oder Seminarleiter werden. Von denen trenne ich mich dann in der Regel auch schnell. Andere dürfen länger bleiben, trotz Skepsis. Menschen, die ich manchmal auch persönlich kenne, die ich teilweise in tiefer Verzweiflung erlebt habe. Da geschehen offensichtlich wundersame Wandlungen, wenn ich plötzlich nur noch hoffnungsfrohe, gut gelaunte und Energie-geladene Bilder sehe. Diese sind in der Regel eingerahmt von einem jubelnden, begeisterten Hofstaat, gerne weiblichen Geschlechts.

Hmm, denkt es in mir – woher kommt dieses Gefühl in meinem Bauch, beim betrachten dessen, was da vor sich geht? Dann frage ich mich, ob ich vielleicht neidisch bin, dass ich meine Weisheiten nicht gebührend zu versilbern vermag? Das ist es nicht, spüre ich. Weil ich im Grunde etwas ganz anderes suche. Meine Seelenverwandten sind all jene Menschen, die sich irgendwann einmal aufgemacht haben, aus Krisen und Leid heraus für sich entschieden haben, ein besseres Leben zu leben, mit allen Schwierigkeiten, die man auf dem Weg so findet. Menschen, die schon lange auf diesem Weg sind oder sich gerade erst aufgemacht haben. Menschen, denen sich z.B. nach schweren Erkrankungen an Körper, Geist, Seele oder auch nach völlig destruktiven, gelebten Beziehungsmustern die Chance auf ein neues Leben auftut.

Irgendwo im Hinterkopf ist dabei auch der Gedanke, dass wahre Weisheit nicht verkauft, sondern selbstlos geteilt werden sollte. Das sich Geld und Altruismus nicht wirklich vertragen. Das es einen Grund gegeben haben mag, dass einst die Händler aus dem Tempel geworfen wurden. Und – abschließend glaube ich, das all das, was ich gelernt zu haben glaube, möglicherweise viel zu unvollständig ist, um es zu „verkaufen“. Ebenso bin ich überzeugt, dass meine Weisheiten nicht unbedingt allgemeingültig sind und für manch einen total ungeeignet sein mögen.

All jenen, die das anders halten, wünsche ich gutes Gelingen. Trotz Skepsis.

PS:
Eine kleine Erinnerung – vor einiger Zeit las ich bei Facebook einen Thread rund um das Thema Geld, den Umgang mit Materie allgemein sowie mit der damit verbundenen Verantwortung. Der Titel war eine Frage: Kannst Du gut mit Geld umgehen? Dort gab es einen Herrn, der sich sehr vernünftig äußerte, das klang schon glaubwürdig. Der bot dann irgendwann einen Gesprächskreis zu eben jenen Thema an. Neugierig, wie ich nunmal sein kann, fragte ich, ob benannte Erkenntnisse denn dort verkauft werden sollten. Nach einem kleinen verschämten Schweigen kam ein etwas verhaltenes JA, von mir beantwortet mit einem dicken Smily und der Anmerkung, er könne wirklich gut mit Geld umgehen.

Respekt 🙂

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Netzwerk – 2 Jahre später

Eigentlich wollte ich zu diesem Thema nichts mehr schreiben, so eine große Sache ist es ja nun auch wieder nicht. Andererseits finden immer wieder geneigte Leserinnen und Leser über das Stichwort Leistenbruch hier her. Dazu kommt, dass das Internet in der Tat vom rein medizinischen Aspekt mal abgesehen nicht sehr ergiebig ist, was Erfahrungsberichte zu diesem Thema angeht. Spricht man(n) nicht drüber, oder es wird gerade unter Männer gerne heldenhaft berichtet, dass alles noch besser ist als je gehabt.

Am passendsten finde ich immer noch die Aussage eines Kollegen:
Es ist nichts wie vorher.
Kommt hin.

