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Ego und Angst

Schon länger hege ich den Verdacht, dass es da einen Zusammenhang geben muss, ohne groß im Netz zu dem Thema recherchiert zu haben. Wer so wie ich dann danach sucht, findet eine Fülle von Seiten, die sich damit auseinandersetzen, scheint also vor mir schon eine Menge anderer Menschen beschäftigt zu haben. So Dinge, mit denen ich mich selbst erst dann auseinandersetze (und dann staune, dass ich damit nicht allein bin), wenn es nicht mehr anders geht. Wenn das Ego endgültig realisiert hat, nichts, wirklich nichts selbst „in der Hand“ zu haben, keine Kontrolle über irgendetwas zu haben.

Alles hat seine eigene Gesetzmäßigkeit im Leben, so auch die Lebensbereiche, an denen das Ego gerne rütteln und schütteln möchte. Herrschte bei mir im Beruflichen die meiste Zeit meines Lebens, von den Anfängen einmal abgesehen, eher Kontinuität und Beständigkeit, im Privaten dagegen meist das blanke Chaos, so scheint sich dieses Verhältnis nun in meinen letzten Berufsjahren umzukehren. Einzelheiten erspare ich der Öffentlichkeit an der Stelle lieber, zum einen mit Blick auf die Diskretionspflicht meinem Arbeitgeber gegenüber, zum anderen mag ich mir mit Details zu dem Thema nicht unbedingt den schönen Samstag-Morgen verderben.

Bildet sich mein Ego also ein, der König meiner selbst zu sein, steht ihm sofort die kleine lästige Schwester Angst zur Seite. Da könnte etwas verlustig werden, weggenommen werden, zumal wenn nur beschränkt verfügbar, sorgt die Angst dafür, dass Verteidigungswälle errichtet werden, Waffen werden geputzt, geladen, in Stellung gebracht und entsichert. Strategien werden erdacht, Taktiken entwickelt, mögliche Waffenbrüder gesucht. Eine sehr anstrengende Sache also, die an vielen Positionen in den Betrieben oder an anderen Stellen im Leben, überall dort, wo Mensch gehalten ist, sich mit seinesgleichen zu arrangieren, dazu führt, dass der überwiegende Teil der Tages-Energie für eben diese, letztendlich vom Ego im Verbund mit der Angst ausgelösten Verhaltensweisen dahin geht und so der eigenen Kreativität, meinetwegen Produktivität, der eigenen Lebendigkeit nicht mehr zur Verfügung steht. Ganz zu schweigen von der Lebensfreude, der Gelassenheit, der Ausgeglichenheit, des inneren Friedens.

Wie kann also ein Weg heraus aus dieser Falle ausschauen? Ohne ein Mindestmaß an Ego geht es offensichtlich nicht, unser Schöpfer hat sich etwas dabei gedacht, uns damit auszustatten. Keine Kühlschranktür öffnet sich ohne Ego, von den modernen Varianten der urzeitlichen Säbelzahntiger mal ganz zu schweigen. Da sei doch immer noch Gott, meinte ein AA-Freund neulich im Gespräch über diese Zusammenhänge zu mir. Einer, der es wissen muss, bei seiner Lebensgeschichte, die nun immerhin fast 8 Jahrzehnte währt und alles andere als beständig verlief.

Stimmt. Wenn ich mich daran erinnere, im Leben geführt und begleitet zu sein, schrumpft das Ego auf ein natürliches Maß und spielt sich nicht mehr als Chef auf. Mit ihm schrumpft auch die Angst, an ihrer Stelle tritt Vertrauen, so wird Energie und Raum freigesetzt, auf das Nächstliegendste zu schauen, in der Gegenwart zu bleiben, was sich sehr befreiend anfühlt. Was mir bleibt, ist Tag für Tag neu zu schauen. Pläne und Visionen gehen schon in Ordnung, solange sie nicht als Anspruch und Erwartung angesehen werden, sondern bestenfalls als Orientierung.

