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Vom Schweigen

Wenn ich mit einem Menschen gemeinsam schweige, kann das viele Gründe haben. Am weitesten verbreitet ist das so genannte temporäre Schweigen. Mal einen Augenblick still zu sein, um dem anderen seinen zu Raum geben ist eine Variante davon. Oder um erst einmal die Lage zu sondieren. Eine andere wäre, das mir schlicht gerade nichts dazu einfällt, in dem Moment. Sei es, das es mir an gewisser Sachkunde mangelt oder das ich schlicht sprachlos bin, ob des gehörten. Dann besser nichts sagen als irgendwelche Floskeln oder Fabulierungen in die Welt schicken.

Manchmal ist es auch ratsam, in der Gegenwart von so genannten hochgestellten Personen einfach mal den Mund zu halten, um keine Maßnahmen zu provozieren. Schweigen wird in solchen Situationen leider viel zu oft als Zustimmung missdeutet. Das wird durch eine gewisse Grund-Emotionalität, was Mimik, Gestik und Körperhaltung angeht, allerdings wieder relativiert. Leider gehöre auch ich zu dieser Spezies. So hat mir schon ein unschuldiges leises Kopfschütteln, vermutlich gepaart mit einem entsprechenden Gesichtsausdruck,  in einer aus Sicht meines Gegenübers unpassenden Situation einen gepflegten Wutanfall eingebracht.

Das dauerhafte oder zumindest längerfristige Schweigen. Auch das kann mehrere Ursachen haben. So gibt es Menschen, die ich in gewisser Weise zwar schätze, bei denen ich aber nicht die geringste Lust verspüre, mich mit ihnen auseinander zu setzen. Weil es jedes Mal in für mich unbefriedigender Weise endet. Eine andere Variante des dauerhaften Schweigens ist die des ausgrenzenden Schweigens. Raus aus meinem Leben. Menschen betreffend, mit denen mich so gut wie nichts (mehr) verbindet, Menschen, die so leicht keinen Fuß (mehr) in meine Tür bekommen. Gott sei Dank sind das nur sehr wenige. Nicht weit davon entfernt ist das Schweigen der Verachtung. Oder das der Überheblichkeit.

Das Schweigen derer, die sich alles gesagt haben, was gesagt werden sollte.
Wissend um die gemeinsame Zeit, dankbar und still.

Die traurigste Variante des dauerhaften Schweigens allerdings ist das Schweigen derer, die schlicht am Zustand ihrer selbst, dem ihrer Nächsten oder an dem der Welt an sich verzweifeln.

Literatur zum Thema:
Dr. Murkes gesammeltes Schweigen
von meinem Lieblings-Autor Heinrich Böll.

Passende Kleidung?

kinski

Hätte selbst nicht gedacht, das man zum Schweigen soviel sagen kann 🙂

*

 

Vorwerkpark

Der Vorwerkpark liegt als Teil des zahlreichen Grün hier in der Gegend am Wuppertaler Südhang und war bis zum Jahre 2000 Privatbesitz der Unternehmer-Familie Vorwerk. Reste des alten Zaunes stehen hier und da noch, durch den wir als Kinder damals schlüpften, um in den Teichen Frösche zu fangen. Heute hat die Anlage immer noch einen morbiden Charme, alles ist alt und geschichtsträchtig.

Ganz besonders reizvoll ist es dort um diese Zeit, Ende Mai, zur Blüte der zahlreichen uralten Rhododendren-Büsche. Die Bilder sprechen für sich, die Gerüche und die Kulisse der Vogelstimmen sind unbeschreiblich…

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Das Murmelbachtal, zwischen dem Park und Wuppertal-Barmen.

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Schon fast wieder Stadt…

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Schulbeginn

Normalerweise bin ich um diese Zeit nicht daheim. Wochentags morgens so gegen 8 Uhr stehe ich meist schon mitten im Tag, mit Ausnahme der freien Tage, freiwillig oder wie derzeit eher unfreiwillig. Wie ich da so liege, unter meiner AUA-Decke, kann ich schön aus dem Fenster schauen und fühle mich ein wenig so, wie sich gelangweilte Rentner (gibt es die wirklich?) fühlen könnten.