Im Alltag bin ich weitgehend beschwerdefrei. Auch optisch ist keine Veränderung im betreffenden Bereich zu erkennen, die darauf schließen lassen müsste, das eingebaute Netz sei durch. Weitgehend beschwerdefrei lässt auf Ausnahmen schließen, richtig. Zunächst einmal sei gesagt, ich treibe weiterhin Sport, fahre regelmäßig und gerne auch ausdauernd Rad, bewege mich allgemein gerne und viel.

Schmerzen, ziehender Art, kommen dagegen unter verschiedenen Zu- und Umständen:

  • Bei Radtouren jenseits der vielleicht 50 Km, gerade dann, wenn mich falscher Ehrgeiz hier in den Bergen am herunterschalten gehindert hat
  • Beim Bewegen von Lasten über ca.15, 20 Kg, auch kurzzeitig und unter Berücksichtigung des „richtigen“ Hebens aus den Beinen.
  • Husten im Zuge von grippalen Infekten oder Erkältungen.
  • Die seelischen Aspekte nach Rüdiger Dahlke. Es ist für mich sehr lehrreich, festzustellen, dass das Geschriebene zumindest auf mich immer noch ziemlich gut zutrifft. Will ich mit dem Kopf durch die Wand, oder, anders gesagt, versuche ich Menschen und/oder Umstände zu ändern, die nicht zu ändern sind (Stichwort Überheblichkeit und/oder Fehleinschätzung der eigenen Ressourcen), entstehen Stress-bedingte Schmerzen in der Leistengegend, mitunter interessanter Weise manchmal auch in dem Bereich, der nicht operiert wurde. Ein körpereigenes Frühwarnsystem sozusagen, das mich meist zeitig zum innehalten und nachspüren auffordert.

Das taube Gefühl im Oberschenkel ist zurückgegangen. Manchmal, je nach Belastung kribbelt, sticht oder brennt es gelegentlich. Es kann lange dauern, bis sich Nervenenden wieder finden und verbinden.

Und ja, das ach so wichtige Thema Sexualität. Allen besorgten Geschlechtsgenossen kann ich nur sagen, es bleibt uns erhalten, damit frisch und frei nach Kräften zu haushalten. Nach Kräften meint, solange ich die hormonelle Uhr nicht um mehrere Jahrzehnte zurückdrehen möchte 🙂

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PS: Mehr zum Thema HIER

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Vom ersten und vom zweiten Eindruck

Er ist ein großer, massiger Mann, den ich nicht unbedingt mochte. Irgendwie immer etwas zu laut, etwas zu distanzlos in seiner Art und zumindest von außen betrachtet auch nicht übermäßig kompetent. Ein Mensch, mit dem ich die Tageszeit wechsele und ansonsten meinen Abstand wahre. Eine sachliche Distanz, verbunden mit einer gewissen Contenance, und, wenn es sein muss auch mit kurzzeitigen aggressiven Einsatz, ist für mich die Voraussetzung für Frieden und Abstand im beruflichen Haifisch-Becken. Private Kontakte sind damit logischer Weise eher selten und beschränken sich, wenn dann, auf den unmittelbaren Nächsten.

Manchmal allerdings durchbrechen Menschen meinen Abstand, nicht mit Gewalt, die ich nicht zulasse, sondern indem sie mich berühren. Manchmal überraschend tief bewegen, in ihrem Mensch-Sein. So wie oben genannter Kollege eben.

Eines seiner Kinder ist schwer behindert und sitzt im Rollstuhl. Bei irgend einer betrieblichen Feier sind auch Angehörige mit dabei, eben auch sein krankes Kind. Man steht und sitzt umher, nippt an allerlei Getränk und Fingerfood, pflegt den üblichen, oberflächlichen Austausch. Das Kind im Rollstuhl hat schwere motorische Störungen und kleckert mit seinem Getränkebecher. An den Stehtischen wird getuschelt. Da steht dieser große, massige Mann auf, positioniert sich gut sichtbar vor allen anderen und kippt sich wortlos seinen vollen Getränkebecher in den eigenen Schritt, worauf das Getuschel endgültig verstummt.