In dem Sinne –
alles in der Natur strebt nach Ausgleich, nach Gleichgewicht …

Nachtrag:

Ich nutze immer gerne das Bild von dem schwarzen Vogel, der auf meiner rechten Schulter sitzt. Er ist Herr der Ängste, der Depressionen, der dunklen Stimmungen. Er lässt sich nicht vertreiben, darum haben wir einen Burgfrieden geschlossen. Ich verschwende keine Energie mehr darauf, ihn zu vertreiben, er darf also bleiben, da er offensichtlich ein Teil von mir ist. Im Gegenzug hat sich der Schwarzgefiederte damit abzufinden, nicht der Herrscher über meine Seele zu sein.

Nun bin ich im Laufe meiner mehrwöchigen gesundheitlichen Rehabilitation gefragt worden, wer oder was denn als Ausgleich sozusagen auf der anderen Schulter säße. Ein gute Frage, fand ich – spontan fiel mir Jesus ein. Jesus? Warum eigentlich nicht. Der schwarze Vogel ist ebenso nicht körperlich sichtbar und wirkt dennoch, ebenso wie Jesus. Nur in die andere Richtung …

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Der stille Monat

So nennt man ihn, den November, mit seiner zunehmenden Dunkelheit und dem allgegenwärtigen Rückzug in der Natur. Auch die Seele begehrt nach einem gewissen Rückzug, Zeit für Einkehr, Innenschau oder Inventur, je nachdem, welchem Vokabular man näher steht.

Auf dem Tisch neben meiner Schlafstelle liegt stets so einiges umher, neben gewissen digitalen Toren zur weiten Welt auch immer mehrere Bücher, in denen ich je nach Gemütslage mal mehr, mal weniger lese. Derzeit warten dort zwei angelesene Exemplare auf mich, einmal „Finde deinen inneren Mönch“ von Tim Schlenzig, dem Autor des erfolgreichen Blog`s mymonk.de . Zum anderen der gedruckte Antipol dazu, „Das Liebesleben der Hyäne“ von Charles Bukowski, der auf wundersamen Wegen zu mir zurück gefunden hat. Zu Beginn meiner Abstinenz habe ich meine Bukowski-Sammlung an einem interessierteren Leser weiter gegeben, von daher ist es schon erstaunlich, wie anhänglich gewisse Literatur ist, ohne käuflich erworben zu sein.

Zur Besinnung, also der Jahreszeit entsprechend, passt natürlich die Suche nach dem inneren Mönch um Längen besser. Es liegt auch schon eine Weile dort, der November ist ja noch jung und mein Bedarf an spirituellen Ratgebern eigentlich im Laufe der Jahre mehr als gedeckt. Irgendwann ist es genug davon, dann geht es an`s ausprobieren via Versuch und Irrtum – Leben live sozusagen. Das Drehbuch dazu ist leider nicht im Fachhandel erhältlich und wird sowieso täglich aktualisiert.

Der innere Mönch also – habe ich mich noch ein weiteres Mal, inspiriert vom gelungenen Blog, zu einem solchen Seelenleitfaden verführen lassen. Ein Taschenbuch mit großen Buchstaben, was ein guter Trick ist, altersgerecht, sieht gut aus und es bedarf auf Seiten des Autors nicht ganz so viel Weisheit, ein kleines Buch zu füllen. Leider bin ich noch nicht über die ersten Seiten hinaus gekommen. Der Autor schildert zu Beginn seine unbefriedigende, berufliche Laufbahn und den Akt der Befreiung als Schriftsteller dann, gefolgt von der Aufforderung, jetzt endlich mal seine Träume zu leben, weil jeder Tag der letzte sein könnte. Dann – eine Doppelseite zum selber-ausfüllen, welcher Art die Träume so sind, was man als 8-jähriger so gemacht hat und wie man das wieder aufleben lassen könnte.

An der Stelle klappt der innere Mönch erst einmal mit einem lauten Geräusch wieder zu. Dem Autor bin ich nicht gram, der kennt mich ja nicht und hat wohl eher so standardisierte Kindheitsbilder vor Augen. Mir jedenfalls graust es bei der Vorstellung, noch einmal, und dann noch freiwillig, so zu sein wie damals.

