Auf dem Schiff

Seit längeren gibt es eine Einladung zu einem doppelten Geburtstag. Der Liebsten Arbeitskollegin samt ihrer Schwester wollen gemeinsam feiern, die eine nach- und die andere hinein in den heutigen Sonntag. Wir sind gemeinsam eingeladen, zum Canoo am Düsseldorfer Rheinufer. Die Liebste ist dicke mit ihrer Kollegin und weil es meist so ist, das ich ihre Freunde auch gut leiden kann, freuen wir uns gemeinsam auf den Abend.

Nach ein paar Ehrenrunden durch die Stadt, der Navi bleibt natürlich daheim – Düsseldorf ist ja sozusagen Nachbargemeinde, erreichen wir den Parkplatz direkt neben dem Schiff am Rhein. Es ist eine Motto-Party, „Bad Hair“ , aha. Die Liebste hat es leicht, dem mit ihrer Mähne gerecht zu werden und mein kaum mehr vorhandenes Hair ist so bad, das ich mir ein schönes schwarzes Tuch kunstvoll um die Rübe binde.

So ungefähr 60 Gäste sind geladen, der größte Teil Freunde und Bekannte der Schwester, die dem Vernehmen nach ein öffentliches und gut dotiertes Amt bekleidet. Fast alle sind so um die Dreißig, wir beide sind tatsächlich die ältesten in der Runde. Flüchtig bekannt ist mir nur die Kollegin, ansonsten sitzen wir erst einmal gemeinsam mit der Hand voll Menschen, die zu ihr gehören. Nettigkeiten werden ausgetauscht, ein wenig Smalltalk, und so bleibt mir reichlich Zeit, mich umzuschauen, Eindrücke zu sammeln und meine Gedanken treiben zu lassen.

Die Gesellschaft ist etwas Frauen-lastig, vielleicht zu zwei Dritteln. Einige Perücken werden zur Schau getragen und kunstvoll bearbeitetes Eigenhaar präsentiert. Eine hat ihre Haarpracht bretthart a la Leningrad Cowboys  steil nach oben toupiert, wahrscheinlich mit Hilfe von Mengen an Chemie, aber mit imposanten Ergebnis, satte 20 Zentimeter mehr Körpergröße. Meine Kamera ist zwar dabei, bleibt aber in der Tasche, ich will hier nicht nerven und es gibt auf dem engen Schiff auch keine Gelegenheit, diskret zu fotografieren. Zwischenzeitlich gehe ich ein wenig umher, suche Toilette und Buffet auf. Bei jedem Gang werde ich witziger Weise von skeptischen Bordpersonal gefragt, ob ich auch ein geladener Gast bin, was ich angesichts meines etwas aus der Art geschlagenen Outfits und Jahrgangs freundlich grinsend bestätige.

Beim Betrachten der Gesellschaft werden Erinnerungen geweckt. Mit dreißig versuchte ich mich erstmals in Familie, chaotisch, aber jedenfalls nicht Sinn-frei. Wichtige Erfahrungen blieben und mein Sohn verdankt dieser Zeit sein Dasein. Hier in der Runde ist von solcher Art Gedanken wenig zu spüren, denen gehört ganz offensichtlich nicht nur an dem heutigen Abend schlicht die Welt. In bester Düsseldorfer Manier sehen und gesehen werden, Oberfläche pur zum hämmernden Pop aus den Lautsprechern. Nur wenige fallen uns auf. Junge Eltern mit ihren kleine Kindern sowie ein, zwei eher still da sitzende Gäste.

Die Liebste stellt Vergleiche an mit gewissen Berliner Vierteln und mir wird einmal mehr bewusst, wie verschieden hier doch die Menschen sind, in Nordrhein-Westfalen, diesem Kunstgebilde der Alliierten. Düsseldorf liegt nur gut 40 Kilometer entfernt von hier und doch ist die Atmosphäre eine ganz andere. Der Schein zählt hier mehr als das Sein, verbunden mit rheinischer Offenheit. Schnelle Kontakte sind möglich, aber ebenso schnell dreht man sich um und geht weiter. Handel, wandel, und gewinne, easy come, easy go.

Was für ein Unterschied doch zu den Menschen hier im bergischen Land, das in der Namensfindung damals allenfalls als  Bindestrich zwischen Rheinland und Westfalen auftaucht. Ein eher zurückhaltender Menschenschlag mit mehr Bodenhaftung. Es dauert, bis man sich einander öffnet, einmal gewonnene Sympathien erweisen sich dann aber auch oft als dauerhaft. Beständigkeit ist die positive Seite der Bodenhaftung, eher düster der verbreitete Hang zur Grübelei hier in den Bergen.

Zeitig, jedenfalls für lokale Verhältnisse, brechen wir am frühen Morgen auf. Ein unterhaltsamer Abend war es jedenfalls und müde, wie wir sind, freuen wir uns wieder daheim zu sein, im stillen Tal der Wupper. Zum Schluss fallen mir noch ein paar berühmte Söhne Düsseldorfs ein…

 

4 Gedanken zu „Auf dem Schiff

  1. Uschi

    Der Song der Toten Hosen passt sehr treffend zu Düsseldorf 😉

    Ihr hattet einen schönen Abend und das zählt doch eigentlich am Meisten, gell.

    Mir geht es oft auch so, das ich die Unterschiede der Menschen in NRW stark wahrnehme
    und wie man sich nach aussen hin gibt.
    Kann man tiefer in sie blicken, sind sie meist ganz anders !!!

    Gut geschrieben!

    Liebe Grüsse und noch einen schönen Sonntag
    Uschi

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  2. QuerVerbindung

    …inmitten von Menschen, mit denen man nicht sehr bekannt ist, zu sitzen, lässt oft schöne Betrachtungen über sie und ihr Leben entstehen…das hat etwas sehr entspannendes…

    liebe Grüße
    Heide

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