So eine Form von Solidarität berührt mein Herz zutiefst. Gerade bei einem Menschen, von dem ich dies nie vermutet hätte. Heute sehe ich besagten Mann anders, bin auf eine Weise auch dankbar für die mir erteilte Lektion.

Respekt !

 

Immer wieder

Vor langer Zeit habe ich mir auf einer Yoga-Website ein Abo eingerichtet, ein paar mal gelesen und es dann vergessen. Oft genug lösche ich die Mail, ohne zu schauen. Heute Morgen mal nicht, und siehe da, ich stoße wieder auf altbekannte Weisheiten.

5 Lebensregeln für ein erfülltes Leben

So und in abgewandelter Form, aber immer mit dem gleichen Kern, habe ich das schon oft gelesen. Wie leicht das klingt und wie schwer es mir fällt, auch nur teilweise danach zu leben. Mit Stichworten ausgedrückt, lauten sie wie folgt:

  • Ausreichend schlafen
  • Gesund essen und ausreichend bewegen
  • Tägliche Meditation
  • Achte auf harmonische Beziehungen
  • Sei tätig

Klingt einfach, oder ? So universelle Weisheiten. Wenn ich Punkt für Punkt durchgehe, fällt meine Bilanz allerdings eher mager aus. So schlafe ich eigentlich regelmäßig zu wenig bzw. unter wenig gesunden Bedingungen. Ok, beim essen sieht das schon erheblich besser aus, auch Bewegung bekomme ich auf dem Rad ausreichend. Wobei das ein wenig einseitig ist, wie ich gerade feststellen musste. Dehnungsübungen fehlen mir, da gibt es etwas zu tun.

Meditation – verbinde ich am frühen Morgen mit Yoga-Übungen. Was gut tut, aber den über den Tag aufgefrischt werden möchte.

Harmonische Beziehungen kenne ich leider nur punktuell. Mein Alltag ist geprägt von Mißtrauen und Abwehrhaltung in einem Ellebogen-Umfeld, wo jeder sich selbst der Nächste ist. Privat sieht das, Gott sei Dank, besser aus. Wobei, wenn zwei in einem Tiger-Jahr Geborene zusammen leben, beide vom Element Wasser dominiert, sind gewisse Ausbrüche schon von Beginn an mit eingepreist, sozusagen. Was aber für uns beide sehr in Ordnung, weil ehrlich ist. Der Freundeskreis ist Alters-entsprechend ausgedünnt, hier achte ich genau darauf, mit wem ich mich umgebe und mit wem lieber nicht. Zumal das allein-sein keinen Schrecken mehr hat, sondern von mir zunehmend als Bereicherung gefühlt wird.

Tätig bin ich. Eher zuviel mitunter, und gerne von letztendlich ungesunden Ehrgeiz getrieben. Das Mass der Dinge, meine ganz spezielle Lebensaufgabe. Gut, einmal mehr erinnert zu werden.

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Ein-Topf

Wenn dem Erzähler mal gerade keine Geschichten einfallen wollen, dann liegt das möglicherweise daran, das er schlicht hungrig ist. Die Liebste weilt gerade bei der großen Kleinen im fernen Norden und so gelten gerade auch keine Konventionen, die zwingend ein Frühstück erforderlich machen. Also wird der Kühlschrank gesichtet und es finden sich:

  • Ein gut geratener Hokkaido-Kürbis
  • Eine Menge schon etwas betagter großer, grüner Bohnen
  • Rote Zwiebeln
  • Eine Petersilienwurzel
  • Einige Möhren
  • Eine übrig gebliebene, sehr dicke Kartoffel
  • Zwei Päckchen Tofu-Geschnetzeltes

Das alles wird erst einmal geputzt und gut zerkleinert, bevor es anschließend der Röst-Aromen wegen Portionsweise im Wok unter Beigabe von Raps-Kernöl heiß angebraten wird.