Träume – lebe deinen Traum, heißt es allerorten. Wenn ich ganz ehrlich zu mir bin, fällt mir nicht wirklich etwas dazu ein. Zu groß sind gewisse Sachzwänge, zumindest für einige Jahre noch so weiter zu machen wie bisher, also wie gehabt jagen und sammeln in meinem Dasein als Industrie-Schauspieler. Danach – für die Zeit nach dem Erwerbsleben gibt es bislang nur eine Ahnung … es soll von Herzen kommen und mit Menschen zu tun haben, nicht oder falls, dann nur untergeordnet, mit Technik. Kochen kann ich, und schreiben. Und nein, ich hasse Kochbücher …

Ein schöner Traum ist es, einfach mal alle Menschen einzuladen, die mir irgendwie am Herzen liegen, mit denen ich mich teils auch über große Entfernungen verbunden fühle, abseits von irgendwelchen gesellschaftlichen Zwängen und / oder eher destruktiven Gefühlen wie zum Beispiel Eifersucht. Was so gar nicht zu der Liebsten und meiner eher zurückgezogenen Lebensweise passt, aber dennoch eine schöne Vorstellung ist. Menschen wie A. zum Beispiel, mit der mich das Thema Genesung und Glaube verbindet. Oder M., mit der ich nächtelang philosophieren könnte. Oder die H. aus wärmeren Gefilden, sie weiß so viel über Kräuter, über Naturkunde, und wie man sich zu helfen weiß, nicht nur handwerklich. Oder R., vor dessen Art, die Welt über die Kinder zu einem etwas besseren Ort zu machen, ich großen Respekt habe. Der sich darum bestimmt gut mit der Liebsten verstehen würde. Oder, oder, Sorry, ich kann euch nicht alle hier aufzählen, die Liste würde sehr lang und für ein Treffen wäre ein Tag viel zu kurz.

Tja, lieber innerer Mönch, allen Anschein nach musst Du noch ein wenig warten. Bis dahin sorgt Buko zwar nicht unbedingt für mein Seelenheil, aber doch für eine gewisse Zerstreuung, das eine oder andere schmutzige Grinsen – und für Dankbarkeit, so nicht leben zu müssen.

Was auch seinen Wert hat.

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Oh, die Ehre!

Wenn ich mit dem Rad unterwegs bin, habe ich es recht komfortabel, was die Unterbringung des Rades angeht. Da gibt es ein altes Ladenlokal, welches ich mit nutzen darf, zu ebener Erde. Wobei eben hier im Tal der Wupper relativ ist, aber eine schiefe Ebene ist eben auch eine Ebene. Da der Berg hier vor der Türe in etwa 15% Steigung hat, muss das Rad, steht es einmal draußen, gesichert werden, damit es sich nicht selbstständig machen kann. Der bordeigene Seitenständer ist da wenig hilfreich, also nutze ich dafür ein Fallrohr der Dachrinne nebenan, was bei einer gewissen Schrägstellung des Rades recht gute Dienste leistet. Leider steht das Rad dann ein wenig quer zum sowieso schmalen Fußweg, was gelegentlich für Unmut bei den Passanten sorgt, die natürlich gerade in den paar Sekunden da lang müssen.

Manchmal sorgt dieser kleine Moment aber auch für interessante Begegnungen mit den Nachbarn. So geschehen dieser Tage in besonderer Weise. Wieder steht mein Rad dort leicht versetzt zur Häuserwand, kommt eine kleine, bunte Frau des Weges, auf dem Arm einen Karton mit frischen Einkäufen. So`ne typische Bergbewohnerin hier eben. Ich nicke ihr freundlich zu und wundere mich, dass sie grinsend stehen bleibt.

Dachte erst, du wärst der Frank, meint sie. Aber dann denke ich, der Frank würde niemals so lahm den Berg hoch fahren. Da habe ich mir gedacht, ich schaue mal, wie alt der Fahrer ist, der hier so hoch kriecht.. So tönt es, fein gewürzt mit einem frechen Grinsen im Gesicht.