Da draußen ist eine Menge los, um die Zeit. In der Nähe liegen zwei weiter führende Schulen, Hundertschaften motorisierte, so genannte Helicopter-Eltern (die nichts mit dem schönen Helicopter-Spiel zu tun haben) verstopfen die engen Straßen hier im Quartier. Parallel dazu ergießen sich von der anderen Seite des Berges aus den Einsatzlinien der Stadtwerke große Ströme ganz normaler Kinder, also solche, die einigermaßen selbstständig erzogen werden und schon allein am öffentlichen Personen Nahverkehr teilnehmen können, auf Straßen und Gehwegen in Richtung ihrer Schulen. Die meisten gehen zügig in kleinen oder größeren Gruppen, schwatzend, lachend, oder eher still. Freundinnen im Gleichschritt mit röhrenbejeansten Beinen sind zu sehen und ich denke, interessant, das manche Mode tatsächlich 4 Jahrzehnte überdauern kann.

Langsam werden die Gruppen weniger, Zeit für manche schlendernden Nachzügler, manche mit gesenkten Kopf, die es nicht eilig haben, gelehrt zu werden, andere dagegen sind schlicht spät dran und hetzen den anderen hinterher. Alles so wie immer schon, denke ich, von den verrückten Eltern mit ihren Autos mal abgesehen.

Während sich da draußen der Verkehr normalisiert, lasse ich meine Gedanken treiben, nicht zuletzt, weil auch ich Vater eines solchen „großen“ Kindes bin. Erfolg und Versagen, oder besser das, was wir dafür halten, fallen mir ein. Wie viele von denen gerade eben fallen durch das Netz und müssen schauen, wo sie bleiben. Gründe dafür kann es viele geben, Krankheiten, familiäre Krisen aller Art, oder schlicht das Gefühl, „anders“ zu sein und irgendwie nicht in diese Welt zu gehören. Toleranz und Kompromissbereitschaft gelten als Tugenden der Zeit, bei vielen allerdings nur unter ihresgleichen oder als leere Worthülsen. Spätestens wenn die Bereitschaft zum teilen gefordert ist, Zeit, Aufmerksamkeit oder sogar Geld, trennt sich die Spreu vom Weizen. Und „anders“ ist man schnell heutzutage. Introvertiertheit reicht schon oder jede Abkehr, sei es religiös, sexuell, ethnisch, politisch, kulturell oder sozial von der so genannten Majorität.

Dieses Land erscheint mir da gespalten, auf eine merkwürdige Art. Einerseits gilt Individualität als gesellschaftsfähig, andererseits haben sich in Sachen Bildung und Erwerbsleben Verhaltensweisen etabliert, die keine wirkliche Abkehr zulassen. Ungeschriebene Gesetze bestimmen das tägliche Zusammenleben innerhalb der gegebenen Strukturen und Hierarchien.  Zum Beispiel „Sei kritikfähig und übe dich in offener Fehler-Kultur.“  Was meint, trete bloß niemanden ernsthaft auf die Füße und wenn Du Scheiße gebaut hast, gib`es sofort zu, aber erwarte das nicht von anderen, schon gar nicht von deinen Vorgesetzten.  Oder „Schaue stets über deinen Tellerrand“  Was meint, sei aufmerksam, was um dich herum geschieht, aber überschreite in gar keinen Fall deine Kompetenzen, sondern teile deine Beobachtungen mit deinen Vorgesetzten, damit der den potentiellen Erfolg verbuchen kann. Oder auch „Übe dich in Teamfähigkeit“ Was meint, sei froh, wenn man dich mit Arbeit überhäuft, das ist die beste Existenz-Absicherung. Solltest Du das nicht alles schaffen, tue so wie die meisten anderen, trete die Dinge herunter zum Nächsten, auf das Dein Tisch sauber sein möge. Was man nett verpackt auch delegieren nennt.