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Anschließend finden sich die angebratenen Zutaten im größten Topf des Hauses wieder. Ca. eineinhalb Liter Wasser bilden die Basis für das Garen.

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Gewürzt wird mit:

  • Gemüsebrühe
  • Ein wenig Steinsalz (Brühe enthält schon Salz!)
  • Schwarzer Pfeffer
  • Kreuzkümmel
  • Rosen-Paprika
  • Curry

Der solcher Art gefüllte Ein-Topf wird abschließend noch eine knappe halbe Stunde am köcheln gehalten, bevor der Inhalt mit einem groben Stampfer ein wenig zukleinert wird. Der Erzähler mag, das sei an dieser Stelle betont, keine Pürierstäbe, zumindest, solange er seine Zähne mehrheitlich noch besitzt.

Während dieser kleine Eintrag langsam zum Ende kommt, hat der Verfasser bereits die zweite Portion in Arbeit und is(s)t begeistert.

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Wer mag, viel Vergnügen beim zubereiten und beim essen.

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Beschränktes Sortiment

Wie kommt das eigentlich
Das im Bio-Supermarkt
so viele
verhärmte Gesichter
zu sehen sind

Kann wohl kaum
an der Ernährung liegen

Vielleicht sollten sie das Angebot erweitern

Glückseligkeit
Zufriedenheit
im Sonderangebot

Da sagen sie doch glatt
Wir sind keine Drogerie
Stoffwechsel-Fetischisten, diese

Auf dem Heimweg
vorbei an der dicken alten Kirche
da fällt es mir wieder ein
Preiswert sogar
Muss mich nur einlassen

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Denn Du bist, was Du isst…

Über Pfingsten weilten wir aus familiären Anlass wieder einmal im Harz. Es galt, den Geburtstag eines lieben jungen Menschen zu feiern, die Anverwandten hatten dazu einen Tisch reservieren lassen. Der Liebsten und mir als die später hinzugekommenen wurde mitgeteilt, es ginge um Slow-Food, einem etwas irreführenden Modewort, das hauptsächlich für regionale und saisonale Küche steht, also nicht ausschließlich für langsames Essen.

Das klingt gut, und so fahren wir mitten in den tiefsten Harz, nach Buntenbock bei Clausthal-Zellerfeld. Das kleine Landhaus liegt, so scheint es, am Ende der zivilisierten Welt, märchenhaft am Waldesrand, umgeben von einem liebevoll gepflegten Wildgarten.

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 Ohne Zweifel habe ich schon sehr lange nicht mehr so gut und reichhaltig gegessen. Die Verköstigung ist hauptsächlich für Hotel-Gäste gedacht, mir waren die Verhältnisse fremd und so erkundigte ich mich zur Fassungslosigkeit der Anverwandten nach dem Preis für das Mahl. Der wurde mir nach einigen Zögern auch mitgeteilt, es ist in diesen Kreisen offensichtlich nicht üblich, über Geld zu reden. Die anderen Gäste in der liebevoll hergerichteten Bauernstube bestanden überwiegend aus älteren, bereits ergrauten Semester, den Kleidern und dem Gebaren nach mutmaßlich beruflich erfolgreiche Grünen-Klientel.

Utopie ist die Realität von morgen. So in etwa steht es über den Eingang zur Küche, die anderen Wände sind mit eher bäuerlichen Weisheiten verziert, die der Versuchung und der Völlerei den Boden bereiten sollen. Das Essen war, wie gesagt, vorzüglich, und mit gemischten Gefühlten lasse ich mit vollen Bauch den Abend Revue passieren.

Auch ich bin ein Anhänger von saisonalen und regionalen Speisen, von daher gefällt mir der Grundgedanke sehr gut. Was mich stört, ist der elitäre Charakter der Örtlichkeit. Ein kleines Paradies für gut Situierte, Kinder suchte man dort vergebens, von unseren Tisch einmal abgesehen. Wer die Preisliste der Lokalität studiert, wird das schnell verstehen. Das ist definitiv kein Domizil für Familien mit Kindern, die mit Geld rechnen müssen.

