Absurd(ismus)

Manchmal gerate ich über scheinbar unverfängliche Diskussionen an die uralten Gegensätze der Menschheit. So geschehen HIER in einem Kommentar, den Sinn des Lebens betreffend. Die Vorgeschichte dreht sich um die vertrauten und altbekannten Ersatzbefriedigungen wie das Saufen oder das Fressen, oder, um es etwas gewählter auszudrücken, maßlose Nahrungs- und Genussmittelaufnahme.

Im Kontext mit der inneren Leere, die solch süchtiges Verhalten befeuert, gerate ich also wieder einmal über die alte Frage nach dem Sinn des Lebens (irgendwie normal für einen wie mich, der keine Lust auf Smalltalk hat …) zu dem im oben verlinkten Kommentar angesprochenen scheinbaren Unterschied zwischen den Begrifflichkeiten Sinn-los und Sinn-frei, werde als Antwort auf den Absurdismus unseres Daseins und seiner interessanten Definition auf Wikipedia verwiesen. Laut Camus gibt es Wiki zufolge drei Möglichkeiten, mit den Absurditäten des Lebens umzugehen:

  • Selbstmord, der gleich wieder verworfen wir, weil dieser auch die angenehmen Seiten des Lebens abschneidet.)
  • Religion, der Glaube an eine Existenz über dem Absurden, was laut Camus, weil scheinbar realitätsverweigernd, einem philosophischem Selbstmord gleichkäme und so gleichfalls  verworfen wird.
  • Die Annahme des Absurden durch Akzeptanz dessen, ohne zu resignieren. Camus ` Lösung der Wahl…

Philosophie mag ich sehr, sie hilft dem Geist, sich die Welt zu erklären. Stunde um Stunde kann ich solcher Art mit ebenso geneigten Menschen verbringen, das kann sehr erkenntnis- und lehrreich sein, spannend und unterhaltsam allemal. Philosophie könnte also erfüllend sein und beinahe jeder Religion den Sinn absprechen, wenn – ja wenn dem Geist und seinem Handlanger, dem so genannten Intellekt nicht enge Grenzen gesetzt wären.

Das Grundproblem ist ja, dass all die Worte irgendwo auf dem Weg vom Kopf in`s Herz verloren gehen, sich bei mir nicht als ein tragfähiges Gefühl manifestieren wollen und so, obgleich sehr unterhaltsam, nicht geeignet sind, Vertrauen in das Leben als solches aufzubauen, ganz zu schweigen von der Begrenztheit jeder, wenn auch Abend-füllender Diskussion.

So finden sich beim näheren Hinschauen durchaus Berührungspunkte zwischen der von Camus als Lösung vorgeschlagenen Akzeptanz der Absurditäten des Lebens und manchen Aussagen auch der christlichen Religion, ich denke da spontan an das mir so vertraute Gelassenheitsgebet, welches im Grunde nichts anderes aussagt (Dinge hinzunehmen, die nicht zu ändern sind).

Wenn`s nur immer so einfach wäre. Das größte Hindernis auf dem Weg dahin ist unser Ego mit seinem vermeintlich freien Willen und seinem Hang zur Selbstüberschätzung (Dinge ändern zu wollen, die eben nicht zu ändern sind). Wobei das Ego an sich schon seinen Sinn hat, ohne ein Mindestmaß davon würden wir glatt verhungern, Camus` verworfene Lösung Nummer 1 lässt grüßen. Das Maß der Dinge also wieder einmal – die Auseinandersetzung damit scheint fester Bestandteil meiner Lebens-Lektionen zu sein.

Bis ich in diesem bewegenden Thema wieder einmal ein kleines Stück weiter kommen darf, übe ich mich ein wenig in Zerstreuung und eben darin, die großen Fragen des Lebens nicht unbedingt ernster zu nehmen, als sie sind.

Musik ist dabei hilfreich …

*

10 Gedanken zu „Absurd(ismus)

  1. TeggyTiggs

    …ist es nicht gleich, ob es einen Sinn gibt oder nicht? Warum fragen wir danach? Weil wir uns über den nächsten Schritt nicht klar sind oder weil wir uns einen Rahmen wünschen, einen Halt?

    …muss ein Sinn nicht immer an ein Individuum gebunden sein? …wäre es nicht so, bräuchten wir keine Unterschiede, dann könnten wir gleich sein…

    …wenn also jedem sein Sinn mitgegeben wurde, bzw. von außen oktroiert wurde, denn der Freiraum eines eigenen Handelns ist sehr beschränkt, wie können wir uns dann auf eine allgemeingültige Sinngebung einigen?