Was für eine freche Pute, denkt es in mir leicht empört, während ich meinen Schlauchschal vom Gesicht pelle und mich zu erkennen gebe. Wie spricht die eigentlich mit mir, dem Bruder von Eddy Merckx. Der leider momentan ein wenig aus der Form ist, derweil der neulich erworbene Bobby-Car des Morgens sehr verlockend scheint, gerade um diese Jahreszeit bei Schneeregen und ähnlichen Unbillen. So grinse ich frech zurück und meine, dass es vor, sagen wir mal 20 Jahren durchaus ein wenig schneller gegangen wäre und dass ich jedenfalls noch hier hoch fahre und mein Zeug nicht tragen muss, mit einem süffisanten Blick auf das Gelumpe in ihrem Pappkarton.

Jaja, meint sie,immer noch grinsend, sie würde ja nun auch bald 50 und wäre schon lange nicht mehr hier hoch gefahren. Dann schweig doch lieber still, Weib, oder bedenke wenigstens deiner Worte, grollt das immer noch leicht angepisste Ego weiter hinten im Kopf, während wir uns lachend einen guten Tag wünschen.

Wird so langsam Zeit für das kommende Frühjahr, glaube ich. Um wieder in Form zu kommen, nicht für alle freche Puten dieser Welt, mehr so für mich…und für mein Ego.

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Frischzellenkur

Seit gut drei Jahren leistet mir mein betagter Crosser (Bj.1993) gute Dienste, als Alltagsgefährt für die Arbeit, zum einkaufen sowie für gelegentliche Tagesausflüge, so richtig nett mit wenig Zeug und nach Möglichkeit Sonne. Auf diese Weise kamen bis dahin allein in dieser Zeit ca. 9000 Km zusammen. So nach und nach wurde der Verschleiß offensichtlich, irgendwo habe ich gelesen, alles am Rad sei Verschleißteil, und das kann ich voll bestätigen.

Schön sichtbar ist das an der Kette. Die hier ist im harten Betrieb durch die dünn gewordenen Gelenkbolzen ca. eineinhalb Kettenglieder länger geworden, bei geschätzten 4000 Km.

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Die schon länger andauernde (technische) Restaurierung ist jetzt weitestgehend abgeschlossen. „Original“ sind vom Rahmen abgesehen nur noch sehr wenige Teile. Ersatzteilbeschaffung für alte Räder ist eigentlich kein Problem. Eigentlich, weil, wenn man etwas besseres haben möchte, wird es schwierig. So gibt es zwar noch Hinterräder für 7-fach-Kränze, aber mit billigen Naben. Etwas besser, in Shimano-Deore-Qualität gibt es erst ab 8-fach-Kranz, mit einem entsprechend längeren Freilauf. Also müssen so genannte Spacer mit rein, Distanzringe, um die Differenz auszugleichen. Das Netz offenbart da widersprüchliches, die einen sagen, 3 mm reicht, andere meinten, es sollen 4 sein. Also zwei bestellt, 3 und 1 mm, die dann auch beide verbaut werden mussten.

Jetzt hat der betagte Esel also Deore-Laufräder, eine neue Kettenblattgarnitur, Kette, Ritzelpaket,  Innenlager, neue Schutzplaste, neue, endlich rutschfeste Pedale. Das Schaltwerk war schon vor knapp zwei Jahren getauscht, ebenso die ursprüngliche Gripshift-Schaltgriffe gegen präzisere Rapidfire-Hebel. Ah ja, der Sattel – Freiheit für die Prostata, schön mit Spalt in der Mitte. Ebenso der Gepäckträger. Abkürzend hätte ich besser die noch vorhandenen Originalteile aufgeführt, neben dem Rahmen eben Lenker, Bremsen und diverse Schalt-Bremszughüllen. Und – last not least – vor ein paar Monaten brach der alte Seitenständer mitten durch und wollte dito ersetzt werden.