Zuhause bereite aus Zeitgründen meist ich das Essen zu, einfache Speisen mit reichlich Gemüse, vorzugsweise im Wok zubereitet. Fleisch gibt es bei uns sehr selten, unser Eiweiß-Bedarf wird durch Soja-Produkte in Verbindung mit guten Öl gedeckt. Den Ausschlag gaben vor vielen Jahren gesundheitliche Probleme, also zunächst einmal keine moralischen Skrupel. Erst mit der Zeit setzte ich mich mit der industriellen Massentierhaltung auseinander, mit dem, was wir unseren Mitgeschöpfen über unser Konsumverhalten antun.

Tief bewegt las ich vor einiger Zeit dieses Buch hier. Der Autor setzt sich mit unserem Verhalten der Schöpfung gegenüber auseinander, aus Männer-Perspektive, was aber durchaus auf die Weiblichkeit übertragbar ist. Dort ist unter anderen von der Kraft eines Wildtieres die Rede, welche wir zu uns nehmen, wenn wir es verzehren. Es wird dort ebenso in eindringlichen Worten davon gesprochen, was wir zu uns nehmen, wenn wir Tiere aus Massentierhaltung essen: Angst, Panik, und Verzweiflung. Wer das nicht glauben mag, kann vielleicht eher mit dem mittlerweile bewiesenen Zusammenhang zwischen Emotionen und Stoffwechsel etwas anfangen. Von Medikations-Rückständen will ich hier nicht reden.

Was also ist die Lösung, in unseren Post-industriellen Zeitalter, in dem Essen und Trinken kulturell geprägt sind und das Geld bei vielen nicht für hochwertige Speisen reicht? Aufklärung schon bei den Kindern tut Not, diese lernen schneller und bereitwilliger als ihre Vorfahren. Noch mehr Angebote zur gesunden Küche daheim, über VHS-Seminare und Filme. Ausbau der kollektiven, regionalen Landwirtschaft, auch hier in der Nähe gibt es seit kurzen so etwas, wo man sich mit Geld oder mit Zeit einbringen kann.

Mir war vor vielen Jahren ein VHS-Seminar über die chinesische Küche sehr hilfreich, meine Ernährung umzustellen. Das geht auch mit wenig Geld und ohne großen Zeitaufwand. Fleisch ist, wie gesagt, hier die Ausnahme, und wenn ich alle paar Wochen einmal etwas kaufe, gebe ich gerne mehr dafür aus. Nicht, um mein Gewissen zu beruhigen, sondern aus oben genannten Gründen.

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Vom Teufel auf meiner Schulter

Vor gut einer Woche waren wir Gäste bei der Hochzeit eines Anverwandten. Dummerweise war ich genau zu dieser Zeit grippig, jedenfalls stark erkältet. Am Donnerstag reisten wir an, des Abends sitzen wir in einer, in der Pizzeria des Dorfes, in dem wir untergebracht waren. Mein Zustand lässt sehr zu wünschen übrig. Jemand schiebt mit zwei Tabletten herüber, französische Paracetamol. Hier sei erwähnt, ich nehme normalerweise keine Schmerzmittel, damit ich mitbekomme, was mit mir los ist. Heute mache ich eine Ausnahme, angesichts des zu erwartenden Stress. So werden die 1000mg mit Wasser herunter gespült.

Ich verabschiede mich vorzeitig und ziehe mich in die Unterkunft zurück. Die Tür muss ich auflassen, derweil wir nur einen Schlüssel haben und die Liebste sonst nicht herein kommt. Schnell komme ich in den Schlaf. Stunden später werde ich wach und wundere mich, das die Liebste neben mir liegt. Nichts habe ich gehört, was total untypisch ist, derweil ich normalerweise einen sehr leichten Schlaf habe, nicht gut durchschlafe und öfter wach werde.