Vielleicht bin ich auch nur geschädigt durch die lange Zeit in meinem Beruf, wie dem auch sei…Widersprüche und fadenscheinige Ansagen finden sich überall und die wenigsten haben vermutlich das Glück, mit ihren Beruf auch eine Berufung gefunden zu haben. Hilfreich ist in jedem Fall ein Gespür für einigermaßen ertragreiche, besetzbare Nischen, verbunden mit dem Mut, diese auch zu betreten. Günstige Gelegenheiten gehören ebenso dazu wie die Fähigkeit, diese auch wahrzunehmen und zu nutzen.

Mit diesen Gedanken und besten Wünschen für die Kid`s da draußen kehrt meine Aufmerksamkeit wieder zur AUA-Decke zurück und zur Wärmflasche.

Gut für diesen Augenblick.

 ~

Nur ein Schuh

Abdul Halim ist ein gläubiger Mensch und besucht regelmäßig zum Freitags-Gebet die Moschee in seinem kleinen Dorf. So auch letzten Freitag, und es hätte eigentlich sein können wie jeden Freitag, wenn…, ja wenn nicht irgendjemand den linken von Abdul Halims Schuhen gestohlen hätte, die er vor dem Gebet als Paar noch draußen abgestellt hat, im vollen Vertrauen in die Ehrlichkeit seiner Mitmenschen.

Man kennt sich auf dem Lande, und auch Abdul Halim ist seinen Nachbarn gut bekannt. Nicht nur er, auch seine alte Mutter, die ihm einst seinen schönen Namen gab, der für Milde und Friedfertigkeit steht. Gleich so, als hätte sie beizeiten schon geahnt, das eben diese Attribute nicht zu den bevorzugten Stärken ihres Sohnes gehören sollten. Kaum entdeckt Abdul Halim die frevelhafte Tat, steigt eine unglaubliche Wut in ihm hoch. Nicht zur persönlichen Bereicherung, was ja noch zu verstehen gewesen wäre, nein, sondern ausschließlich ihm zum Ärger hat man ihn bestohlen, wer sonst, außer vielleicht Einbeinige, könnten mit einem Schuh etwas anfangen.

Abdul Halim baut sich vor dem Eingang der heiligen Stätte auf, wartend, bis sich auch der letzte Dorfbewohner nach dem Gebet zum Plausche dort eingefunden hat. Mit hochrotem Kopf, geschwollener Halsschlagader und der Körperhaltung eines zum Angriff bereiten Bullen brüllt er über den Platz:

Wenn jetzt gleich, spätestens in einer Viertelstunde, meine beiden Schuhe nicht genau dort stehen, wo ich sie hingestellt habe, dann könnt ihr mich erleben, wie ihr mich nie zuvor erlebt habt und ich schwöre euch bei Allah und allen Heiligen, ihr werdet mich kaum wiedererkennen!

Erschrocken stehen die Dorfbewohner zusammen, man kennt Abdul Halim und sein gefürchtetes Temperament. Niemand wiederum kennt den ruchlosen Dieb, der ihnen mit seiner lasterhaften Tat solchen Ärger einzubringen droht. So fasst man also einen Entschluss. Geld wird gesammelt und ein Abgesandter zu Abdul Halim geschickt, um eine weitere Eskalation zu verhindern.

Schnell ist Abdul Halims Schuhgröße bestimmt, der örtliche Schuster konsultiert und ein Paar passende, wunderschöne Lederschuhe besorgt. Nachdem diese offensichtlich Abdul Halims Gemüt beruhigt haben, zerstreut sich langsam die erleichterte Menge. Bis auf ein kleiner Junge, den die Neugier nicht weichen lässt. Vorsichtig nähert er sich dem nun nicht mehr ganz so furchterregenden Abdul Halim und fragt ihn schüchtern:

Onkel, sag doch, was genau hättest Du denn so furchtbares getan, hätten nicht alle für den Diebstahl eingestanden?