Erkenntnisse am Rande:

  • Ohne gründliche Recherche im Netz wäre ich aufgeschmissen gewesen, bei zahllosen Detailfragen, Montage sowie diverse Spezialwerkzeuge betreffend.
  • Alle Filmchen, Forenbeiträge und Expertenseiten hindern einen nicht daran, irgendwann an einem Punkt zu gelangen, an dem selbst gedacht werden möchte.

Bilder des Werkes…

Die alte Kurbel hat mich den meisten Schweiß gekostet, bei verranzten Abzuggewinde wollte der alte Mist mit roher Gewalt herunter gesägt werden:

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Rostschäden…

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Es wird …

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Das is`ser also, hoffentlich fit für die nächsten Jahre, Fährt, schaltet, bremst butterweich und nahezu geräuschlos, von einem noch besser zu befestigenden Schutzblech mal abgesehen. Die Summe der Teile war viel Geld, aber immer noch unter der Hälfte dessen, was ein vergleichbares neues Rad gekostet hätte. Außerdem ist es – ja richtig, sinnvolle Freizeitbeschäftigung und nicht zuletzt in meinem Fall auch eine Herzenssache, weil ich dieses alte Teil sehr liebe.

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Nicht überraschend

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Demoskopen sind täusch- und manipulierbar, wie man sieht. Bot`s sei Dank. Am Ende wählen die Menschen den, der sie am meisten berührt, unabhängig dessen, was sie möglicherweise erwartet. Demagogen mit ihrer großen Fresse berühren die Menschen, ihre Herzen und ihre Seele, wenn auch ganz unten. Angst ist immer noch eines der stärksten Gefühle, das wird sich auch bei den kommenden Wahlen in Deutschland wiederspiegeln.

Amerika hat es, so scheint es, nicht anders (besser?!?) verdient. Der Rest der Welt muss mit den Folgen klar kommen. So Gott will, schauen dem neuen Präsidenten hoffentlich einige besonnene Vertraute auf die Finger. Wobei die Geschichte zeigt, dass dieses mitunter auch nichts nützt.

Als Kind der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts bin ich mit Bedrohungs-Szenarien in einem Waffen-starrenden, geteilten Land aufgewachsen. Jederzeit konnte Schluss mit lustig sein, das war Lebensgefühl bis Ende der 80er. So gesehen ist das Klima nun vertraut, leider.

Die Welt hat Reagan und den Ex-Alkoholiker (?) Bush Junior überlebt, Blut-triefend.Sie wird auch Donald Trump überleben. Wobei niemand heute den Preis dafür kennt. Was einerseits gut ist. Und – ja, ich höre schon die Argumente derer, die sagen, das andere noch viel schlimmer sind/waren/sein werden. Das man da doch gegenhalten müsse undsoweiter. Mag schon sein. Diese hat man mir allerdings auch nie als „Freunde“ verkauft.

Artikel Drei des rheinischen Grundgesetzes 
Et hätt noch emmer joot jejange.
Wobei der Glaube daran manchmal nicht leicht fällt.

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Findelkind

Gestern Abend, als ich das Haus verließ, da stand sie schon da. Klein und schon ziemlich lädiert in ihrem engen Verkaufskleid aus Plastik, das sie zwar handlich machte, ihr aber auch die Luft abschnürte. Irgend jemand hatte sie auf dem Strom-Verteilerkasten gleich neben dem Hauseingang abgestellt.

Spät am Abend kam ich heim und sie stand immer noch dort, wie bestellt und nicht abgeholt. Spätestens jetzt war mir klar, dass sich niemand wirklich für sie interessierte und ihr ein elendes Schicksal drohen würde, wenn ich mich nun nicht ihrer erbarmen würde. Also nahm ich sie mit nach oben in unsere Wohnung.

Bei der Liebsten renne ich mit meinem Straßenkind offene Türen ein. Geht überhaupt mal gar nicht, so ein armes Ding seinem Schicksal zu überlassen. Also wird die Kleine erst einmal von ihrem furchtbaren Plastik-Kleid befreit und gründlich gewässert. Anschließend werden einige wenige bereits hängende Köpfchen sauber abgeschnitten, um in einem kleinen Glas mit Wasser Erholung zu finden. Es findet sich bald eine bis dahin Sinn-freie, Pink-farbene Blechkanne, die nur auf einen neuen Gast gewartet hat.