    …Mut finden, den eigenen Weg zu gehen…und wird er gegangen, schauen wir eventuell ein gleiches Ziel an…in dem sich jeder Sinn erfüllt bzw. auflöst…

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    1. Reiner Beitragsautor

      Liebe Teggy, auch ich glaube, dass Sinngebung zunächst einmal eine individuelle Frage ist. Wobei man den Kreis durchaus auch weiter ziehen kann. So, wie jedes Individuum seine Lernaufgaben hat, betrifft das auch Gemeinschaften aller Art, angefangen bei der Familie bis hin zu ganzen Völkern. Wenn man das konsequent zu Ende denkt, kommt man dem, was als Allgemeingültigkeit angesehen wird, schon recht nahe.

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  2. Anhora

    Ach … Konstantin Wecker .. er ist der Beste!
    Er hat sich – nicht weiter überraschend – dieselben Gedanken gemacht wie du. Zu einem abschließenden Ergebnis solcher Überlegungen kann man trotz allem darüber nachdenken, sprechen oder singen aber nicht kommen. Schon die Definition des Absurden funktioniert ja nicht allgemeingültig. Ich halte es mit Camus‘ drittem Ansatz und versuche zu akzeptieren, was nicht zu ändern ist. (Schon sind wir bei der Frage, wieviel Aufwand man mit den Änderungsversuchen treiben soll.)
    Ein rundum passendes Leben gibt es nicht. „Ebbes isch immer“, wie der Schwabe sagt. 😉 Wir können das Leben nicht immer formen, aber oft unsere Haltung dazu.
    Philosophisches Grüßle

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    1. Reiner Beitragsautor

      Wir können das Leben nicht immer formen, aber oft unsere Haltung dazu.

      Genau. Wenn ich mir oft genug eine blutige Nase geholt habe, komme ich irgendwann auch dort hin. Manchmal sogar durch Einsicht 🙂

      Grüße auch Dir !

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  3. Priska Pittet

    Religion, Philosophie sind zwei der vielen Wege, um das Absurde zu erklären, begreifen, kontrollieren etc. Ein jeder dieser Wege kann, nach meiner Meinung, einen Aspekt beleuchten, Perspektiven geben, sollte aber nicht als “die Wahrheit” verstanden werden. Aber sich für die verschiedenen Wege zu interessieren hilft das Absurde näher zu betrachten. Liebe Grüße. Priska

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    1. Reiner Beitragsautor

      Die „Wahrheit“ hat viele Facetten, daran glaube ich auch. Mein mich liebender Gott ist eines, die Gedanken, die ich mir selbst mache, manchmal etwas anderes. Je mehr ich versuche, zu erklären, Worte zu finden, um so mehr glaube ich an eine Wahrheit hinter den Worten. Gefühl, Intuition, Eingebungen, es gibt viele Namen dafür …

      Lieben Gruß auch Dir !

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  4. Barbara/bmh

    Dein Eintrag – ist wieder einmal erfrischend, lieber Reiner.

    Duett der Einheit – eigentlich ein Tanz mit dem Absurden, wie Du es nennst, bis wir die Einheit allen Seins erkennen und aufhören uns blutige Nasen zu holen, wie Du es ausdrückst, weil es eine stille Einsicht gibt, die sich uns langsam anpasst, wenn wir sie zulassen.

    Alles ist Phänomen … der Beobachter, der ich bin, sieht alle Dinge kommen und gehen, zu große Wünsche und zu starke Abwehr von Nichtgewünschtem. Die Energie die wir angehäuft haben durch zu viel Grübeln löst sich nach und nach auf und schafft Platz für Gelassenheit.

    Ich nehme dieses Buch in kleinen Schlucken seit Jahren zu mir- oft mit größeren Abständen- und finde, wenn ich es mit allen Sinnen lese, immer wieder Nachvollziehbares. Daß es indisch geprägt ist, stört mich nicht, eher das Gegenteil ist der Fall. Ich lese zwischen den Zeilen und mache mir meinen eigenen Reim darauf , wie in einem Märchenbuch
    Warum nur denke ich an Dich nach der Lektüre deines neuen Eintrags und erlaube mir sogar, Dir davon zu erzählen?
    Das Buch ist von Ramesh S. Balsekar
    Grüße
    Barbara

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    1. Reiner Beitragsautor

      Stille ist ein Schlüssel … zum auflösen, transformieren, nachspüren, ja.
      Danke – auch für den Buch-Tipp …

      Lieben Gruß zurück !

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  5. Bisou

    „… die großen Fragen des Lebens nicht unbedingt ernster zu nehmen, als sie sind.“

    Du bist es der den Fragen ihre Grösse verleiht.
    Vermutlich sind alle gleich gross… aber das ahne ich bisher mehr denn ich es leben kann 😉

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