Abdul Halim lässt sich Zeit mit der Antwort. Nach einer Weile neigt er sich zu dem kleinen Jungen hinab und schaut ihm mit festem Blick aus seinen dunklen Augen tief in die Seele und sagt leise:

Nach Hause wäre ich gegangen, mit nur einem Schuh…

 *

 Anm.: Die Geschichte wurde mir im Kern vor langer Zeit als Teil der mündlichen arabischen Überlieferungen erzählt. Form und Ausschmückung sind meine.

 

Eingeschränktes Sichtfeld

Heute Morgen stehe ich in der Warteschlange einer Bäckerei-Filiale beim Akzenta um die Ecke. Es dauert, ein dicker, bärtiger Kerl hat offensichtlich eine riesige Sippe zu versorgen, vor ihm auf der Theke liegen gut ein halbes Dutzend prall gefüllter Tüten.

Endlich bin ich an der Reihe. BITTESCHÖN! fragt ein etwas säuerlicher Mund und ich sage „6 Brötchen und zwar davon...“ Jetzt wird`s schwierig. Ich quetsche mich neben dem Dicken mit der Groß-Sippe und stehe so wenigsten unmittelbar vor den Auslagen. Was mich aber nicht wirklich weiter bringt, denn mindestens eine halbe Fußball-Mannschaft emsiger Kolleginnen von BITTESCHÖN flitzen hin und her, um die zahlreichen Wünsche der Wartenden zu erfüllen. So sehe ich anstelle der begehrten Backwaren genau in Blick-Höhe nur die Hinterteile der Kolleginnen, was zwar auch seinen Reiz hat, mich aber meinem Ziel einer vollständigen Bestellung nicht näher bringt.

BITTESCHÖN guckt ungeduldig und ich sage zu meiner Entschuldigung mit ein wenig hilfloser Mine „Kann leider nix sehen…“  Das stimmt zwar so nicht per Definition, aber weiter ausführen möchte ich das jetzt nicht. Dann kommt sie, diese Frage, mit zickigen Unterton:

„WAS können Sie denn nicht sehen?“ 

Jetzt wird mein dramaturgisches Talent geweckt, von dem ich eigentlich bis heute Morgen noch nichts wusste. Mit ausgebreiteten Armen und ratlosen Gesicht stehe ich da. „Wie kann ich Ihnen etwas beschreiben, was ich eben nicht sehe…“  Diese Logik treibt einigen der Emsigen einen Anflug von Lächeln in`s Gesicht und ich nutze derweil jede Lücke, um endlich zu Potte zu kommen. „Davon zwei…“ mit ausgestecktem Arm – „davon auch…“  Was weiß ich, welche Phantasie-Namen dem ganzen Zeug hier gegeben wurde, Schilder lesen ist mir aus gegebenen Anlass schon erst recht nicht möglich.

Endlich ist alles komplett und bezahlt, BITTESCHÖN und ich wünschen uns zuckersüß ein schönes Wochenende. Während ich erleichtert das Weite suche, wundere ich mich immer noch.

Fragen gibt es!

Arbeitsweg

Der Bäcker-Besuch kostet 10 Minuten, unrasierte, hungrige Kerle mit müden Beinahe-Wochenend-Gesichter fordern Kaffee und Backwerk aller Art. Derbe Scherze fliegen über die Theke. Wie, der Mett ist alle! Der beschürzte Kollege aus dem Hinterzimmer schüttelt grinsend seinen Arm. Nääh, da kommt auch kein Mett, mus`se warten, bis Lidl aufmacht. Die sin` nich`so blöd wie wir, die machen erst um 7 offen. Ok, Salami geht auch. Na dann.

Draußen hat der Regen nachgelassen. Dafür windet es gehörig, Westwind vom feinsten. Westwind früh Morgens bremst mich auf dem Fahrrad ziemlich aus, zurück schalten, langsamer machen und spüren, was der Wind mit sich trägt, an so typischen Mai-Gerüchen und Vogel-Stimmen. Gegenwind total als Tages-Einstimmung, das hat etwas. Kehr um, kehr um, bläst er mir in`s Ohr, ich helfe dir auch auf dem Weg zurück. Schweig still, du Verführer, antworte ich, weder füllst Du mir den Kühlschrank noch regelst Du meine Miete. 