Seitdem steht sie hier bei uns und es geht ihr schon sichtbar besser.

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Was mag sich wohl zugetragen haben, das sie sich so verloren am Straßenrand wiederfand? Die einfachste Erklärung hieße, sie ist irgendwem schlicht beim Auto-ausladen unbemerkt heruntergefallen und anschließend von irgendwem anders zumindest schon mal aus der Gosse gerettet worden. Möglicherweise war sie aber auch das unschuldige Opfer eines Beziehung-Dramas. Von einem gerade abgewiesenen, frustrierten Kerl mit harter Hand ihrem Schicksal überlassen worden. Oder sie traf womöglich nicht den Geschmack der Beschenkten, die ihrerseits zu herzloser Maßnahme griff.

Wie auch immer, jetzt geht es ihr gut und auch die immer schon leicht schwuchtelige Blechkanne freut sich über wiedergewonnene Ehre.

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Nachtrag:
Heute, eine Woche,
viel Sonne und Wasser
sowie zahlreiche liebevolle Worte und Berührungen später:

Es geht mir prächtig 🙂

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Ostern 2016

Sie irren traumatisiert und paralysiert als Binnenflüchtlinge durch ihr Land. Verdingen sich auf fremden Feldern für karges Brot und ein armseliges Obdach, mit Glück. Es gibt kein Daheim mehr. Aus den Keller-Löchern schauten sie den Tod, der feurig vom Himmel fiel. Sie schauten den Tod derer, die es wagten, die Machthaber zu kritisieren. Schauten das Schicksal derer, die von den Machthabern zum Dienst an der Waffe gepresst wurden. Das Schicksal derer, die es wagten, sich dem zu entziehen. Das Schicksal derer, die verfolgt, verstümmelt oder ermordet wurden, weil sie selbst oder ein Angehöriger nicht in das Menschenbild der Machthaber passten.

Als die Waffen endlich schweigen, führt der Hunger in den Trümmern das Werk des Todes fort. Wer kann, macht sich davon, vom letzten Geld. Sucht sein Glück in Ländern fernab der Trümmerwüste, die einst sein Zuhause war. Ist auf immer fremd und oft auch verhasst, als Angehöriger seines Stammes, von dem so viel Unheil ausging.

Koffer

Syrien 2016.
Wuppertal 1944/1945

Zwei Orte und zwei Zeiten. Es gibt unzählige davon. All das ist mir vertraut als Nachkomme zweier Familien, in denen ausnahmslos alles vertreten war. Täter, Opfer, Helden, Mitläufer, die Risse gingen quer durch die beiden Sippen. Vielleicht darum geht es mir nahe, was derzeit um uns herum geschieht.

Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, 
das habt ihr mir getan.

Es steht uns frei, uns danach zu richten. Für mich habe ich klar, das ich einen Preis zu zahlen habe, sollte ich dieses Elend ausblenden, sollte ich mich weiter in die „Werte“ der modernen Zeit flüchten, mir blind die Taschen füllen und sie mir ebenso blind wieder leeren lassen. Der Preis ist meine Menschenwürde.

Frohe Ostern!

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(Bildquelle: Auswanderermuseum Hamburg)

 

Bad Godesberg

Ein Besuch bei einem nahen Menschen ließ mich ein paar schöne Bilder mitbringen. Zwei Wochen ist das nun wieder her und mittlerweile sind die Bäume fast kahl. Ich staune, wie schnell die Zeit des Übergangs vorüber ist, bei uns Menschen können das schon mal Jahre sein.

Die Bilder sprechen für sich…

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Der Friedhof an der Godesburg.

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Die Burgruine selbst ist „kommerzialisiert“, also mit einem Betonklotz für gut zahlende Gäste versehen und man muss gute Motive im Nahbereich suchen.