Auf meiner Schulter sitzt ein kleiner Teufel. Sofort fängt der an zu flüstern:
Siehst du, geht doch mit dem schlafen. Da gibt es noch ganz andere Sachen…

Mit dem kleinen Kerl habe ich mich insofern arrangiert, das ich ihn hinnehme und ihn nicht mehr verhauen möchte. Nützt auch nichts, der taucht nur kurz ab, um sich kurz darauf in alter Frische wieder zu melden. Also darf er dort sitzen bleiben, da er ja nun mal offensichtlich zu mir gehört, hartnäckig, wie er ist. Was nicht zwangsläufig heißt, das ich auf ihn höre. Er versucht es immer wieder, und er macht das ziemlich gut:

Komm`schon, gib`s doch zu. Du hast doch damals nur so dreingehauen, weil Du emotional so dermaßen durchgeknallt warst. JETZT ist das doch alles anders, nun kannst Du doch mal gesittet und in Maßen…

Meinen Einwand, eventuell auch so durchgeknallt gewesen zu sein, weil ich so dermaßen konsumiert habe, lässt er nicht gelten. Stattdessen wuchert er mit seinen unschlagbaren Argumenten:

Na ja. Wie auch immer. Aber ICH bin auf jeden Fall SCHNELLER als Du mit deiner ganzen so genannten Spiritualität, mit deinem kippeligen Glauben an deine höhere Macht. Und wirkungsvoller, hihi. So schnell, wie meine Rezepte wirken, hilft dir kein Gebet. Garantiert!

Der kleine Arsch weiß schon ziemlich gut zu argumentieren.

Kannst Du dich noch erinnern? Den feinen Kokon, den Du um dich herum hattest. Die Welt war dort, wo sie hingehört, nämlich draußen, außerhalb von Dir. Hast sie sehr angenehm nur wie durch Watte wahrgenommen. Böse Welt! Und wie dünnhäutig Du heute manchmal sein kannst. Wie gesagt, da gibt es noch ganz andere Sachen…früher hattest Du außerdem auch nicht solche Gewissensbisse, wenn Du dich mal so richtig schön Scheiße benommen hast. Warst gut aufgehoben in deinem Elfenbeinturm!

Spätestens jetzt erinnere ich ihn an den Preis, den ich zu zahlen habe, beim befolgen seiner tollen Ratschläge. Unfreiheit und Abhängigkeit. Verlust meiner Würde und Selbstachtung. Ruin von Körper, Geist und Seele. Ich erkläre ihm, das seine Teilwahrheiten mich nicht mehr blenden können, weil ich schlicht nicht mehr bereit bin, den Preis zu entrichten. Dann schweigt mein Mitreisender erst einmal, bis zum nächsten mal. Es ist eine Entscheidung. Meine Entscheidung, nur für heute. Es nimmt kein Ende, einmal süchtig. immer süchtig. Die Stoffe sind frei austauschbar, das Prinzip dahinter stets dasselbe.

Heilung ist unmöglich, Stillstand lebbar.

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Besuch in Düsseldorf

Uns beide, meinen Kumpel und mich, zog es gestern an den Rhein, nebenan nach Düsseldorf. Ein Film-Abend im linken Zentrum-Hinterhof war unser Ziel, Thema Fahrrad fahren sowie die damit verbundene Städte-Entwicklung, positiv wie negativ. Wir beide fahren gern gemeinsam kleinere Tagestouren, wenn Zeit und Wetter passen. Darüber hinaus habe ich das Glück, an der Nordbahntrasse zu wohnen und zu arbeiten, die sich längs durch das Tal der Wupper an den Nordhängen entlang schmiegt. Davon mache ich meistens auch Gebrauch, soweit meine Gesundheit das zulässt, selbst schlechtes Wetter schreckt mich angesichts der Verkehrsverhältnisse hier im Tal nicht ab.