 Mal sehen, wie der Tag sich so macht.

*

Soziale Medien

Seit einiger Zeit bekomme ich auf Facebook Werbung ausschließlich aus Schweden, so etwas wie unten zu sehen (vielleicht hätte ich mein Geburtsdatum doch etwas verfälschen sollen…), aber auch Unverfängliches wie Ikea-Werbung im Original-Ton, ohne Untertitel.

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Wie das kommt? Das liegt an meinen Wohnort, natürlich. Da wollte ich wahrheitsgemäß „Ölberg“ eingeben, so lautet die historische Bezeichnung unseres schönen Viertels hier. Leider kennt das dumme Facebook keinen Ölberg, macht mir aber einen Alternativ-Vorschlag, eben Olberga, leider in Schweden. In meiner Not nehme ich das Angebot an, was hätte ich sonst auch tun sollen.

Seitdem werde ich auf schwedisch bunt behelligt von allen möglichen Anbietern. Was mich aber nicht weiter stört, da ich im Allgemeinen weder deutscher noch sonst welcher Reklame erhöhte Aufmerksamkeit schenke. Schlussendlich bekomme ich nun eine Ahnung, warum der eine oder die andere mich gelegentlich mit „alter Schwede“ betitelt.

Obwohl – so alt bin ich eigentlich auch noch nicht…

 

Nahverkehrsmittel

Vor gut zwei Jahren bekam ich von meinem Vater ein schon betagtes Trecking-Rad überlassen, welches er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr fahren konnte. Das stand dann eine ganze Weile herum, neben einem noch viel betagteren Herkules-Halbrenner, Baujahr `81. Bis mir der Verkehr auf der Straße irgendwann reichte und ich mich an das für meine Verhältnisse (10-Gang, keine „Index-Schaltung“) komfortable Rad meines Vaters erinnerte.

Nun bin ich nicht der Mensch, der für Sport oder Bewegung allgemein viel Zeit investieren will und kann, andererseits erkenne ich die Notwendigkeit, meine Gesundheit auch aktiv zu erhalten. Das Rad kam mir da genau recht. „Komfortable“ 3 mal 7 Gänge für die Gegend hier, die Option, bis vor die Geschäfte in der Fußgängerzone fahren zu können und die Möglichkeit aufgrund eines überschaubaren Arbeitsweges, Bewegung in meinen Alltag zu einzubauen, anstelle irgendwelche Sport-Studios zu besuchen.

Letztes Jahr kam dann noch ein ebenfalls betagter, aber wenig gefahrener Crosser hinzu, mit dem deutlich sportlicheres fahren möglich wurde. Nachgerüstet mit einem entsprechenden Lastenträger und Packsäcken erledige ich damit alle möglichen nötigen Wege, komme in Bewegung und mache mich vom Auto unabhängiger.

Manchmal staune ich, was so alles geht, mit guten Willen. Hier z.B. bei der Pack-Station.

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 Oder auf dem Weg zum Fahrradmann

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Oder Papier und Glas entsorgen…

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Einkaufen…

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Zusammen mit dem Rucksack und den Packsäcken kommen stolze 75 Liter Stauraum für grenzwertige Einkäufe zusammen, zuzüglich der Möglichkeit, auch mal unförmigeres Zeug einigermaßen sicher zu fahren. Toll finde ich in dem Zusammenhang die holländischen Lastenräder (Katzenstreu, Mineralwasser…), aber damit käme ich wohl kaum die Berge hier hoch und auch für die Kellertreppe ist so ein Gefährt zu schwer.

Schade eigentlich.