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Berührung

Still haben wir uns St. Laurentius angeschaut, heute, am ersten November. Draußen scheint noch warm die Sonne und die Türen der Kirche stehen offen, bei der kleinen Runde heute mit unseren Gästen. Stadtbesichtigung light sozusagen, Schwebebahn, Ölberg, Luisenviertel, zu mehr reicht die Zeit nicht. Meine Lieben sind schon wieder an der Sonne und ich lasse im Eingangsbereich die schöne Kirche noch einmal auf mich wirken.

Sie steht etwas verloren neben mir an einem kleinen Tisch. Klein, schlank, blonde Strähnen quellen unter einer kurzen Stoffmütze hervor und umrahmen ein älteres, waches und freundliches Gesicht mit strahlend hellen Augen und einer frechen, kleinen Nase. „Kirchenaufsicht“, verrät mir ein kleines Schild an ihrer Jacke.

Gegenseitig wünschen wir uns einen schönen Tag und bei der Gelegenheit werde ich nach der Zeit gefragt. „Meine geht immer so nach, wissen Sie. Wegen der Ablösung gleich, sonst verpasse ich noch meinen Feierabend“ erklärt sie lächelnd. Man müsse doch etwas tun, bevor man geholt würde, sagt sie. Wir kommen in`s Gespräch, sind uns einig, das das wirklich eine sehr schöne Kirche ist, nach der langen Restaurierung in den letzten Jahren. Katholisch eben, das Auge und die Aufmerksamkeit  werden gefangen. Sie besucht aber auch evangelische Kirchen. „Die sind so ganz anders, man muss dort ständig so sehr über sich selbst nachdenken“ Das wäre hier nicht so, sagt sie und ich kann spüren, wie sie das meint.

Wir unterhalten uns über der Menschen Sucht nach Unterscheidung von einander und sind uns einig, das im Kern alle Religionen doch ähnlich sind. Mehr beiläufig erwähne ich meine späte Taufe vor acht Jahren. Sie strahlt regelrecht, freut sich aus ganzen Herzen für mich. Mittlerweile kommt die Liebste mal schauen, wo ich so bleibe und gesellt sich zu uns. Schnell spürt sie die sehr angenehme Atmosphäre und so plaudern wir eine kleine Weile zu dritt.

Beim Abschied umarmen wir uns alle drei, wir, die uns bis gerade eben noch gar nicht kannten. Ein sehr seltener und schöner Augenblick der Berührung ist das für mich, der ich sonst eher bestrebt bin, meine Mitmenschen auf Distanz zu halten.

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Ein Beitrag, der keiner werden sollte

So geht das manchmal. Ich fange an, irgendwo zu kommentieren und merke unterwegs, das ich mich festschreibe und den üblichen Rahmen sprenge mit meinen Gedanken. So geschehen auch gerade eben beim lesen hier bei Esther.

Achtsamkeit. Tägliche Übung und immer wieder ein sich-neu-daran-erinnern. Angefangen beim Umgang mit mir selbst, dem Umgang mit meiner Sippe, mit meinen Nächsten. Achtsamkeit in der Wahl der Worte, Nicht jeden muss ich lieben, aber achten, das geht.

Achtsamkeit bei den täglichen Verrichtungen. Die Behandlung der Dinge, die uns überlassen sind. Kleine Rituale, z.B. bevor ich den Zündschlüssel vom Auto umdrehe, mein Tagewerk beginne oder mich in`s Einkauf-Gewühl stürze. Nicht zuviel zeitgleich tun, langsamer werden. Zentrierter. Bewusster. Öfter mal innehalten.

Liest sich toll und ist es auch 😉 Solange ich dabei akzeptiere, das ich immer ein Mensch bleibe und somit niemals perfekt bin. Es gibt Tage, da fällt es leicht, solcher Art zu leben und es gibt andere. So Tage, an denen Nerven im Wind flattern und ich nicht nur fluchen könnte wie ein Bierkutscher, sondern das auch lautstark heraus lasse. Tage mit zuviel Schärfe in der Stimme, wie überwürztes Essen. Dann muss anschließend mal gut gelüftet werden und ich darf mich erinnern, was ich beizeiten vergessen habe.

Achtsamkeit eben.