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Die Lokalität – Nomen Est Omen – ein düsterer Hinterhof an der Corneliusstraße in Düsseldorf. Ein wenig versteckt, aber dennoch leicht zu finden. Ein linkes Zentrum eben mit allen, was dazu gehört. Politisches Arrangement ebenso wie gemeinschaftliche Selbsthilfe und Selbstverwaltung, angefangen beim gemeinsamen kochen und essen über praktische Hilfe im Alltag hin zu einer integrierten Fahrradwerkstatt. Mir als immer noch überzeugten Sozialromantiker stehen sie nahe, die Linken, allen kaufmännischen Betrachtungen und Lehren zum Trotze. Hintergrund ist meine Meinung, das es gerade in unseren Land genügend Mittel gibt. Leider sind sie, zurückhaltend formuliert, ein wenig ungleich verteilt.

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Ein langer Tresen, ein riesiger Pott mit Chili Con Carne dampft auf dem Herd. Eine Leinwand hängt an der rohen Ziegelwand, Biertisch-Garnituren laden gemeinschaftlich mit fragwürdigen Polstermöbeln älteren Semesters zum verweilen ein. Wenige Menschen, bunt gemischt, nicht nur jüngere, teils mit Kindern, auch unsere Jahrgänge und älter sind vertreten. Wir besorgen uns Getränke und zwei Mega-Teller Chili mit Brot und lassen uns in zwei sehr bequemen, altehrwürdigen Sesseln nieder, gleich vorne an der Leinwand. Nach einer kurzen, gemeinsamen Betrachtung der Polstermöbel, in denen durchaus Menschen gezeugt und auch verstorben sein könnten, machen wir uns locker und füllen die Mägen mit dem gut gewürzten Chili.

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Jemand besteigt einen Biertisch und installiert einen Beamer unter der Decke und der Filmabend startet. Kleine, künstlerisch wertvolle animierte Filmchen wechseln mit Dokus aus allen Teilen der Erde. Viel ist von bewegten Menschen die Rede, die sich beharrlich, mit viel Geduld und Kraft für ein besseres Leben in ihren Städten einsetzen, abseits vom Autoverkehr mit allen seinen negativen Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen, die ihn ertragen müssen. Erschreckende Zahlenwerke werden vorgestellt, weiß gestrichene Geisterräder, die an getötete Radfahrer erinnern, sind zu sehen. Schlimme Negativ-Beispiele aus Süd-Amerika sind ebenso Thema wie mustergültige urbane Wandlungen hin zum Radverkehr, Amsterdam und Kopenhagen vorneweg.

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Nachdenklich und bewegt machen wir uns spät abends auf dem Heimweg. In meiner Brust schlagen sozusagen zwei Herzen, wenn ich einerseits an das Autoland Deutschland denke, mit seinen historisch gewachsenen Strukturen und immer noch zahlreichen Arbeitsplätzen, die von der Branche abhängen. Andererseits schaue ich ebenso die schlimmen, krank machende Auswüchse in unseren Städten, schaue die allgemeine Rücksichtslosigkeit auf den Straßen und frage mich, wie lange das so, wie wir es kennen, wohl noch gut gehen wird. Es tröstet mich auch nur wenig, das die Auto-Branche in Deutschland gerade dabei ist, sich selbst zu demontieren über den ständigen globalen Vergleich mit den so genannten „Low-Cost-Countries“ sowie die permanenten Bestrebungen der Industrie, unsere Lebensverhältnisse den dortigen anzugleichen. Dabei wird völlig außer Acht gelassen, das Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen nie und nimmer neue Autos kaufen werden.

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Was bleibt, ist Dankbarkeit für meine Beweglichkeit und Gesundheit. Dankbarkeit für die Erkenntnis hin zu mehr frischer Luft, weg von vielen sitzen im Auto. Auch ein zunehmendes Gefühl der Freiheit macht sich breit, die Freiheit, mein Leben auch ohne motorisiertes Gefährt organisieren zu können, selbst hier in den Bergen.

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