Der Fahrradmann

Es gibt sie noch, richtige Unikate, solche Typen, die auf ihre Weise unverwechselbar sind. Menschen, die in keine Schublade passen, Menschen, die sich ihre Nische gesucht und gefunden haben. Einer von ihnen ist der Fahrradmann, hier in der Nähe. Er lebt hauptsächlich von Mundpropaganda, keine Website oder dergleichen, nur ein dürftiger Eintrag im Branchenregister, keine Telefonnummer, keine Öffnungszeiten, nur Name und Anschrift. Wer etwas von ihm möchte, muss also dort hin. Vor einigen Wochen war mein Trecking-Rad Reparatur-bedürftig, die Ständer-Halterung war durchgerostet und zudem war ich auf der Suche nach einem günstigen, gebrauchten Rad für den Winter. Ein Kumpel von nebenan hat mir mal von dem Fahrradmann erzählt, das klang recht gut, die beste Werbung sozusagen.

Sein kleiner Werkstatt-Laden liegt ein wenig versteckt unten im Luisenviertel. Von der Straße aus geht es durch ein kleines Tor über den Hinterhof zum Eingang. Ein kleiner, muffiger Raum mit einem Mini-Schaufenster, voll gestellt mit Rädern, neue sowie gebrauchte. Ein funzeliges Licht beleuchtet das Ganze spärlich und man könnte meinen, das der Laden verlassen ist. Aber ihm entgeht nichts, wenn draußen jemand steht, schaut er plötzlich um`s Eck, der Fahrradmann. Schon sehr gut jenseits der 50, groß gewachsen, hager, dunkle Klamotten,  meist eine Weste, die Arme stecken in seltsamen Stulpen, die Hände dünn behandschuht. Manchmal ziert auch ein schwarzer Schmierfleck sein Gesicht, wie das so geht, wenn man sich mit öligen Fingern mal kratzen muss.

Der Laden ist Verkaufsraum und Werkstatt in einem. Alles mögliche liegt auf dem Boden, zwei alte 80er-Jahre Telefone, Hörer daneben liegend, Schrauben, Ventil-Kappen, eine Sprühöl-Dose mitten drin. Hinten an der Wand hängt ein Brett, voll gestellt mit Werkzeug und Ersatzteilen. In einer Ecke sind vielleicht 2, 3 Quadratmeter mit einem Tuch notdürftig zu gehangen, dahinter geht es richtig zur Sache, Haufenweise gebrauchte Fahrrad-Teile. Ein auf dem Boden stehender Ventilator bläst unermüdlich und von irgendwo plärrt leise ein Radio.

Bei ihm gab ich also nicht nur mein Rad zur Reparatur, ich erstand ich auch ein uraltes, aber gut erhaltenes Cross-Rad, für meine Zwecke genau richtig, sogar mit einem Jahr Garantie. Ein paar Dinge waren nicht so, wie sie sollten, und darum bin ich noch ein paar mal zu ihm hin. Wortkarg ist er, der Fahrradmann, aber er versteht sein Handwerk. Vor sich hin brummelnd sucht er scheppernd in den Ecken nach Werkzeug und Teilen, er kennt sich aus in seinem nur scheinbaren Chaos. Montage-Ständer oder ähnliches sucht man bei ihm vergebens, das wichtigste Utensil ist eine große Gummimatte auf dem Boden. Mal eben wechselt er das Tretlager, zerlegt die Hinterrad-Nabe, tauscht verschlissene Teile. Es ist eine Lust, ihm beim werkeln zu zuschauen. Fest sitzende Muttern, kein Problem, in den Tiefen des Ladens findet sich ein mächtiges Rohr, das auf dem Schlüssel passt. Keine Werkbank, alles geschieht auf dem Boden, gebückt steht er da in dem trüben Licht, die Taschenlampe im Mund beleuchtet das Zielobjekt. Fragen werden auch unter solch erschwerten Bedingungen nuschelnd beantwortet, wobei ab und zu ein wenig Speichel herunter tropft. Echtes Handwerk eben. Kein Vergleich zu den großen Läden mit den vielen Angestellten und schicken Verkaufsräumen.

Geschickt ist er, zuvorkommend, verbindlich und fair.  Seine Erscheinung wirkt irgendwie aus der Welt gefallen, ein wenig seltsam oder schrullig, wie man sagt. Solche Charakterköpfe sind selten geworden, in unserer auf Äußerlichkeiten getrimmten Welt.

Ich mag ihn, den Fahrradmann.

Cross-Rad

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